Den älteren Einwohnern von Maulburg ist der Lost Place vom Dachsigberg bekannt. Dort stand während des Zweiten Weltkriegs eine militärische Funkstrahleinrichtung. Heute erinnert ein Betonring mit fast 100 Metern Durchmesser an das ehemalige „Knickebein“.

Es ist eine Menge Gras über den Dachsigring gewachsen. „Wo die Bäume im Kreis wachsen“, definierte einst Ex-Bürgermeister Jürgen Multner den Ort. Bei Google Earth ist das Bauwerk aus der Nazizeit südlich von Maulburg noch gut zu erkennen.

Aus der Vogelperspektive wird der Ring sichtbar.
Aus der Vogelperspektive wird der Ring sichtbar. | Bild: Screenshot Google Maps

Vor mehr als 80 Jahren, als die Anlage gebaut wurde, war ihre Funktion geheim.

Geheimes Nazi-Bauwerk

Abgeschirmt durch hohe Zäune, wurde Tag und Nacht an einem gigantischen Betonring gearbeitet, der im Durchmesser knapp 100 Meter misst. Es ist der Sockel für eine todbringende Funkeinrichtung. Denn damals, bei Kriegsbeginn 1939/1940, stand eine 30 Meter hohe Stahlkonstruktion auf dem Ring, die dazu gedacht war, deutsche Bomber per Funk in Feindesland zu lenken, wo sie ihre vernichtende Fracht selbst bei Nacht und Nebel zielsicher abwerfen sollten.

Und so sah die Funkstrahleinrichtung auf dem Dachsigberg aus, ehe sie von den Franzosen dem Erdboden gleichgemacht wurden.
Und so sah die Funkstrahleinrichtung auf dem Dachsigberg aus, ehe sie von den Franzosen dem Erdboden gleichgemacht wurden. | Bild: Gerald Nill, Repro

„Sie haben eine einmalige Aussicht hier oben auf dem Dachsigberg“, schwärmte Heimatforscher Günter Waßmer bei einem Ortstermin auf dem Höhenzug des Dinkelbergs vor gut vier Jahren. Die Schweiz, der französische Sundgau und der Schwarzwald liegen in Sichtweite.

Der Funkempfang auf der Anhöhe war ideal für die militärischen Zwecke der Nazis. Waßmer hatte die Bedeutung der Leitstrahlanlage bereits in den 1980er-Jahren für das Denkmalamt dokumentiert. Die Bedeutung des militärischen Bauwerks auf der Dachsig lag lange im Dunkeln. Von „stummen Zeugen“ einer finsteren Epoche Deutschlands war damals die Rede. Heute weiß man etwas mehr.

Deckname „Knickebein“

Es gab in Deutschland nur drei derartige Anlagen, die von den damaligen Militärs mit dem Decknamen „Knickebein“ belegt wurden. Eine an der holländischen Grenze, eine nahe Dänemark und eben eine in Maulburg, unweit der französischen Grenze. Die Bomber der deutschen Luftwaffe wurden mittels „Knickebein“ auf zwei Richtstrahlen zum Einsatzgebiet geführt. Genau dort, wo sich zwei Funkstrahlen kreuzten, lag das feindliche Ziel und sollten die Bomben fallen.

Angeblich sorgten die Leitstrahlanlagen dafür, dass die Bomber auch noch in 250 Kilometern Entfernung eine Abweichung von höchstens 1500 Metern hatten. Die Firma Telefunken lieferte damals die Technik. Auf dem Betonsockel, der noch heute auf dem Berg zu sehen ist, waren einst Schienen, auf denen die 30 Meter hohe Funkeinrichtung selbst von Hand im Kreis gedreht wurde, damit sie ihre Signale aussenden konnte.

Weitere Betonfundamente zeugen davon, dass permanent Soldaten in einfachen Unterkünften auf dem Berg stationiert waren, um die Anlage rund um die Uhr zu bewachen. Vermutlich gab es damals auch einen Bunker, in dem die Stromversorgung der Leitstrahlanlage gewährleistet wurde.

Franzosen sprengen die Funkeinrichtung

Bei einem Luftangriff der Briten blieb „Knickebein“ unbeschadet. Lediglich eine Bombe traf in den Zielkreis, es handelte sich jedoch um einen Blindgänger. Den Briten gelang es aber bald, das strategische Funksystem zu durchschauen und auch erfolgreich zu stören. Letztlich ging die Luftschlacht um das Vereinigte Königreich verloren. Nach dem Zweiten Weltkrieg gerieten die Standorte der Leitstrahlstationen langsam in Vergessenheit.

1948 sprengten Franzosen die stählerne Funkeinrichtung bei Maulburg. Gras wuchs über die Kriegsmaschinerie. Inzwischen ist es sogar ein ganzer Wald. Ein Landwirt nutzt die Fläche als Acker, Kinder spielen hier und Familien nutzen die Betonfundamente der militärischen Baracke als Grillplatz. Überhaupt strahlt der Hügel heute eine besonders friedliche Atmosphäre aus, als versuche er, die Schrecken der NS-Zeit vergessen zu lassen.

Noch mehr Lost Places

Die SÜDKURIER Video-Serie „Aufgeschlossen – vergessene Orte in der Region“ bietet besondere Einblicke hinter die Fassade verlassene und vergessener Orte in der Region. Hier geht es zu den Videos.

Weitere Lost Places in der Region:

Verbrannt, vernachlässigt und vermüllt: In dieser Disco tanzt schon lange niemand mehr

Grabesruhe im Feriendorf: Urlaub macht hier schon lange niemand mehr

Wie sieht es eigentlich im leerstehenden Rheinschloss in Waldshut aus? Wir zeigen es Ihnen!