„Das ist eine juristische Frechheit hier.“ Mit diesen Worten hatte ein 36-jähriger Angeklagter den Auftakt seines Prozesses vor der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichts Waldshut-Tiengen kommentiert. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft schwere Brandstiftung und versuchte Brandstiftung vor. Der Vorwurf der schweren Brandstiftung steht im Zusammenhang mit dem Brand einer Scheune in Dettighofen, den der Mann laut Anklage gelegt haben soll und der auf ein angebautes Wohnhaus übergriff. Noch in der Brandnacht Ende März dieses Jahres wurde er verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Er wohnte in direkter Nachbarschaft zur Scheune.

„Gerne mal was getrunken und auch nicht gearbeitet“

In den ersten Terminen des auf sieben Verhandlungstage anberaumten Verfahrens wurde deutlich: Die Wahrheitssuche wird für das Landgericht herausfordernd. Der Angeklagte schweigt bisher zum Tatvorwurf. Und von den bisherigen Zeugen war keiner schon vor dem Brandausbruch, der gegen Mitternacht erfolgte, vor Ort oder wenn doch, dann schlafend. Aus den Aussagen wurde deutlich, dass es einen Zeugen geben soll, der am Brandabend gegen 23 Uhr eine Person aus der Scheune hat herauskommen sehen. Aber ob es der Angeklagte wirklich war oder nur eine wie er aussehende Person, ist noch unklar – dieser mögliche Belastungszeuge ist erst für kommende Woche geladen.

Der Täter oder die Täterin soll einen schwarzen Kapuzenpullover getragen haben und sei „eher klein“ sowie stark alkoholisiert gewesen, hieß es. „Als ich diese Beschreibung hörte, habe ich sofort an den Herrn gedacht“, sagte eine Zeugin aus und meinte mit dem „Herrn“ den Angeklagten. Dieser sei ja auch „kleiner“ und trage zudem oft einen Kapuzenpullover, sagte sie aus. Und: „Der hat ja gerne mal was getrunken und auch nicht gearbeitet“, gab sie gegenüber Martin Hauser, dem Vorsitzenden Richter, an.

Der Brand der Scheune griff auf das angebaute Wohnhaus über und beschädigte dieses massiv. Der Brand wurde Polizei und Feuerwehr am 27. ...
Der Brand der Scheune griff auf das angebaute Wohnhaus über und beschädigte dieses massiv. Der Brand wurde Polizei und Feuerwehr am 27. März kurz vor Mitternacht gemeldet. | Bild: Uwe Kaier

Heraus kam, dass die Zeugin und deren Familie den Mann mit einer weiteren Brandstiftung in Verbindung bringen, die sich kurz davor ereignet haben soll, an Brennholzscheiten, die entlang der Straße aufgestapelt waren. Gelöscht mit nur einer Wasserflasche hat den Brand ein Mann aus der Ukraine, der aber mangels Dolmetscher vor Gericht bisher nicht als Zeuge gehört wurde.

Angeklagter gar nicht oder höchstens vom Sehen bekannt

Die Zeugin stellte zwischen dem Zuzug des Angeklagten nach Dettighofen und den Vorfällen einen Zusammenhang her. „Davor hat es bei uns ja nie gebrannt“, sagte sie. Und: „Ich habe keine Feinde im Dorf. Wer sollte uns das sonst antun?“ Andererseits kam auch heraus: Der Angeklagte lebte nur rund 100 Meter von dem mit der Scheune bebauten Anwesen entfernt und das wohl schon etwa zwei Jahre. Und doch gaben die Frau und weitere Zeugen an, ihn gar nicht oder höchstens vom Sehen gekannt und auch keinen Konflikt mit ihm gehabt zu haben. So blieb auch unklar, welches Motiv der Mann gehabt haben könnte, den Brand zu legen. Dennoch: Für die durch den Brand geschädigte Familie ist die Täterschaft des Mannes unumstößlich.

Der Brand der Scheune, laut Sachverständigem muss es Brandstiftung gewesen sein, griff auf das angebaute Wohnhaus über und beschädigte dieses massiv. Der Brand wurde Polizei und Feuerwehr laut Zeugenaussage am 27. März kurz vor Mitternacht gemeldet. Bereits gegen 3 Uhr morgens, nur drei Stunden darauf, wurde der jetzt vor Gericht stehende Angeklagte als mutmaßlicher Täter in dessen Wohnung von der Polizei aufgesucht. „Die Polizei hat uns gesagt, sie wäre bereit und warte nur noch auf das ‚Go‘ der Staatsanwaltschaft“, sagte eine Zeugin aus. Und dieses „Go“, also die Autorisierung, die Wohnung des Mannes auf- und durchzusuchen sowie ihn zu einer Blutentnahme mitzunehmen, kam dann auch.

Im März brannte eine Scheune in Dettighofen. Jetzt muss das Landgericht Waldshut-Tiengen klären, wer sie angesteckt hat.
Im März brannte eine Scheune in Dettighofen. Jetzt muss das Landgericht Waldshut-Tiengen klären, wer sie angesteckt hat. | Bild: Hans Christof Wagner

Besagter schwarzer Kapuzenpullover wurde bei ihm gefunden und samt zwei Mobiltelefonen beschlagnahmt. Der Angeklagte kehrte dann aber nicht mehr nach Hause zurück, als herauskam, dass er weder in Deutschland arbeitet noch hier Angehörige hat. Diese leben vielmehr in der Schweiz: So kamen die Ermittler zu dem Schluss, es könne Fluchtgefahr drohen.

Ablehnung für Anträge auf Verschonung von U-Haft

Auf Nachfrage berichtete die Verteidigung des Angeklagten, schon mehrfach, aber letztlich vergeblich, versucht zu haben, diesen aus der U-Haft freizubekommen. Offenbar ist für die Ermittler der Tatverdacht dringend genug, um diese zu rechtfertigen.

Hauser hielt dem Mann vor, mit seinen Dettighofer Nachbarn „immer Ärger gehabt“ zu haben. Es war von zerstochenen Reifen, mit Klebstoff verschmierten Türschlössern und beschädigten Autos die Rede. Auch der Vorwurf, aus Flaschen und Dosen Brandsätze gebastelt zu haben, wurde laut. Das stritt der 36-Jährige ab. Er habe weder Brandsätze gebastelt, noch sei er mit den Nachbarn nennenswert zerstritten gewesen, so seine Version. Aber dass es eine Strafanzeige im Zusammenhang mit einer Wasser- und Stromleitung gab, bestätigte er.

Eine Zeugin betonte in der Verhandlung, wie sehr die Familie der Verlust der Scheune emotional belaste. In diese habe ihr verstorbener Vater einen Partyraum eingebaut, wo die Verwandtschaft zu Festen und Feiern zusammengekommen sei. „Das war für uns nicht einfach nur ein gewöhnlicher Schopf“, sagte sie gegenüber Hauser.

Der Angeklagte schwieg bisher zum Tatvorwurf, ist aber dem Anschein nach der Ansicht, dass die Ermittler nichts gegen ihn in der Hand hätten und die Beweise fehlten. Wiederholt provozierte er Hauser in der Verhandlung durch mündliche Einlassungen. „Für was sitze ich jetzt schon für ein halbes Jahr in U-Haft?“, rief er etwa. Oder: „Ich lasse mir das hier nicht gefallen.“ Was die Gegenwehr Hausers provozierte. Dieser ermahnte den Angeklagten mit lauter Stimme: „Quatschen Sie mir nicht permanent in meine Verhandlung hinein.“