Die Überraschung bei Busfahrer Tobias Preußer war groß, als er den Brief eines privaten Parkplatzbewirtschafters in seinem Briefkasten fand. Inhalt: Die Forderung einer Vertragsstrafe in Höhe von 80 Euro. Preußer wurde zur Last gelegt, gegen die Einfahrtbestimmungen auf dem Rewe- und Penny-Parkplatz in Stühlingen verstoßen zu haben.
Bei genauerem Hinsehen fielen dem ortskundigen Busfahrer aber einige Ungereimtheiten auf.
Was war eigentlich geschehen?
Den Bereich Rewe-Parkplatz Stühlingen rechts von der B314 im Lindenweg kennt Tobias Preußer sehr gut, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung darstellt. Hier ist der Busfahrer regelmäßig dienstlich unterwegs. Eines weiß er sehr genau: Wer mit einem großen Fahrzeug in den Lindenweg hineinfahre, stoße auf ein erhebliches Problem. Wendemöglichkeiten gibt es dort nämlich keine. Man sei quasi gezwungen, bis zum Parkplatz der Supermärkte durchzufahren, um zu wenden.

Bis vor kurzem war das kein Problem. Doch seit einigen Monaten wird das Areal vom privaten Parkraumbewirtschafter Parkdepot überwacht. Seither gilt ein Einfahrverbot für Lastwagen. Wer dieses missachtet, erhält ein saftiges Bußgeld – oder genauer: Eine Vertragsstrafe, wie es im privatwirtschaftlichen Kontext heißt.
Ein solches Knöllchen in Höhe von 80 Euro hat auch der Busfahrer selbst erhalten – obwohl er eben lediglich gewendet hat, und obwohl er mit dem Bus und nicht etwa mit einem Lastwagen auf den Parkplatz gefahren ist. „Busse sind ausdrücklich vom Einfahrverbot ausgenommen“, betont Preußer.
Kritisch sieht er aber auch, dass bis vor Kurzem gar nicht ersichtlich gewesen sei, dass Lastwagen nicht in den Lindenweg einfahren durften. Entsprechende Schilder wurden erst vor wenigen Tagen an der Bundesstraße angebracht, wie das Landratsamt Waldshut auf Nachfrage bestätigt. Zuvor wurde das Parkplatzareal aufgrund der guten Infrastruktur rege von Fernfahrern für ihre Übernachtungen frequentiert, schildert Preußer – „sehr wahrscheinlich ist das für viele Trucker teuer geworden“, vermutet er.
Wie läuft das mit der Parkplatzkontrolle?
Eine Anfrage unserer Zeitung bei der Firma Parkdepot, ein Startup-Unternehmen mit Sitz in München, bleibt zwar unbeantwortet. Auf seiner Homepage berichtet das Unternehmen allerdings von automatisierten Prozessen, die insbesondere auf den Einsatz von Schranken oder Parktickets verzichtet: „Unsere Scanner erfassen Kennzeichen bei der Ein- und Ausfahrt. Unverhältnismäßige Parkvorgänge werden identifiziert und Nichtkunden herausgefiltert.“

Parkdepot ist inzwischen als Dienstleister für namhafte Supermarktketten in ganz Deutschland tätig.
Unternehmen Parkdepot steht schon länger in der Kritik
Derweil sieht sich Parkdepot seit Jahren erheblicher Kritik aus unterschiedlichen Richtungen ausgesetzt. Verkehrsteilnehmer kritisieren zum Beispiel Intransparenz und sprechen von „Abzocke“. Die Nutzungsbedingungen der Parkplätze seien oft versteckt, schwer lesbar oder unverständlich.
Im Fall des Stühlinger Rewe-Parkplatzes weist ein eng beschriebenes Schild am Eingang des Parkplatzes auf die geltenden Regeln und auch das Durchfahrverbot für LKW hin. „Realistisch betrachtet müsste ein Verkehrsteilnehmer erst aussteigen und alles genau durchlesen, um alles zu verstehen. Im Vorbeifahren schafft das keiner“, ist Busfahrer Preußer überzeugt.

Auch die Verbraucherzentrale kritisiert, dass häufig die Nutzungsbedingungen nicht klar ersichtlich seien. „Was in der Regel nicht ausreicht: besonders kleine Schrift auf Hinweisschildern bei der Einfahrt, versteckte Schilder am Rand der Supermarkt-Parkplätze, Hinweise zum Parken erst im Supermarkt, besonders lange und komplizierte Klauseln“, fasst die Organisation zusammen.
Datenschützer bereitet derweil die Art und Weise Bauchschmerzen, wie Parkdepot sogenannte „Nichtkunden“ oder „Fremdeinkäufer“ identifiziert. Dazu sei nämlich die Aufzeichnung der Fußwege der Verkehrsteilnehmer notwendig. Mithin werde also ein Bewegungsprofil erstellt.
Konsequenzen hatte die Kritik bislang nicht. Sie biete aber immerhin Ansatzpunkte für Widersprüche gegen die erhobenen Strafforderungen, heißt es dazu von der Verbraucherzentrale.
Bei Strafforderungen hat Unternehmen relativ freie Hand
Deutlich hervorgehoben ist auch auf dem Schild an der Parkplatzzufahrt des Stühlinger Rewe der Hinweis, dass eine Überschreitung der Parkdauer mit „mindestens 30 Euro“ Vertragsstrafe belegt werde. Dass Parkdepot wie auch andere private Parkplatzbewirtschafter ordentlich hinlangen, wenn es um Strafforderungen geht, ist ebenfalls konstanter Kritikpunkt. Und doch gibt es nur bedingt Möglichkeiten des Vorgehens, denn dass die Strafsätze auf privat bewirtschafteten Parkplätzen die Bußgelder im öffentlichen Raum übersteigen, sei durchaus zulässig, wie die Verbraucherzentrale festhält. Sie sollten aber „verhältnismäßig“ sein. Im Zweifel sollten Betroffene sich von einem Experten beraten lassen, empfehlen die Verbraucherschützer.

Die Parkplatzbewirtschafter müssen sich auch weder bei Behörden noch bei der Polizei rückversichern oder die Höhe der Vertragsstrafen genehmigen lassen, wie Julia Fohmann-Gerber, Sprecherin des Landratsamts, und auch Polizeisprecher Christoph Efinger auf Anfrage bestätigen.
Glückliches Ende für Busfahrer Preußer
Tobias Preußer kann unterdessen inzwischen einen Erfolg verbuchen: Er hat Widerspruch gegen die von Parkdepot erhobene Vertragsstrafe eingereicht. Diese wurde jetzt anerkannt und die Forderung zurückgezogen.
Was bleibt, sei dennoch ein befremdliches Gefühl, wie Preußer schildert: Dass die Technik nicht einmal einen Lastwagen von einem Bus unterscheiden könne, und das Unternehmen erst auf aktive Beschwerde hin die Vertragsstrafe überprüfe. Dass LKW-Fahrer monatelang mutmaßlich unwissentlich gegen die neuen Regelungen verstoßen hätten, und Strafen hätten zahlen müssen. All das mache doch einen reichlich unseriösen Eindruck. Wie hoch der Anteil derer sei, die einfach gezahlt hätten, um sich weiteren Ärger zu ersparen, wolle er sich gar nicht erst vorstellen.