Wohnhäuser heizen, Licht und Computer anmachen, ohne dass dabei Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen wird: Das ist Ziel des Projekts „Stadtquartier 2050“, an dem die Städte Stuttgart und Überlingen teilnehmen. Der Stadt ist es ernst damit, das Wörtchen „klimaneutral“ soll nicht wirkungslos verpuffen, vielmehr will die Stadt einen eigenen Beitrag zur Rettung des Klimas leisten. Die Überlinger Bewegung von „Fridays for future„ wird es gerne hören, und auch darauf achten, dass es nicht bei der Ankündigung vom vergangenen Mittwoch im Gemeinderat bleibt.
Als erstes „Ausrufezeichen„, wie es im Gemeinderat hieß, baut Überlingen, beziehungsweise das Stadtwerk am See, eine große Solaranlage, mit der das neue Wohnquartier Nördlich Hildegardring mit Wärme versorgt werden kann. Die Solarthermieanlage ergänzt das bestehende Holzschnitzelheizwerk, womit auch klar ist, wo die Anlage künftig stehen wird: Neben dem Heizwerk, auf einer großen Freifläche zwischen den Auf- und Abfahrten der alten B 31, zwischen Aufkirch und Schättlisberg.
Mit großer Mehrheit befürwortet der Gemeinderat den Bau der Anlage und billigte in einem ersten Schritt den nötigen Bebauungsplan.
Die Anlage wird in der freien Landschaft aufgestellt, nicht auf dem Dach eines etwa bestehenden Gebäudes, sondern direkt auf der grünen Wiese. Wie Stadtplaner Thomas Kölschbach sagte, ragen die einzelnen Solarthermiemodule mit Röhrenkollektoren bis zu vier Meter in die Höhe, zur Sonne hin ausgerichtet, in einer Neigung von 30 Grad; und ein für den Betrieb nötiger Pufferspeicher könne bis zu 20 Meter Höhe erreichen. So sieht es der Bebauungsplan vor, dem die Pläne des Bauherrn zugrunde liegen. Wie Kölschbach erläuterte, folge die Modulgröße dem selbstgesteckten Ziel zur klimaneutralen Versorgung.

„Das klingt hoch“, sagte Kölschbach, was manchem Gemeinderat „zu hoch“ erscheint. Von einer „zerteilten Landschaft“ sprach Gemeinderätin Kristin Müller-Hausser (Fraktion BÜB+), sie befürchte, dass der Pufferspeicher optisch zu einer „schlechten Konkurrenz“ gegenüber dem Kirchturm in Aufkirch geraten könne. „Wir sollten das nicht zulassen“, meinte Müller-Hausser, und riet dazu, den Speicher unter der Erde zu verbauen.
Ihr Fraktionskollege Dirk Diestel hält die 20 Meter für „unfassbar, undenkbar, unmöglich“. Das Grundstück wäre in seinen Augen für den neuen Bauhof/Stadtgärtnerei geeignet, „auf den Dächern hätte man etwas machen können – so aber verbauen wir uns alles“. Diestel: „Man könnte auch das Holzhackschnitzelheizwerk erweitern statt eine riesige Fläche zu versiegeln.“

OB Jan Zeitler hielt dagegen: „Aus Gründen des Klimaschutzes sind wir so weit, dass wir sagen: Ja, wir müssen es einfach machen.“ Das Holzschnitzelheizwerk werde sowieso ertüchtigt, schließe aber das andere nicht aus. Nur so könne man sicherstellen, dass auch das neue Baugebiet Südlich Härlen mit erschlossen wird. Zeitler: „Die Energiewende findet hier bei uns statt. Dass das nicht schmerzfrei geht, wissen wir alle.“ Er halte das Projekt für „bahnbrechend“.
Die Anlage besitze „viele gute Seiten“, sagte Sonja Straub (CDU) – „nur nicht an dieser Stelle, nicht so direkt am Stadteingang„. Sie ging mit ihrer Meinung in innerparteiliche Opposition zu CDU-Sprecher Günter Hornstein. Er sagte: „Das ist ein ganz wichtiger Baustein für das Stadtquartier 2050, ein Auftakt zur Energiewende.“ Man werde die Anlage optisch wahrnehmen, sagte er, und betonte: „Die darf man sehen. Sie ist an dieser Stelle ein wichtiges Zeichen dafür, dass sich unsere Stadt aktiv an der Energiewende beteiligt.“
Herbert Dreiseitl (LBU/Die Grünen) pflichtete ihm bei: „Ich begrüße den Bau an dieser Stelle ausdrücklich, es ist ein richtiges Zeichen für die Stadt, ein städtebauliches Ausrufezeichen.“
Sorms: Höhe technisch bedingt
Im Bebauungsplan wird die Höhe für den nötigen Pufferspeicher bei 20 Metern begrenzt. Walter Sorms, Gemeinderat (LBU/Die Grünen) sagte, dass er in Verbindung zum Hersteller stehe. Er wisse, dass in der aktuellen Planung von 17 Metern ausgegangen werde. Darüber hinaus sei man am eruieren, ob ein Turm mehr gebaut werden kann, die einzelnen Türme dann aber niedriger ausfallen. „Was man nicht ernsthaft verfolgen kann, ist, mit dem Speicher in die Erde zu gehen, weil die Effizenz von der Schichtung abhängig ist und damit von der Höhe. Es ist wichtig, dass die Dinger stehen und nicht liegen.“
Michael Wilkendorf (SPD) sprach von einem „zukunftsweisenden“ Projekt, dem seine Fraktion zustimmen könne. „Bei der Höhe sind wir auch erschrocken. 20 Meter sollten die obere Grenze sein.“