Verena Wehrle

Von Montag bis Freitag zeigt sich morgens und mittags das gleiche Bild vor Schulen: Eine Familienkutsche nach der anderen steht hier. Denn viele Eltern möchten so nah wie möglich am Eingang der Schule ihre Kinder aus- oder einsteigen lassen. Viele parken dabei in zweiter Reihe oder im Halteverbot und wenden in den ohnehin schon engen und überfüllten Seitenstraßen der Schulen. Die Folge: Chaos auf den Straßen und steigende Unfallgefahren für Kinder.

Brennpunkt Realschule und Gesmeinschaftsschule

Ricarda Hellmann, Rektorin der Werner-Kirchhofer-Realschule, kennt das Problem gut. Vor ihrer Schule herrsche diesbezüglich Ausnahmezustand. „Die Eltern parken die Straße voll ohne Rücksicht auf nachfolgende Fahrzeuge. Wenn dann sogar der Schulbus nicht mehr durchkommt, sträuben sich die Haare“, sagt die Rektorin. Hier sei die Situation problematischer als an anderen Schulen in der Stadt. Denn die Hans-Thoma-Gemeinschaftsschule liegt in direkter Nachbarschaft und an dieser könne man nicht parken. Somit komme der Verkehr von 800 Schülern an nur einer Kreuzung zusammen.

Mit dem Elterntaxi zur Schule und wieder zurück – das nutzen viele Schüler. Hier vor der Werner-Kirchhofer-Realschule. Doch dies ...
Mit dem Elterntaxi zur Schule und wieder zurück – das nutzen viele Schüler. Hier vor der Werner-Kirchhofer-Realschule. Doch dies sorgt auch für Chaos auf den Straßen und für Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer. | Bild: Verena Wehrle

Hellmann hält auch unabhängig vom Verkehrschaos nichts von Elterntaxis. Sie selbst habe ihre Kinder nie zur Schule gebracht, wie sie erzählt. Sie findet die Zeit mit den Freunden auf dem Schulweg besonders wertvoll für die Kinder. Diese könnten so den Schultag nochmals gemeinsam Revue passieren lassen.

Das sagen Eltern über ihr Handeln

Doch welche Gründe haben Eltern, ihre Kinder in die Schule zu fahren? Wir haben uns umgehört.

Olessia Zimmermann.
Olessia Zimmermann. | Bild: Verena Wehrle

Olessia Zimmermann holt ihren Sohn ab, der die vierte Klasse an der Weihermattenschule besucht: „Heute haben meine Kinder einen Arzttermin, deswegen hole ich sie ab. Ansonsten gehen sie immer zu Fuß. Das finde ich besser, denn das ist ökologisch korrekt und nur so können die Kinder selbstständig werden.“

Eine Frage der persönlichen Organisation ist es für Britta Fuchs. Sie holt ihren Sohn von der Werner-Kichhofer-Realschule ab: „Ich hole ihn ab, weil es bei mir auf dem Weg von der Arbeit nach Hause liegt. Morgens fährt er mit dem Bus und auch mittags, wenn ich erst später fertig bin.“

Salvatore Belleci mit seinem Sohn auf dem Parkplatz der Weihermattenschule.
Salvatore Belleci mit seinem Sohn auf dem Parkplatz der Weihermattenschule. | Bild: Verena Wehrle

Salvatore Bellecis Sohn besucht die dritte Klasse an der Weihermattenschule. Für den Vater ist das Thema Sicherheit auf dem Schulweg entscheidend: „Ich fahre meinen Sohn jeden Tag am Morgen zur Schule und hole ihn mittags wieder ab. Wir wohnen knapp zwei Kilometer von hier. Es ist zu weit zum Laufen. Und mit dem Fahrrad ist es zu gefährlich. Vor allem die Schweizer Autofahrer fahren viel zu schnell, in der 30er-Zone fahren manche 100. Bad Säckingen ist, was den Verkehr angeht, eine Katastrophe. Vor allem ist die Gefahr an Kreuzungen viel zu groß. An den Ampeln laufen die Leute auch bei Rot über die Straße. Ich habe so viel Angst, denn es ist schon so viel passiert.“

Experte: Kinder sollten alleine laufen

Als Sicherheitsrisiko für die Schulkinder bewerten Experten aber oft die vorfahrenden und parkenden Eltern selbst. Rund 20 Prozent der Grundschüler in Deutschland werden laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa mit dem Auto zur Schule gebracht. Damit gehört also jedes fünfte Kind zur „Generation Rücksitz“, wie die chauffierten Kinder süffisant genannt werden.

„Man sollte den Kindern beibringen, wie man sich im Straßenverkehr bewegt und das lernen sie nicht im Auto“, sagt Reinhard Mohr aus Stuttgart, Regionalbeauftragter des ACE-Auto Club Baden-Württemberg, im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Club führt regelmäßig Aktionen mit der Initiative „Goodbye Elterntaxi“ durch. „Wir appellieren daran, dass die Kinder zumindest die letzten 300 bis 500 Meter alleine laufen. Nur so können sie Erfahrungen im Straßenverkehr sammeln und die Situation vor den Schulen wird entschärft“, so Mohr.

Die Stadt hat keine Lösung

Christian Hausin vom Ordnungsamt Bad Säckingen erinnert daran, dass die Stadt vor zwei Jahren am Römerweg vor der Realschule Markierungen angebracht hatte, damit hier nicht mehr in zweiter oder sogar dritter Reihe geparkt werde. Zeitweise habe sich das Chaos daraufhin etwas entschärft. Zur aktuellen Situation sagt Hausin aber: „Das Problem der Elterntaxis ist nicht in den Griff zu kriegen.“ Denn: „Die Eltern lassen sich auch von Polizeikontrollen nicht davon abhalten, im Halteverbot zu parken.“ Für Hausin eine „gefühlte Rücksichtslosigkeit“.

Die Stadt habe keine Lösung, könne keinen Sonderparkplatz einrichten, da kein Platz ist. Der Vollzugsdienst beobachte das Verhalten der Eltern an Brennpunkten, vor allem immer dann, wenn Beschwerden eingegangen seien. Hausin erklärt sich die Situation so, dass die Eltern ihren Alltag organisieren wollen und somit den Schulweg mit der Fahrt zur Arbeit verknüpfen.

Gedränge vor dem Scheffelgymnasium

Zurück in Bad Säckingen. Andere Schule, gleiches Spiel. Denn auch vor dem Scheffelgymnasium sieht laut Schulleiter Bernd Rieckmann die Situation aufgrund der begrenzten Zahl der Parkplätze schlecht aus. „Es ist ärgerlich und wirklich gefährlich, wenn die Eltern auf der gegenüberliegenden Straßenseite parken und die Schüler dann über die Straße laufen“, sagt Rieckmann.

Das könnte Sie auch interessieren

„In jedem Elternbrief geht der Appell raus, die Kinder nicht in unmittelbarer Nähe zur Schule aussteigen zu lassen. Im Idealfall fahren die Kinder mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Fahrrad oder gehen zu Fuß“, so der Schulleiter.

Zwei fahrende Väter und ein „cooler Trend“?

Matthias Huber fährt seine Tochter zum Scheffel-Gymnasium: „Am Morgen fahren wir zusammen, da wir alle zur gleichen Zeit losmüssen. Wir nehmen aber noch zwei Klassenkameradinnen unserer Tochter mit und so machen wir immerhin das Auto voll. Zurück fahren sie dann mit dem Bus. Das Abholen muss ja nicht sein.“

Sheruce Tahmini, mit ihm im Auto Sohn und Tochter.
Sheruce Tahmini, mit ihm im Auto Sohn und Tochter. | Bild: Verena Wehrle

Sheruce Tahmini holt seine Tochter vom Scheffel-Gymnasium und seinen Sohn von der Anton-Leo-Grundschule ab: „Meine Kinder müssen nicht laufen. Ich bin zuhause, habe Zeit und hole sie oft ab.“

Vor der Weihermattenschule sitzen nach Schulschluss einige Grundschüler auf einem großen Stein. Sie erzählen sich, wer von ihnen abgeholt wird. Nur ein Junge sagt, er müsse laufen. Er wird von den anderen bedauert. Diese tatsächlich beobachtete Szene macht den Anschein, als sei es mittlerweile cool, zur „Generation Rücksitz“ zu gehören.