Das Gasthaus Sternen und der dazugehörige Parkplatz war am Schmotzige Dunschtig 1991 Schauplatz einer Fastnacht, die es so noch nie und bislang auch nicht wieder gegeben hat. Es war das Jahr, in dem die Fasnet das bislang letzte Mal abgesagt wurde. Grund war der Einmarsch der US-amerikanischen Streitkräfte im Irak. Der Beginn des Golfkrieges sorgte dafür, dass die Narrenverbände ihre Umzüge und alle offiziellen Veranstaltungen absagten.

Die Absage kam etwa zwei Wochen vor dem Schmotzige Dunschtig, mehr als nur eine Hiobsbotschaft für die Narren am Bodensee. „Wir hatten uns bereits seit Wochen auf die Fasnet vorbereitet“, erzählt Günter Stumpf, der damals in seinem zweiten Jahr Dirigent des Musikvereins Mühlhofen war. „Außerdem hatten wir alle schon unseren Urlaub eingereicht.“ Zwei Tage vor dem eigentlichen Start der Fasnet beschlossen die Musiker in der Probe, sich trotzdem morgens um 8 Uhr im Gasthaus Sternen zu treffen.
Wie ein Lauffeuer sprach sich herum, dass im Sternen „die Musik spielt“
„Wir hatten nichts geplant und sind einfach mal hingegangen“, versichert Günter Stumpf bis heute. Es kamen etwa zehn Musiker, die dann „erst einmal ein Bier getrunken und ein paar Lieder gespielt haben“. Es habe sich herumgesprochen wie ein Lauffeuer, dass im Sternen buchstäblich die Musik spiele. „Bis etwa 11 Uhr kamen immer mehr Narren“, erinnert sich der ehemalige Dirigent. „Dann kam einer auf die Idee, dass wir ja einen Narrenbaum stellen sollten, wenn wir schon feiern.“

Ein Musiker wusste, dass am Friedhof eine große Tanne umgefallen war. Kurzerhand marschiere eine Abordnung los, mit Säge ausgestattet, und holte die Spitze der Tanne. Während einige die Rinde des Narrenbaums entfernten, besorgte ein anderer einen Spielzeug-Traktor. Der damalige Narrenpräsident Siggi Burgenmeister war mittlerweile ebenfalls vor Ort und holte einen Siegerkranz des damals noch ausgetragenen Kärrelerennens. Dieser wurde flugs zum Narrenbaumkranz umfunktioniert. Nach dem traditionellen Nudelsuppenessen, das vom Sternen-Wirt spontan angeboten wurde, war alles fertig.

Dann ging es los: Auf dem Parkplatz des Gasthauses Sternen startete ein bemerkenswertes Schauspiel, von dem bis heute immer wieder erzählt wird. Die Musiker, angeführt von Dirigent Günter Stumpf, liefen vorneweg. Direkt dahinter fuhr Narrenpräsident Siggi Burgermeister auf dem Spielzeugtraktor und zog den Narrenbaum, gestützt von zwei Helfern, hinterher. Es folgten die Narreneltern Michael Egger und Stefan John sowie weitere Narren in zivil. Nach einer durchaus lustigen Runde wurde der Narrenbaum in den Sternen getragen und dort feierlich aufgestellt.

„Durch den Umzug haben es natürlich noch mehr Leute mitbekommen, dass im Sternen etwas los ist“, erzählt Günter Stumpf. „Die Stube war zu diesem Zeitpunkt bereits gerammelt voll – und es kamen immer mehr.“ Als der Narrenbaum gestellt war, wurden Wiener Würstchen an den Kranz gehängt. So konnte sogar das traditionelle Wurstschnappen steigen, bei dem die Teilnehmer auf dem Boden saßen. „Es war eine unglaubliche Stimmung“, erinnert sich der Dirigent. „Siggi Burgenmeister hielt nach dem Narrenbaumstellen sogar noch eine Büttenrede.“
Ein Hirschgeweih in der Stube wurde Requisite für ein spontanes Theaterstück
Am Abend wurde ganz spontan ein Theaterstück aufgeführt. Grundlage war das Musikstück „Der Wilddieb“, das der Musikverein immer wieder spielte. „Es gab einen Polizisten, der seine Uniform holte, einen Jäger, der ebenfalls seine Kleider anzog, einen Wilddieb und einen Hirsch, für den ein Geweih in der Stube abgehängt wurde“, schmunzelt Günter Stumpf. „Und alle in der Stube haben lautstark mitgesungen.“ Es sei eine unglaubliche Stimmung gewesen.

Mit einem breiten Grinsen erzählt der damalige Musikverein-Dirigent, wie er morgens um 5 Uhr, als der Wirt bereits gegangen war, angefangen habe, in der Küche einen Wurstsalat zuzubereiten und schließlich erst um 8 Uhr morgens wieder zuhause gewesen sei. Bis heute ist in den Reihen des Narrenvereins immer wieder zu hören: „Die schönste Fasnet war die, die abgesagt wurde.“ Und Günter Stumpf sagt dazu: „So etwas gibt‘s halt nur bei uns.“
Die angefangene Fasnet wurde auch gebührend beerdigt
Auch wenn es 1991 keinen Rathaussturm, keine Umzüge oder Bunte Abende gab: Die angefangene Fasnet wurde auch in jenem Jahr gebührend beerdigt. „Am Fasnets-Dienstag haben wir sogar eine Narrenbaumverlosung und eine Fasnetsbeerdigung gemacht“, erzählt Günter Stumpf. „Das haben wir uns nicht nehmen lassen.“ Natürlich fand auch dieser Abschluss im Gasthaus Sternen statt.
Ein bisschen Tradition auch 2021: Im Sternen wird Nudelsuppe gekocht
Dieses Jahr wird allerdings alles anders werden. Die Fasnet ist zwar schon länger abgesagt, doch die Pandemie verhindert tatsächlich, dass man sich dennoch treffen kann. Aber Mühlhofen wäre nicht Mühlhofen, wenn man trotzdem Traditionen aufrecht erhalten würde. Deshalb hat der Sternen-Wirt Martin Möcking beschlossen, dass es auf jeden Fall die traditionelle Nudelsuppe im Sternen geben wird. „Wir wollen uns damit bei allen für die Unterstützung übers Jahr bedanken“, sagt Martin Möcking. „In diesem Jahr gilt das natürlich umso mehr.“ Die Nudelsuppe gibt es ab 11 Uhr aufgrund der Auflagen selbstverständlich nur zum Mitnehmen. „Aber so hat jeder wenigstens ein kleines bisschen Schmotzige Dunschtig zuhause“, sagt Martin Möcking.