Verena Wehrle und Nina Hesse

Ein Karlsruher Restaurantbesitzer hängt aus Protest Tausend Kassenbons an die Raumdecke, andere Geschäftsleute drohen damit, die Zettel zu sammeln und an das jeweils zuständige Finanzamt zu schicken: Protest regt sich im ganzen Land gegen die zu Beginn des Jahres gültige Kassenbonpflicht. Doch wie sehen eigentlich die Händler in der Region die neue Regelung? Welche Umstellung bedeutet das für sie? Wir haben nachgehakt.

Wenn Kleinstbeträge zur Papierflut führen

In den Regalen stehen Holzkugeln, Bindfäden, Dekobänder und viele weitere Dekorations-und Bastelartikel. Vieles kostet nur ein paar Cent. Bisher konnte Irene Schwarz vom Bastelfachhandel in Bad Säckingen das Drucken der Bons an der Kasse sperren, aber die Buchung war dennoch registriert. Doch das ist nun nicht mehr erlaubt. Sie selbst halte gar nichts von der neuen Pflicht, Bons auszudrucken, die die Kunden ohnehin nicht haben möchten.

Irene Schwarz verkauft in ihrem Bastelfachhandel in Bad Säckingen viele Kleinigkeiten. Da bekommen die Kunden nun auch Bons für ...
Irene Schwarz verkauft in ihrem Bastelfachhandel in Bad Säckingen viele Kleinigkeiten. Da bekommen die Kunden nun auch Bons für Cent-Beträge. | Bild: Verena Wehrle

Antrag auf Befreiung

Rosmarie Küpfer, Geschäftsleiterin der Bäckerei Küpfer in Waldshut, hat bereits einen Antrag beim Finanzamt auf Befreiung von der Kassenbonpflicht gestellt. Sie hofft auf eine Veränderung der Kassenbonpflicht, vor allem für Betriebe wie den ihren. „Meine Kundschaft wechselt von Tag zu Tag. Schüler kaufen zum Beispiel eine Caprisonne für 50 Cent, oder ein Brötchen für 30 Cent“, sagt Küpfer. Deshalb würde die Kassenbonpflicht für ihren Betrieb sinnlos sein. „Die Schüler kommen schnell – und gehen schnell, niemand möchte einen Kassenbon haben“, erklärt die Geschäftsleiterin.

„Manche Kunden machen sogar schon Witze über die Kassenbonpflicht bei uns“, erzählt Rosmarie Küpfer. Außerdem würden alle Einträge von der Kasse auf ein USB-Stick übertragen und somit gespeichert werden. In der Bäckerei achte man immer mehr auf die Umwelt und die Nachhaltigkeit, beispielsweise bei Kaffeebechern und Verpackungsmaterial. Für Küpfer sei die Pflicht, Belege auszudrucken „Papierverschwendung“, da diese immer im Müll landen würden.

Eine Verkäuferin in der Bäckerei Küpfer in Waldshut gibt einen Kassenbon an einen Kunden.
Eine Verkäuferin in der Bäckerei Küpfer in Waldshut gibt einen Kassenbon an einen Kunden. | Bild: Nina Hesse

Laut Leonardo Pisano, Besitzer des gleichnamigen Tabakwaren-Ladens in Waldshut, erhöhe die Kassenbonpflicht seine Ausgaben: „Früher habe ich die Papierrollen für die Kassenbelege nach zwei oder drei Wochen ausgewechselt. Mittlerweile muss ich das jeden zweiten Tag machen“, sagt er. Er würde Pakete mit Papierrollen im Wert von über 100 Euro bestellen. Dies müsse er nun jeden zweiten Monat machen, was sich für ihn wirtschaftlich nicht positiv auswirken würde.

Leonardo Pisano in seinem Tabakladen in Waldshut.
Leonardo Pisano in seinem Tabakladen in Waldshut. | Bild: Nina Hesse

Vor der Einführung des Gesetztes habe er noch entscheiden können, ob seine Kasse die Belege druckt, jetzt drucke sie immer. „Die Kassenbons landen sowieso nur im Müll, da kaum ein Kunde bei einem Einkauf mit solch niedrigem Wert nach dem Bon fragt“, erklärt der Verkäufer. Dennoch zeigt er Verständnis für das Gesetz: „Ich verstehe die Umstellung, es ist wichtig, um die Richtigkeit nachweisen zu können.“

43 Kilometer Papier pro Jahr

Das Gleiche wie Pisano erlebt auch Günther Czutka, vom Kiosk, Bistro und Imbiss Gleis 3 in Wehr. Jedoch hat er überhaupt kein Verständnis für das Gesetz und ärgert sich sehr darüber: „Das ist absoluter Schwachsinn.“ Er verkauft vieles, das nur wenige Cent kostet. Bisher hat auch er den Bonausdruck in der Kasse unterdrückt, wobei dennoch jede Buchung registriert worden sei.

„Es ist doch so, wenn jemand unbedingt Schwarzgeld machen will, gibt er einfach den Kassiervorgang nicht in die Kasse ein. Es ...
„Es ist doch so, wenn jemand unbedingt Schwarzgeld machen will, gibt er einfach den Kassiervorgang nicht in die Kasse ein. Es verlangt eh niemand einen Kassenbon“, sagt Günther Czutka. | Bild: Verena Wehrle

Da nun viele gesetzliche Vorgaben und das Logo auf dem Bon Platz brauchen, ist ein Bon für nur ein Produkt bereits 20 Zentimeter lang. Dies sei eine enorme Müllproduktion, wie seine Überschlagsrechnung zeigt: Pro Tag hat er rund 590 Kassenbuchungen, 365 Tage ist geöffnet. Dies bedeutet, dass am Tag rund 118 Meter und im Jahr ganze 43 Kilometer Thermopapier benötigt werden. Somit benötigt Czutka nun 882 Kassenrollen pro Jahr. „Früher hat eine Rolle eine Woche gereicht, jetzt hält sie nur zweieinhalb Tage“, erklärt er.

Die digitalen Alternativen zum Papierbon

Als Alternative zum Papier-Bon ist es auch möglich, dass der Beleg dem Kunden per Mail zugestellt wird. Dem muss der Kunde zustimmen. Auch möglich ist es, Apps zu nutzen, die dem Händler ermöglichen, dem Kunden seine Bons einfach aufs Smartphone zu schicken. Das setzt allerdings voraus – und da ist schon der Haken –, dass sich die Kunden die App auf ihrem Mobilgerät installieren. Keiner der befragten Händler nutzt ein digitalisiertes System, auch nicht jene, deren Kasse es kann. „Eine elektronische Variante wäre für mich viel zu aufwendig“, sagt zum Beispiel Günther Czutka.

Bon für Bon jagt es fortan aus der Kasse im Minutentakt.
Bon für Bon jagt es fortan aus der Kasse im Minutentakt. | Bild: Verena Wehrle

Für manche keine große Sache

Während für viele Geschäftsleute am Hochrhein die Kassenbonpflicht eine Umstellung ist, gibt es auch einige, bei denen sich damit gar nichts ändert. Einer von ihnen ist Jochen Seipp, Geschäftsführer von Seipp Wohnen in Waldshut. „Bei uns im Seipp gab es schon immer Kassenbons, wir tippen sowieso alles“, erklärt er. Er ist der Vorsitzende des Werbe- und Förderungskreis Waldshut und laut ihm hat der Einzelhandel in Waldshut keine größeren Schwierigkeiten bei der Umstellung zur Kassenbonpflicht. „Wir ringen eher mit der Bagatellgrenze“, so Seipp.

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Gibt es Kontrollen?

In Italien stehen von Zeit zu Zeit Kontrolleure vor den Ladengeschäften und kontrollieren die Kassenbons der Kunden. Davon sei Deutschland jedoch weit entfernt. „Es ist doch so, wenn jemand unbedingt Schwarzgeld machen will, gibt er einfach den Kassiervorgang nicht in die Kasse ein. Es verlangt eh niemand einen Kassenbon„, sagt der Wehrer Unternehmer Günther Czutka dazu.

Die Kontrollen sollen jedoch auch in Deutschland verstärkt werden, wie Antje Mohrmann vom Finanzministerium erklärt: „Unangekündigte Kassennachschauen sind bereits seit vorletztem Jahr möglich und werden schon durchgeführt. Dafür können die Kassenprüfer ohne Voranmeldung um einen sofortigen Kassensturz bitten und prüfen dann, ob das vorhandene Bargeld und die Kassenvorgänge zueinander passen.“