Obwohl in die Jahre gekommen, ist die Idee der Städte- und Gemeindepartnerschaften heute nach wie vor aktuell. Erst recht im Landkreis Waldshut, wo 21 von 32 Gemeinden einen Austausch mit ausländischen Orten pflegen. „So viele Partnerschaften wie im Landkreis Waldshut sind außergewöhnlich“, bringt es Elvira Hansmann, Vorsitzende des Freundeskreises Blois-Waldshut-Tiengen-Lewes auf den Punkt. Die Stadt Waldshut-Tiengen ist nicht die einzige, die mehrere Partnerschaften unterhält.
Auch eine Partnerschaft mit Japan
Bad Säckingen ist mit den Städten Sanary-sur-Mer (Frankreich) seit 1973, Purkersdorf in Österreich seit 1973, Nagai in Japan seit 1983, Santeramo in Colle in Italien seit 1983 und mit der Teilgemeinde Näfels in der Schweiz seit 1988 partnerschaftlich verbunden.
Vierblättriges Kleeblatt der Partnerstädte
Auch Wehr spielt auf mehreren Hochzeiten: zusammen mit Bandol (Frankreich), Nettuno (Italien) und Onex bei Genf bildet die westlichste Stadt im Landkreis quasi ein vierblättriges Kleeblatt. Oder Murg: Die Gemeinde am Rhein ist seit 1982 mit Mehun sur Yevré (Frankreich) verschwistert, pflegt darüber hinaus auch freundschaftliche Beziehungen zur Ortsgemeinde Murg am Walensee (Schweiz). Der Murger Ortsteil Oberhof hat sogar eine eigene Freundschaft aufgebaut – mit dem gleichnamigen Dorf Oberhof im Fricktal.
Bürgermeister freut sich über Erfolg der französischen Nationalmannschaft
Die Bedeutung von Partnerschaften fasst der Murger Bürgermeister Adrian Schmidle so zusammen: „Über den offiziellen Austausch hinaus freundschaftliche Beziehungen nach Frankreich zu pflegen und mich zum Beispiel nach unserem Ausscheiden bei der WM über den Erfolg der Französischen Fußball-Nationalmannschaft zu freuen.“ Sein Amtskollege Michael Thater aus Wehr bezeichnet Städtepartnerschaften als „heute wichtiger als vor 20 Jahren“. Denn: „Wir erleben gerade eine schwierige Zeit für den europäischen Gedanken und ich bin der Überzeugung, Europa muss von unten, von den Menschen her belebt werden“, so Thater.
Partnerschaften bestehen seit 50 Jahren oder länger
Einige Städte- und Gemeindepartnerschaften bestehen schon seit 50 Jahren und länger. Wie zum Beispiel diejenige von St. Blasien mit Saint-Blaise im Kanton Neuenburg in der französischsprachigen Schweiz. Die ersten Kontakte wurden bereits in den 1950er Jahren geknüpft. Dahinter steckte nicht nur der gemeinsame Kirchen- und Stadtpatron, „sondern auch der Wunsch, den von der politischen Vergangenheit belasteten Gemeinden eine neue Perspektive zu geben“, so die Begründung der Stadt St. Blasien.
1961 erfolgte die offizielle Partnerschaft mit Saint-Blaise, liegt nun also schon 57 Jahre zurück. Aus der Mode gekommen ist sie jedoch nicht, im Gegenteil: Die kleine Stadt im oberen Albtal pflegt noch zu zwei anderen Gemeinden (St. Paul in Kärnten/Österreich) und Klingnau (Schweiz) vertiefte Beziehungen, die mehr sind als „nur“ politische Partnerschaften.
Partnerschaften sind nicht aus der Mode gekommen
„Städtepartnerschaften sind nicht aus der Mode gekommen, sondern sind in der heutigen Zeit aktuell und angebracht“, erklärt Elvira Hansmann. Sie ist überzeugt: Wer Partnerschaften mit ausländischen Orten pflegt, stellt einen grundlegenden positiven Effekt fest. „Man kann toleranter werden“, so Hansmann. Im Lauf der Zeit würden sich aus Bekanntschaften Freundschaften entwickeln, die weit über das „Offizielle“ gehen.
Vor allem wichtiger Effekt für die Jugend
Klar ist auch, dass, wer an Gemeindepartnerschaften aktiv teilnimmt, die Sprachkenntnisse verbessern kann. In dieser Zeit der Globalisierung vor allem für die Jugend ein wertvoller Effekt. Dass Frankreich, England und Deutschland früher verfeindet waren, ist heute kein Thema mehr. „Die Kriege sind nicht vergessen“, sagt Elvira Hansmann, „aber sie spielen heute keine Rolle mehr“.
Häufig sind Partnerschaften auf private Initiativen zurückzuführen. Die Partnerschaft von Herrischried im Hotzenwald mit Le Castellet in der Provence seit 1978 etwa hat der ehemalige Oberstudienrat Joseph Haas aus Bad Säckingen angestoßen. Haas galt als „Guru der Verschwisterung“, weil er in den 1970er Jahren etliche regionale Stadt- und Gemeinde-Ehen im westlichen Landkreis gestiftet hatte. Haas’ Idee stieß in der Herrischrieder Bevölkerung jedoch nicht sofort auf einhellige Begeisterung.
Skepsis wegene Sprachbarriere und weitem Weg
„Die Bevölkerung hat nicht grad Hurra gerufen“, erinnert sich Barbara Wagner, seit 1999 Vorsitzende des Verschwisterungsvereins Herrischried. Bedenken gab es wegen des weiten Weges, aber auch wegen der Sprachbarriere. Andererseits war die Aussicht, einen Partner in der klimatisch milden und malerischen Provence zu haben, verlockend. „Für ein Hotzendorf war das natürlich etwas Großartiges“, so Barbara Wagner.
Elf Gemeinden pflegen keine Partnerschaft
Nur elf Gemeinden im Landkreis – Görwihl, Bernau, Dettighofen, Eggingen, Häusern, Hohentengen, Jestetten, Lottstetten, Todtmoos, Wutach und Wutöschingen – pflegen keine offizielle Partnerschaft mit einer ausländischen Gemeinde. Lottstettens Bürgermeister Jürgen Link: „Es war vor Jahren eine Diskussion, aber man hat dann gefunden, dass es sich für so eine kleine Gemeinde wie Lottstetten nicht lohnt.“ Oder Hauptamtsleiterin Tanja Würz, Hohentengen: „Es hat sich nie ergeben.“
Geschichte und Pflege von Partnerschaften
- Die Entstehung: Die Bewegung der deutsch-französischen Städtepartnerschaften entstand nach dem Zweiten Weltkrieg, als Lucien Tharradin, Bürgermeister von Montbéliard und ehemaliger Widerstandskämpfer und Buchenwald-Überlebender, 1950 den Grundstein für eine Städtepartnerschaft mit Ludwigsburg in Baden-Württemberg legte. Acht Jahre später führten die Idee der Partnerschaften Konrad Adenauer, der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik (1949 bis 1963) und der französische Ministerpräsident Charles de Gaulle auf höchste politische Ebene, als sie sich zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg trafen. Was damals unvorstellbar schien – die Versöhnung von Deutschland und Frankreich – wurde 1963 Wirklichkeit: Adenauer und de Gaulle unterzeichneten einen Freundschaftsvertrag. Die Geste löste eine Welle von Partnerschaften von deutschen und französischen Städten und Gemeinden aus. Heute bestehen rund 2200 Partnerschaften zwischen beiden Ländern, so viele wie nirgendwo sonst.
- Die Partnerschaft: Bei den deutsch-französischen Städtepartnerschaften tun sich zwei Städte, ein französisches Departement mit einem deutschen Kreis bzw. Bezirk oder eine französische Region mit einem Bundesland zusammen und pflegen auf der Grundlage eines offiziellen Dokuments freundschaftliche Beziehungen. Im Rahmen dieser Partnerschaften ist Sprachaustausch, Schüleraustausch, Kulturaustausch oder beruflicher Austausch möglich. Die Städtepartnerschaften tragen zu einem besseren gegenseitigen Verständnis zwischen den beiden Partnerländern bei.
- Die Entwicklung: Obwohl diese Partnerschaften vor allem Kultur, Sport und Bildung betreffen, entwickeln sie sich heute immer mehr in andere Richtungen, wie gemeinsame Projekte in Bereichen wie Wirtschaft und Forschung zeigen. Darüber hinaus öffnen sich heute viele Projekte der deutsch-französischen Zusammenarbeit für Europa, indem sie Regionen anderer Länder im Rahmen multilateraler Projekte einbinden. (psc)