Bad Säckingen Mit einem Stein, einer Konservendose und einer Sonnenbrille hätten die Männer vor 100 Jahren wohl nicht gerechnet, als sie im Gasthaus Adler in Stein, gegenüber von Bad Säckingen, die Fricktalisch-Badische Vereinigung für Heimatkunde gegründet haben. Aber an diesen drei Gegenständen wurde am Sonntag im Kursaal, als das 100-jährige Bestehen des Heimat- und Geschichtsvereins gefeiert wurde, deutlich, wie aktuell, aber auch wie komplex die Anliegen von damals sind. Das Wissen um die Bedeutung einer Heimat sowie das grenzüberschreitende Denken und Handeln prägt die Menschen und ihre Identität – am Hochrhein vielleicht ganz besonders.

Die Konservendose und der Begriff der Heimat passen nur auf den ersten Blick gut zusammen. Darin waren sich Miriam Hauser, die Präsidentin der Vereinigung, und die vier Teilnehmer der Podiumsdiskussion, Regierungspräsident Carsten Gabbert, die Kaiseraugster Gemeindepräsidentin und Präsidentin des Planungsverbands Fricktal Regio, Françoise Moser, der Gemeindeammann des schweizerischen Rheinfeldens, Franco Mazzi, und die Schriftstellerin Sandya Hasswani aus Herrischried schnell einig. Wird der Heimatbegriff konserviert, ist er eingeschlossen, bleibt er verschlossen und setzt musealen Staub an. Für das Hier und Jetzt, aber auch für die Zukunft wäre er somit unbrauchbar. Der Erhalt muss also anders geschehen.

Hasswani setzte dort an und erläuterte, wie wichtig ein offen gelebter Begriff von Heimat ist: „Heimatkunde hilft, anzukommen, hilft, Menschen, Wege und Örtlichkeiten zu verstehen.“ Sie bewegte sich auf einer Ebene, die zunächst abstrakt schien, aber den Bezug zur Realität nicht verlor. In ihrem Verständnis hat der Heimatbegriff einen Kern, der – außerhalb der Konservendose – konserviert werden muss; konserviert, in dem er von Menschen gelebt und neuen Menschen so zugänglich gemacht wird. So kann Heimat nicht nur Orientierung bieten. „Heimatkunde macht eine Region vertraut. Heimat schafft Beziehungen und baut Ängste ab“, resümierte sie auf Alemannisch. Hasswani, die indische Wurzeln hat, aber in Deutschland geboren ist, im Hotzenwald lebt und mit Heimatgeschichte bestens vertraut ist, entstaubte so den Heimatbegriff.

Es ist diese Art, diese Interpretation von Heimat, die die tragende Säule der Fricktalisch-Badischen Vereinigung für Heimatkunde ist. Und sie war in gewisser Weise auch ein Stein, den die Männer damals in Stein, gegenüber von Säckingen – noch ohne Bad – im Gasthaus Adler, am 6. September 1925 ins Rollen brachten. Und solch einen Stein brachte Landrat Martin Kistler mit, als er seine Grußworte an die etwa 100 Anwesenden richtete.

Hinter diesem Stein lagen die Schrecken des Ersten Weltkrieges, die das Miteinander am Hochrhein nicht unberührt ließen. Ressentiments und Misstrauen galt es, zu überwinden und die jahrhundertealte Tradition des gemeinsamen Heimatraums Hochrhein mit all seinen Verflechtungen offenzuhalten, ihn gar gegen den aufkeimenden Nationalismus zu verteidigen. Die beiden Weltkriege weggelassen, scheint dieses Anliegen heute nicht weniger aktuell. Dass „die Grenze heute grenzenlos genutzt wird“, wie Franco Mazzi unter Verweis auf seine eigene Biografie anschaulich zeigte, ist auch das Verdienst derer, die diese Tradition, diese Worte stets aufs neue leben.

Die Bedeutung der Grenze bewegte auch das Publikum. Der Wehrer Historiker Rainer Valenta erinnerte daran, dass es Fasnächtler und Feuerwehren waren, die unkompliziert Grenzen überschritten, die beiderseits des Rheins feierten und halfen. Auch Regierungspräsident Carsten Gabbert zeigte sich davon beeindruckt, wenngleich dies heute aufgrund der unterschiedlichen Rechtsräume und staatlichen Systeme nicht mehr so einfach sei. Auch verwaltungsseitig habe man die Grenzen inzwischen überwunden: „Früher hörte die Raumplanung am Rhein auf, da gab es in Deutschland, der Schweiz und Frankreich diese 180-Grad-Pläne. Heute entwickeln wir die Zukunft gemeinsam“, erklärten er und Francoise Moser. Auch seine Behörde brachte einige Steine ins Rollen, wie etwa die gemeinsame Feuerwehralarmierung in der Exklave Büsingen.

Die Erfolge von damals, etwa die Integration Zugezogener oder die Bewältigung politischer Spannungen, sind Ausdruck gelebter Tradition des gemeinsamen grenzüberschreitenden Denkens und Handelns. Sie ermutigen aber auch, die Visionen der Gründerväter im Heute weiterzuführen. Dann war da noch die Sonnenbrille, die Georg Matter als Vertreter der Aargauer Kantonsregierung mitbrachte. Sie erinnere ihn an seine Zeit als Kantonsarchäologe. „Die habe ich auf meinem Weg ins Fricktal gebraucht, weil hier immer die Sonne schien“, scherzte er.