Ein Schädel, Arme und Beine, Hüftknochen, ein bruchstückhafter Brustkorb: Das war der zunächst unscheinbare Fund eines Skeletts am Ortsrand von Uhldingen-Mühlhofen. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich bei dem Mann möglicherweise um den ältesten Christen im Dorf. Er lebte im 6. oder 7. Jahrhundert, war ein Riese, Bauer und Krieger. Seine Knochen lagen da, wo demnächst ein Funkmast gebaut werden soll. Gunter Schöbel, der die Knochen im Pfahlbaumuseum beaufsichtigt, ist in Sorge um den Fundort. Wird mit dem Fundament für den Funkmast ein wertvolles Gräberfeld zubetoniert und wertvolle Zeugnisse früheren Lebens vernichtet?

Eine Kiesgrube am Ortsausgang von Uhldingen-Mühlhofen: Hier wurde dieses Skelett eines riesenhaften Kriegers aus dem 6./7. Jahrhundert ...
Eine Kiesgrube am Ortsausgang von Uhldingen-Mühlhofen: Hier wurde dieses Skelett eines riesenhaften Kriegers aus dem 6./7. Jahrhundert gefunden. Gunter Schöbel hält weitere Funde für möglich, sofern der Platz nicht zerstört wird. | Bild: Pfahlbaumuseum Unteruhldingen

Zustimmung im Meersburger Gemeinderat

Unscheinbar wirkt auch der Wald zwischen Meersburg und Uhldingen-Mühlhofen. Wer auf der nahen B31 mit dem Auto fährt, fällt zuweilen in ein Funkloch. Der Meersburger Gemeinderat und Unternehmer Sebastian Schmäh (CDU) sagte: „Das schlechte Funknetz nervt mich und kostet viel Energie.“ Er begrüßt den Antrag der Deutschen Funkturm GmbH (DFMG) zum Bau eines 50 Meter hohen Sendemasts. Eine Mehrheit im Gemeinderatsausschuss von Meersburg gab dem Antrag seinen Segen, nachdem die Fachbehörden im Landratsamt keine Einwände formuliert hatten. „Waldumwandlung“ nennt sich der Vorgang in der Amtssprache. Gemeint ist die Fällung von 21 Bäumen.

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Nun liegt das Thema im Gemeinderat von Uhldingen-Mühlhofen. Er vertagte das Thema, weil dem Gremium noch gewisse „Visualisierungen“ fehlten. Damit ist die Angelegenheit vorläufig gestoppt, weshalb Gunter Schöbel die Chance wittert, den Bau ganz abzuwenden. Der Direktor des Pfahlbaumuseums Unteruhldingen stört sich weniger an der Optik, wenngleich er davor warnt, dass der 50 Meter hohe Mast die Sichtbeziehungen zu Kulturdenkmälern wie Birnau oder Meersburg beeinträchtigen würde. Ihm geht es vor allem um das, was man nicht sieht, weil es im Untergrund verborgen liegt, durch den Bau der Plattform für den Mast aber unwiederbringlich verloren gehen könnte: wertvolle Zeugnisse früheren Lebens, so wie das beschriebene Skelett, dem sich viele Geheimnisse entlocken lassen.

Schöbel für den Sendemast – aber nicht hier

„Sicher brauchen wir Funk, aber so?“, fragt Schöbel. „Geht das nicht behutsamer?“ Angesichts der Höhe von 50 Metern könne man den Mast von Konstanz aus sehen, in Sichtbeziehungen zu Birnau, Pfahlbauten oder der historischen Altstadt von Meersburg. Schöbel ärgert sich darüber, dass bei den Fachbehörden im Landratsamt offensichtlich nicht bekannt war, dass es sich beim angedachten Bauplatz um wichtige Fundstellen handelt.

„Die Unterlagen dazu sind seit 100 Jahren vorhanden“, so Schöbel. Er erkennt ein Versäumnis der Behörden, „die so wenig Verständnis für unsere Kulturgüter haben. Es rutschen viele Dinge einfach durch“. Die in Stuttgart und Tübingen sitzenden Vertreter des Landesdenkmalamts seien vom Bodenseekreis zu weit entfernt, weshalb er dafür plädiert, im Landkreis einen eigenen Archäologen zu beschäftigen. Anträge im Kreistag seien bislang durchgefallen, weshalb Schöbel nun erneut an die Zuständigen appelliert. „Wir blicken neidisch und freudig auf den Kreis Konstanz, wo alles bei der Forschung so glücklich mit einem Kreisarchäologen läuft.“

Ältester Nachweis für Christen am nördlichen Bodensee

Der geplante Sendemast liegt im Gewann Roggenlehen und Siechenhölzle. Schon diese Namen deuten auf ein Gräberfeld hin, beziehungsweise auf fruchtbaren Boden, auf dem frühe Siedlungen entstanden sind. Schöbel: „Wir befinden uns auf einem wichtigsten archäologischen Gräberfeld am Bodensee für das Frühmittelalter im 6. und 7. Jahrhundert der Merowingerzeit. Und sicher liegt in der Nähe die dazugehörige Siedlung, die Keimzelle und der Ursprung des Ortes.“ Schöbel kommt geradezu ins Schwärmen. „Von dort stammen bedeutende Exponate, Skelette und mithin der älteste Nachweis für das Christentum bei uns am nördlichen Bodensee.“ Er mahnt: „Hoffentlich können wir dort das Bauwerk verhindern und es findet sich eine verträglichere Lösung für unser Mobilfunkproblem, das wir haben.“

Am Samstag, 30. November, ist Tag der offenen Tür im Pfahlbaumuseum, mit freiem Eintritt von 13 bis 17 Uhr. Der Museumsdirektor dachte kurz darüber nach, den Einsneunzig-Mann aus dem Archiv zu holen. Der große Krieger könne zeigen, „was man aus solchen Gräbern heute noch lernen kann – und was man zerstören würde“. Schöbel: „Wenn‘s schwierig wird, holen wir ihn aus dem Archiv.“