Es sind wohl mehrere Gründe: Geringes Eigenkapital, zu viel Risiko beim Einkauf, die Energiekrise durch Putins Krieg. Nicht zuletzt sind auch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen einen früheren Geschäftsführer wegen Untreue-Straftaten zu erwähnen. Ob diese jedoch im kausalen Zusammenhang mit der aktuellen Situation des Unternehmens zu sehen sind, lässt sich nicht sagen. Die Staatsanwaltschaft gibt keine nähere Auskunft. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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Doch der Reihe nach: Fest steht, den Stadtwerken (SWS) fehlt es an Liquidität. Die Insolvenz drohte noch im Juli. Die Gesellschafter Stadt (74 Prozent) und Energiedienst (26) müssen jetzt mit einer 15-Millionen-Spritze aushelfen und die Eigenkapitalquote stabilisieren.

Die Eigenkapitalquote liegt nur noch im einstelligen Bereich

Die Eigenkapitalquote des Versorgers ist seit 2015 jedes Jahr schrittweise gesunken und liegt aktuell wohl unter 10 Prozent. Einen Jahresabschluss für 2021 gibt es noch nicht. Aber die Quote liege aktuell wohl nur noch im einstelligen Bereich, wie Bürgermeister Alexander Guhl gegenüber dem SÜDKURIER einräumt.

Große Investitionen bedeutete auch die Sanierung des Schwimmbades, das unter der Regie der Stadwerke läuft
Große Investitionen bedeutete auch die Sanierung des Schwimmbades, das unter der Regie der Stadwerke läuft | Bild: Linke, Frank

Wie kam es zu einer so dünnen Kapitaldecke?

Eine Kapitaldecke dieser Größenordnung ist bestandsgefährdend. Wie kam es dazu? Ein Hauptgrund: Die Stadtwerke mussten wegen des Gewinnabführungsvertrages jedes Jahr sämtliche Überschüsse an die Gesellschafter abführen. Der Vertrag stammt noch aus Zeiten von Günter Nufer, der bis 2004 Bürgermeister war.

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Clemens Pfeiffer, CDU-Stadtrat, hat genau dieses Problem in einer öffentlichen Sitzung im Juli so auf den Punkt gebracht: Die Stadt habe das städtische Unternehmen über die Jahre ausgesogen. Die Finanzspritze, die jetzt die SWS retten soll, sei im Grunde nur eine Rückzahlung des Geldes, das sowieso dort hingehört.

Was passierte mit dem Gewinnen?

Zur Wahrheit gehört aber auch, die Gewinne wurde ja nicht verprasst. Das Geld, es waren jedes Jahr gut zwei Millionen, wurden aufgewendet, um für die Bürger solche Segnungen, wie etwa ein beheiztes Freibad zu finanzieren oder den Defizitbetrieb Citybus. Oder den Defizitbetrieb Parkhaus. Dafür wurde jährlich eine Millionen verwendet. Die andere Million des Zwei-Millionen-Gewinnes musste für den Schuldenabbau der ehemaligen Tourismus GmbH verhalten. Dort hatte es nämlich bereits 2015 ein böses Erwachen gegeben: 2015 kam nach dem Geschäftsführerwechsel eine Verschuldung von 6,6 Millionen zu Tage. Der neue Tourismusdirektor Stefan Thomas, der 2015 als Nachfolger von Bernhard Mosandl gekommen war, zog angesichts der Zahlen die Reißleine. Der Gemeinderat beschloss daraufhin, die Tourismus GmbH mit den Gewinnen der Stadtwerke zu entschulden und sie dann aufzulösen.

Kostet Geld: Der Citybus, das Defizit müssen die Stadtwerke tragen
Kostet Geld: Der Citybus, das Defizit müssen die Stadtwerke tragen | Bild: Kanele, Susanne

Wie weit ist man da gekommen? Der Schuldenabbau sei in den Jahren 2016 bis 2021 auch geschehen und abgeschlossen, wie Bürgermeister Guhl versichert. Damit war der Zwei-Millionen-Gewinn der Stadtwerke seit 2015 jedes Jahr aufgebracht.

Gewinnabführung und Investition auf Pump

Die Pflege des eigenen Kapitals konnte so nicht funktionieren. Die Eigenkapitalquote (Anteil des Eigenkapital an der Bilanzsumme) lag im Jahr 2015 noch bei 33 Prozent. Darüber geben die Jahresabschlüsse Auskunft, die im Bundesanzeiger veröffentlicht werden müssen. 33 Prozent gilt bei Energieversorgern dieser Größenordnung als angemessen. Allerding sank die Quote in den Folgejahren. Und zwar regelmäßig jedes Jahr auf zuletzt 20,5 Prozent in 2020. Das waren 8,6 Millionen bei einer Bilanzsumme von 44 Millionen Euro. Ohne Putins Krieg und den daraus folgenden Liquiditätsbedarf der SWS wäre vielleicht nichts passiert – so argumentieren die Verantwortlichen, auch Bürgermeister Guhl. Doch der Krieg kam und die SWS waren auf die Folgen nicht darauf vorbereitet.

Gab es denn keine Warnungen?

Die gab es sehr wohl. Personen aus dem Aufsichtsrat sagen dem SÜDKURIER, die Frage des Eigenkapitals sei dort immer wieder diskutiert worden. Es habe vier oder fünf kritisch-engagierte Mitgliedern gegeben, wird unserer Zeitung berichtet. Diese hätten angesichts sinkender Quote in den vergangenen Jahren immer wieder die Finger in die Wunde gelegt. Denn die SWS mussten ihre großen Investitionen der vergangenen Jahre (z.B. die Erweiterung des Fernwärmenetzes auf die Innenstadt) wegen der Gewinnabführungen mit Fremdkapital bezahlen – also neuen Schulden machen. Die Verbindlichkeiten bei Kreditinstituten liegen laut Jahresabschluss 2020 mittlerweile bei 24 Millionen.

Wie kann die Energiekrise so ins Kontor schlagen?

Putins Krieg ist schuld. Das ist bundesweit die allgemeine Lesart für die Krise am Energiemarkt. Das ist teilweise freilich richtig. Aber eben nur teilweise. Die Instabilität der SWS bestand schon zuvor, nur durch die Energiekrise drohte der Zusammenbruch. Beispiel Einkauf: Das Missverhältnis zwischen Endkunden-Verträgen und Einkaufs-Verträgen spielt hier augenscheinlich eine wichtige Rolle. Vereinfacht gesagt: Die SWS machen mit den Endkunden in Bad Säckingen Gasliefer-Verträge zu einem festen Preis. Diese zugesagten Liefermengen an den Bad Säckinger Endkunden für 2022 decken sie aber nicht ausreichend mit ensprechenden festen Einkaufsverträgen ab – sondern nur zu 28 Prozent. Nachzulesen im Jahresabschluss 2020. Bei volatilen Gaspreis fatal.

Einkaufspolitik war zu risikoreich

Dazu ist im Jahresabschluss 2020 unter dem Abschnitt „Risikomanagement“ vermerkt: „Steigende Beschaffungskosten dagegen können bei konstant gehaltenen Absatzpreisen zu Margeneinbußen führen“. Genau das ist passiert und nährt den Eindruck einer risikoreichen Einkaufspolitik. Geschäftsfrüher Udo Engel, der die Geschäftsführung der Stadtwerke erst im Januar letzten Jahres übernommen hat, war gestern nicht zu erreichen. Bürgermeister Guhl sagte, ihm sei kein Vorwurf zu machen. Den Stadtwerken fielen jetzt Verträge seines Vorgängers auf die Füße, so Guhl. Gegen Vorgänger Martin Ritter ermittelt wie erwähnt die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts von Untreue-Straftaten. Ritter war im Januar 2021 zu den Stadtwerken Straubing gewechselt. Diese trennten sich jedoch von ihm. Sein Aufenthaltsort ist unbekannt.

In der Rückschau, so sagt Guhl zur aktuellen Situation, sei man immer schlauer. In der Tat hätte man vielleicht manches anders machen können – gerade in punkto Risikobereitschaft beim Einkauf. So sei auch der Vertrag mit einem Gas-Großkunden ein Fehler gewesen. Deshalb seien in diesem Bereich mittlerweile Maßnahmen eingeleitet worden. Das Beschaffungswesen benötige mehr Sicherungsstandards. Derzeit lassen man sich von einer externen Firma beraten, die auf die Beobachtung des bundesweiten und internationalen Energiemarktes spezialisiert sei. Dies solle das Risiko deutlich minimieren. Denn bei den Beratern sei größere Expertise zu Hause als an kleinen Stadtwerken, so Guhl. Zudem gehöre zwischenzeitlich auch der bisherige Gewinnabführungsvertrag der Vergangenheit an.

Landratsamt muss städtischen Kredit genehmigen

Jetzt muss das Eigenkapital der SWS schnell durch die 15-Millionen-Euro-Spritze der Gesellschafter angehoben werden. Da die Stadt ihren Teil von elf Millionen nicht flüssig hat, muss sie weitere Schulden machen. Die Neuverschuldung muss von der Kommunalaufsicht des Landratsamtes genehmigt werden. Die entsprechenden Unterlagen liegen in Waldshut vor, wie Pressesprecherin Susanna Heim mitteilte. Die Bearbeitung dauere zwei bis drei Wochen, mit einer Entscheidung sei frühestens Ende August zu rechnen. Eine Bewertung könne derzeit noch nicht vorgenommen werden.

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