Für die meisten Menschen ist es ein Tag, an den sie sich noch lange erinnern: der Tag der Führerschein-Prüfung. Unabhängigkeit und Freiheit verbinden viele mit dem Gefühl, den „Lappen“ in den Händen zu halten. Doch für immer mehr Fahrschüler bleiben diese Momente in schlechter Erinnerung. Statt Freude und Erleichterung zu spüren, hören sie: „Durchgefallen.“
Fast 38 Prozent fallen durch die Theorieprüfung
In Baden-Württemberg sind im vergangenen Jahr knapp 37,8 Prozent der Fahrschüler an der Theorieprüfung gescheitert (2016: 35,8 Prozent). Bei der praktischen Prüfung sieht es nur wenig besser aus. Bei etwa jedem vierten Fahrschüler (24,1 Prozent; 2016: 22,4 Prozent) hatte der Prüfer etwas so Gravierendes zu bemängeln, dass es am Ende nicht fürs Bestehen reichte.
Stetiger Anstieg seit 2014
Seit 2014 steigt die Zahl der Nicht-Besteher stetig an. Eine Tendenz, die auch vor dem Hochrhein nicht Halt macht, auch wenn es keine lokalen Statistiken dazu gibt. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Sven Dorn, Fahrlehrer aus Lauchringen, sieht bei Fahrschülern insbesondere Nervosität, mangelnde Vorbereitung und gesellschaftlichen Druck, beispielsweise durch die Erwartungshaltung von Eltern und Freunden, als Ursachen für Nicht-Bestehen.
Bestehen pünktlich zum 18. Geburtstag nicht mehr so wichtig
Laut Jochen Klima, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Baden-Württemberg, spielt allerdings auch die sinkende Bedeutung des Führerscheins eine Rolle: „Einer der Hauptgründe dürfte sein, dass der pünktliche Erwerb des Führerscheins zum 18. Geburtstag bei Jugendlichen – im Vergleich zu früher – deutlich an Bedeutung verloren hat.“ Deshalb werde auch das Nicht-Bestehen oftmals als „nicht so schlimm“ betrachtet.
Kein Problem, die Prüfung zu wiederholen
So sieht es auch die 16-jährige Tamira Belas, die in zwei Wochen ihre theoretische Führerscheinprüfung ablegen wird. „Wenn ich nicht bestehe, wäre das nicht so schlimm. Man kann die Prüfung ja noch einmal machen“, sieht sie dem Termin gelassen entgegen, auch wenn sie davon ausgeht, am Prüfungstag sehr nervös zu sein. Jeden Tag übt die Lauchringerin zur Vorbereitung rund 100 der Prüfungsfragen – mangelnde Vorbereitung will sie sich schließlich nicht vorwerfen lassen.
Neue Lernformen
Dank Handy und Lern-App statt der klassischen Papierbögen ist das Lernen für den Führerschein heute so bequem wie wohl nie zuvor. „Das ist auf jeden Fall praktisch. Das Handy habe ich immer dabei und kann so auch unterwegs üben. Allerdings ist die Gefahr größer, sich durch Nachrichten ablenken zu lassen“, schildert die Fahrschülerin.
Nur gute Erfahrungen mit digitalen Materialien
Sie hat bei der Suche nach der passenden Fahrschule bewusst auf dieses Angebot geachtet und macht ihren Führerschein in Wutöschingen. Fahrlehrer Sven Dorn schätzt die digitale Weiterentwicklung des Lernens. „Persönlich habe ich nur gute Erfahrungen mit dieser Art des Lernens gemacht, auch wenn es immer wieder Schüler gibt, die lieber mit der althergebrachten Art mit Fragebögen in Papierform lernen möchten“, erklärt er.
Gewissenhafte Vorbereitung
Der Einsatz der Fahrschüler sei unabhängig vom Lernmaterial oder -medium zu bewerten. „Das liegt allein daran, wie ernst die Fahrschüler die Prüfung nehmen. Die größte Anzahl der Schüler bereitet sich bei uns sehr gewissenhaft auf die Prüfungen vor, da ihnen auch bewusst ist, dass ein Nicht-Bestehen mit weiteren Kosten verbunden ist“, erklärt Sven Dorn.
Theorieprüfung am Tablet-PC
Die Theorieprüfung von heute unterscheidet sich deutlich von dem, was viele Autofahrer von ihrem großen Tag in Erinnerung haben. Mittlerweile werden die 30 von einem Zufallsgenerator ausgewählten Fragen auf einem Tablet-PC beantwortet. Dazu gehören reine Textfragen ebenso wie Fragen mit Bild und Fragen zu einem Videoclip, der bis zu fünfmal angeschaut werden kann. Pro falsch beantworteter Frage gibt es drei bis fünf Fehlerpunkte.
Zahlreiche Varianten machen Auswendiglernen schwer
Ab elf Fehlerpunkten oder zwei Fehlern bei Vorfahrtsfragen ist der Schüler durchgefallen. „Da außerdem bei den Bilderfragen zahlreiche Varianten in den Prüfungsfragenkatalog aufgenommen wurden, wurde das Bestehen der Prüfung durch reines Auswendiglernen praktisch unmöglich gemacht. Nur bei Verständnis der dargestellten Situation und der Fragestellung lassen sich die Fragen korrekt beantworten“, erklärt Fahrlehrerverband-Vorsitzender Jochen Klima die aus seiner Sicht komplexer gewordene Prüfung.
Praktische Prüfung verändert sich kaum
Dagegen gab es bei der Praxisprüfung kaum Änderungen. Der Fahrschüler ist auf sich gestellt, der Prüfer sitzt im Nacken – doch der Verkehr macht es den Experten zufolge für Prüflinge schwerer als früher. „Denke ich an meine Fahrausbildung vor über 30 Jahren, ist der Verkehr in diesen Jahren immer mehr und somit auch anstrengender geworden. Für junge Menschen ist dies eine zusätzliche Belastung, die jeder anders verarbeitet“, berichtet Sven Dorn aus der Praxis als Fahrlehrer. Während manche ohne Berührungsängste ans Steuer sitzen, stehen andere sich durch die eigene Unsicherheit eher selbst im Weg und benötigen eine längere Ausbildung. „Die Tendenz, wie viele Übungsfahrten benötigt werden, zeigt nach oben“, berichtet Dorn.
Weniger Verkehrserfahrung
Dazu trägt auch eine weitere Entwicklung bei, die Fahrlehrerverbands-Vorsitzendem Jochen Klima aufgefallen ist: „Junge Menschen sammeln vor dem Erwerb des Führerscheins weniger eigene Verkehrserfahrung“, sagt er. Beispielsweise wenn statt dem Fahrrad lieber das Eltern-Taxi genutzt wird. „Hinzu kommt, dass sie auch während der Mitfahrten im elterlichen Auto nicht den Verkehr und die Tätigkeit des Fahrers beobachten, sondern häufig mit ihren Smartphones beschäftig sind“, so Jochen Klima.
Kulturelle Unterschiede
Weniger „Verkehrssinn“ macht Jochen Klima auch bei fremdsprachigen Fahrschülern aus anderen Kulturkreisen aus, da diese etwa „nicht von Kindesbeinen an mit der Komplexität des deutschen Straßenverkehrs aufgewachsen sind“. Dass Menschen mit ausländischen Führerscheinen in Deutschland direkt die Prüfung ablegen können und Theorie- oder Praxisstunden nicht nötig sind, trägt aus Sicht einiger Experten ebenfalls zu der steigenden Zahl der nicht bestandenen Prüfungen bei.
Geringe Akzeptanz der Verkehrsregeln
„Sehr oft fällt mir auf, dass Führerscheinbewerber, die im Ausland eine Fahrererlaubnis besitzen und in Deutschland die Umschreibung beantragen, Probleme mit der Einhaltung von Verkehrsregeln haben“, schildert Fahrlehrer Sven Dorn seine Erfahrungen. Doch diese Entwicklung sei auch bei deutschen Fahrschülern nicht mehr selten: „Dieses Problem der Akzeptanz von Verkehrsregeln begegnet uns bereits bei vielen jungen deutschen Führerscheinbewerbern, die mir sagen: „Wenn ich den Lappen habe, dann fahre ich ganz anders als in der Fahrschule.“
Gute Vorbilder wichtig
„Jeder Verkehrsteilnehmer sollte sich an die Nase fassen und sich überlegen, ob er alles richtig macht, wenn er mit seinem Fahrzeug unterwegs ist. Nur durch unser Vorbild lernen die jungen Fahrer, sich an Regeln zu halten“, erklärt er. Das trägt nicht nur zur Sicherheit im Verkehr bei, sondern hätte auch schon so manchem Fahrschüler die Prüfung erleichtert.
Nachahmen führt oft zum Nichtbestehen
Vor Aufregung nehmen Prüflinge dort gerne die Verhaltensweisen anderer Verkehrsteilnehmer an. Wenn es dann zum Beispiel statt mit Schrittgeschwindigkeit beinahe ungebremst an einem Bus mit Warnblinkanlage vorbei geht, weil es das Auto davor auch so macht, heißt es vom Prüfer auf der Rückbank ganz schnell: „Durchgefallen!“
Testen Sie Ihr Theoriewissen
Wie gut würden Sie heute noch bei der theoretischen Führerscheinprüfung abschließen? Machen Sie den Test! Mehrere korrekte Antworten sind möglich.
1. Wie lange dauert es, bis 1,0 Promille Alkohol im Blut abgebaut ist?
1) zehn Stunden
2) eine Stunde
3) fünf Stunden
2. Wo tritt besonders häufig Aquaplaning auf?
1) an Bahnübergängen
2) bei Gefälle
3) bei Spurrillen
3. Sie fahren bei Nebel auf der Autobahn und haben 50 Meter Sicht. Wie schnell dürfen Sie höchstens fahren?
1) 50 km/h
2) 70 km/h
3) 100 km/h
4. Wie verhalten Sie sich, wenn ein Bus an einer Haltestelle hält und Warnblinklicht eingeschaltet ist?
1) Beim Vorbeifahren durch ausreichenden Abstand eine Gefährdung von Fahrgästen ausschließen
2) Warten, wenn Fahrgäste behindert werden können
3) Nur mit Schrittgeschwindigkeit weiterfahren, nötigenfalls anhalten
5. Sie fahren mit 30 km/h. Dabei beträgt der Bremsweg nach der Faustformel bei einer normalen Bremsung 9 Meter. Wie lang ist der Bremsweg unter gleichen Bedingungen bei 60 km/h?
1)18 Meter
2) 22 Meter
3) 36 Meter
Die Lösungen
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