Polizeihauptmeisterin Michaela Jehle besucht Schulklassen im Rahmen der Präventionsarbeit der Polizei. Kinder und Jugendliche sollen für die Gefahren des Internets sensibilisiert werden. Und die sind sehr vielschichtig: „Das Spektrum reicht von Urheberrechtsverletzungen über Cybermobbing bis hin zu sexuell motivierten Straftaten – auch in unserer Region“, schildert Jehle.

Sie besucht regelmäßig Schulklassen im gesamten Kreis Waldshut und spricht mit den Kindern über die wichtigsten Themen. Dabei sei es völlig unerheblich, um welche Schulform es sich handelt, oder ob die Kinder in der Stadt oder auf dem Land leben: „Die Themen sind überall die gleichen und die Schilderungen der Kinder überall vergleichbar. Brennpunkte gibt es nicht.“ Sie stellt immer wieder fest:
„Es ist zum Teil erschreckend, wie die Kinder mit dem Smartphone und alle seinen Gefahrenquellen alleine gelassen werden.“Polizeihauptmeisterin Michaela Jehle
Um einen Einblick zu bekommen, wie Kinder in unserer Region sich online bewegen, wie sie ihre Smartphones nutzen und welche Erfahrungen sie dabei machen, dürfen wir während einer Präventionsveranstaltung in einer fünften Klasse im Kreis Waldshut dabei sein. Die Autorin bleibt unerkannt im Hintergrund, so dass die 26 Schülerinnen und Schüler zwischen neun und elf Jahren, frei mit Michaela Jehle über Themen sprechen können, die sie bewegen.
Wer hat denn schon ein Smartphone?
Auf die Eingangsfrage gehen etwa 20 Schülerhände nach oben. Einige lächeln, sichtlich stolz ein so tolles Gerät zu besitzen oder in Kürze geschenkt zu bekommen. Die Schüler freuen sich darüber, erzählen zu können, seit wann sie es haben. Einige schränken ein, dass die Eltern noch keine eigene SIM-Karte erlaubt haben. Ein altmodisches Tastenhandy hat niemand.
Zwei oder drei Kinder haben weder Smartphone noch Tastenhandy. Sie sind zwar klar in der Minderheit, aber augenscheinlich auch fasziniert von all dem, was ihre Mitschüler über Bilder, Chats und Videos erzählen. In den zwei Schulstunden wird vieles angesprochen, ins Detail lässt sich aber nicht immer gehen. Nicht alle Fragen können beantwortet werden. Doch in der Pause wird klar, welche Kinder das Thema Smartphone und Internet besonders beschäftigt.
Über Jehles Erzählungen aus der Zeit vor Mobiltelefonen staunen die Fünftklässler. Ziemlich einig sind sich die Kinder in der Frage, warum sie eines haben: „Damit ich meine Eltern anrufen kann, wenn etwas passiert ist.“ Ob und wie oft das schon vorgekommen ist? Darauf wissen die meisten keine Antwort.
Welche Apps nutzt ihr?
Youtube steht bei fast allen Fünftklässlern sehr hoch im Kurs, aber auch Spieleapps sind beliebt. Auch vom regelmäßigen Nutzen des Massengerdienstes Whatsapp und zum Teil auch von Besuchen im sozialen Netzwerk Instagram berichten die Schüler.
Als Michaela Jehle nach Facebook fragt, verdrehen einige Kinder die Augen: „Das interessiert mich nicht, dort sind doch nur alte Leute und meine Eltern“, erklärt ein Mädchen. Tiktok und Snapchat sind die sozialen Netzwerke, in denen sich die Kinder tummeln – noch nicht alle, aber ein paar Kinder nicken heftig, als Jehle die Anbieter aufzählt.
Spannend wird es dann bei Jehles Frage nach dem eigenen Profilbild der Kinder. „Ich lade mir immer ein cooles Motiv aus dem Internet runter“, sagt ein Junge. Dass er möglicherweise eine Urheberrechtsverletzung begeht, ist ihm nicht klar. Erschrocken blickt er die Polizeihauptmeisterin an.

Michaela Jehle erklärt der Klasse, worauf sie achten müssen, wenn sie Bilder aus dem Internet herunterladen und vor allem weiterverbreiten. Ein Mädchen ergänzt: „Bei mir ist das Profilbild in Whatsapp ein Bild von meiner Geburtstagsparty mit allen Gästen.“ Sie schaut nachdenklich, als Michaela Jehle sie fragt, ob sie ihre Freunde denn gefragt hat, ob das in Ordnung ist. Das will sie gleich nach der Schule nachholen.
Auf welche jugendgefährdenden Inhalte sind die Kinder schon gestoßen?
Nach und nach stellt sich heraus, dass eine Handvoll der Fünftklässler das Smartphone praktisch uneingeschränkt nutzen darf. „Da hab ich auch schon so eklige Sachen gesehen mit Männern und Frauen“, erzählt ein Junge und schüttelt sich. Mehrere Kinder kichern. „Oder manchmal bekommt man im Chat ganz hässliche Bilder und Videos“, ergänzt ein Fünftklässler zwei Reihen dahinter:
„Da lag mal ein Toter nackt im Wald und dann kamen die Zombies. Und einmal habe ich gesehen, wie einer mit einer Peitsche geschlagen wurde, bis er blutet.“Fünftklässler aus dem Kreis Waldshut
Polizeihauptmeisterin Michaela Jehle bleibt angesichts der Schilderungen ruhig. Die Schüler hören aufmerksam zu, als sie sehr sachlich über Sexvideos und Gewaltszenen spricht: „Ihr müsst unbedingt immer euren Eltern bescheid sagen, wenn ihr so etwas geschickt bekommt. Ist es auf einer Internetseite, macht ihr die am besten gleich zu, sagt das aber auch euren Eltern. Das gilt für alles, was ihr nicht versteht, oder was euch ein komisches Gefühl macht.“
Wieso Cybermobbing bereits in der fünften Klasse ein Thema ist
In dieser fünften Klasse gibt es bereits eine Whatsapp-Gruppe, in der sich die Schüler abseits von Schulunterricht und Lehreraufsicht austauschen. „Das ist voll gut, außer wenn einer die Gruppe vollspammt mit Smileys oder doofen Bildern. Das nervt dann“, beschreibt eine Schülerin. Schnell wird klar, dass der Austausch sich nicht nur auf die Hausaufgaben beschränkt und der Ton manchmal ruppiger wird. Immer wieder werden Schüler hinzugefügt und wieder entfernt, je nachdem, wie beliebt sie gerade beim Gruppenadmin sind. „Das war wirklich nicht nett“, sagt ein Junge.
Und auch Bilder werden von den Fünftklässlern gerne untereinander geteilt. Michaela Jehle versucht zu vermitteln, dass nicht nur das Urheberrecht eine Rolle spielt, sondern auch Persönlichkeitsrechte verletzt werden können. Sie mahnt: „Ihr dürft Bilder von anderen niemals verändern, egal, ob ihr die Menschen jetzt hübscher oder hässlicher macht.“ Deutlich spricht die Polizeihauptmeisterin die Warnung an die Kinder aus, keine fremden Bilder und Videos weiterzuleiten, auch nicht an die Eltern. „Damit könnt ihr euch wirklich strafbar machen und es kann sein, dass dann meine Kollegen von der Polizei ermitteln müssen.“
Kontakt zu Unbekannten: Wenn die Gefahr real wird
Einer der Fünftklässler wartet einen Moment in der Pause ab, in dem die Polizeihauptmeisterin gerade nicht von Schülern umringt ist. „Mich hat mal einer gefragt, ob ich mich mit ihm treffen will“, sagt er leise und blickt zum Boden. Michaela Jehle reagiert ganz ruhig und fragt nach der Situation.
„Ich habe online mit der Wii [Spielekonsole, A.d.R.] gespielt mit anderen. Da hat der mir direkt eine Nachricht geschrieben, dass er mit mir befreundet sein will und gefragt, wo ich wohne.“Fünftklässler aus dem Kreis Waldshut
Wie er reagiert habe, will Jehle wissen. „Ich habe nicht geantwortet und ganz schnell die Wii ausgemacht.“ „Das war genau richtig“, lobt die Polizeihauptmeisterin und der Junge lächelt, freut sich, dass er das Richtige getan hat. „Wir dürfen das Internet nicht verteufeln, denn es gehört zu unserem Alltag dazu, aber wir müssen die Gefahren ernst nehmen. Das funktioniert nicht ohne die Eltern“, sagt Michaela Jehle. Die Pause ist vorbei. Nun erklärt Jehle den Kindern nochmal ganz genau, wie sie bei Kontaktanfragen von Unbekannten reagieren müssen.
Was Eltern tun können und müssen
Michaela Jehle, die auch Präventionsveranstaltungen für Eltern anbietet, thematisiert an diesem Vormittag viele Aspekte. Sie spricht offen aus, worüber die Klasse manchmal noch kichert. Sie findet die richtigen Worte, die Uniform unterstreicht die Relevanz ihrer Äußerungen: „Ich bin selber Mutter und kann allen Eltern nur dringend dazu raten, sich aktiv mit dem Thema auseinanderzusetzen“, sagt Jehle.
Zwischen den beiden Extremen eigenes Smartphone und völlig grenzenloser Zugang zum Internet und den sozialen Netzwerken und Schülern ganz ohne Mobilfunkgerät, findet sich die größte Gruppe: Kinder, deren Eltern die Nutzung des Mobiltelefons überprüfen. Das in allen denkbaren Ausprägungen – die Bandbreite reicht hier von der konsequenten Durchsicht und dem Zugriff auf das Gerät bis zu einigen eher vage gehaltenen Regeln und Absprachen.
Michaela Jehle betont: „Einem Kind ein Smartphone uneingeschränkt und ungesichert zur Verfügung zu stellen, das ist, als würde man jemandem ohne Führerschein und Fahrausbildung Autofahren lassen.“ Deshalb sei es immens wichtig, dass vor allem Eltern gut informiert sind.