Die Schweizer Atomkraftwerke in Leibstadt und Beznau zählen nicht nur zu den ältesten der Welt, sondern rufen aufgrund immer wieder auftretender Pannen Kritik auf beiden Seiten der Grenze hervor.
Jetzt bekommt die Schweizer Atomaufsichtbehörde Ensi (Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat) allerdings Rückendeckung vom Bundesverwaltungsgericht mit Sitz in St. Gallen.
Die Behörde habe die Erdbebensicherheit des Kernkraftwerks Beznau gemäß den rechtlichen Vorgaben beurteilt. Die Richter wiesen so eine Beschwerde von 15 Bürgern ab.
- Auftrag nach Fukushima: Im Nachgang zur Atomkatastrophe von Fukushima im März 2011 hatte das Eidgenössische Nuklearinspektorat (Ensi) von der Axpo Power AG, der Betreiberin des Kernkraftwerks (KKW) Beznau, verlangt, dass sie die Erdbebensicherheit des Kraftwerks Beznau überprüfe. So schreibt das Schweizer Bundesverwaltungsgericht in seiner Urteilsbegründung. Und weiter: „Die Betreiberin hatte nachzuweisen, dass das KKW Beznau ein Erdbeben, wie es sich höchstens einmal in 10 000 Jahren ereignet, beherrscht und dabei in der Umgebung der Anlage eine Strahlbelastung von 100 Millisievert nicht überschritten wird.“ Das Ensi, so die Richter, habe im Juli 2012 festgestellt, „dass die Betreiberin den geforderten Sicherheitsnachweis erbracht habe und erachtete deshalb eine unverzügliche vorläufige Außerbetriebnahme des KKW Beznau für nicht angezeigt“.
- Die Klage der Bürger: 15 Privatpersonen, so schreibt des Schweizer Bundesverwaltungsgericht in seiner Urteilsbegründung weiter, hätten die Verfügung des Ensi von Anfang 2017 im April 2017 angefochten. Die Kläger hätten dabei insbesondere den vom Ensi vorgesehenen Dosisgrenzwert für die Strahlenbelastung von 100 Millisievert in Frage gestellt. „Ihrer Meinung nach sollte dieser bei einem 10 000-jährlichen Erdbeben bei einem Millisievert liegen.“
- So begründet das Gericht: „Nach Auslegung der maßgeblichen Normen kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, dass das Ensi den zulässigen Grenzwert für die Strahlenbelastung bei einem 10 000-jährlichen Erdbeben zu Recht bei 100 Millisievert angesetzt hat.“ Zudem habe das Ensi in seiner Beurteilung keine weiteren, selteneren Erdbeben berücksichtigen müssen. Die Richter des obersten Schweizer Verwaltungsgerichts: „Die zulässige Strahlendosis wurde korrekt berechnet.“ Deshalb habe das Gericht die Beschwerde der Bürger abgewiesen.
Strahlendosis
- Der Messwert: Die Belastung unter anderem von Menschen durch radioaktive Strahlung wird in der Einheit „Sievert“ gemessen. Die Maßeinheit ist benannt nach dem schwedischen Physiker Rolf Sievert. Das Sievert ist die Maßeinheit verschiedener gewichteter Strahlendosen bei ioisierender Strahlung. Sie dient zur Bestimmung der Strahlenbelastung biologischer Organismen und wird bei der Analyse des Strahlenrisikos verwendet. Also: Je mehr Sievert, desto größer die Belastung für den Menschen.
- Der Grenzwert: Nach der Atomkatastrophe von Fukushima (Japan) war laut japanischer Regierung zunächst ein Wert von 1000 Millisievert am Unglücksort gemessen worden. Das bedeutet, so damalige Medienberichte, dass ein Arbeiter den auf 250 Millisievert angehobenen Grenzwert binnen 15 Minuten abbekommen hätte. Laut deutschem Bundesamt für Strahlenschutz liegt der Grenzwert „für die effektive Dosis zum Schutz von Einzelpersonen der Bevölkerung beträgt 1 Millisievert im Kalenderjahr“.
Das sagen die Abgeordneten
Zu dem Urteil des Bundesverwaltuntgsgerichts in St. Gallen nehmen auch die Bundestagsabgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) und Felix Schreiner (CDU) Stellung. Das Gericht hatte der Atomaufsichtsbehörde Ensi attestiert, die Erdbebensicherheit des AKW Beznau richtig beruteilt zu haben.
- Felix Schreiner, CDU: „Das Bundesverwaltungsgericht der Schweiz hat entschieden, dass die Erdbebensicherheit des KKW Beznau unter den geltenden Vorgaben korrekt geprüft wurde. Dieses Urteil gilt es so zu akzeptieren. Auch wenn ich persönlich eine frühere Außerbetriebnahme des KKW Beznau für angebracht halte. Das gilt insbesondere für den Reaktorblock Beznau I, der zu den ältesten der Welt zählt. Aus Gesprächen mit Bürgern am Hochrhein weiß ich, dass diese mit wachsender Sorge auf die grenznahen Atomkraftwerke blicken und kann diese gut nachvollziehen. Die gefälschten Prüfberichte im AKW Leibstadt sind dabei ein weiterer gravierender Vorfall in einer Reihe von Pannen, die sicherlich nicht zu Vertrauen führen.“
- Rita Schwarzelühr-Sutter, SPD: „Das Bundesumweltministerium nimmt die Gerichtsentscheidung zur Kenntnis und weist darauf hin, dass für die Sicherheit und die Erdbebenauslegung des AKW Beznau das Ensi als Atomaufsicht zuständig ist. Gleiches gilt für die Bewertung von Gerichtsurteilen zur Auslegung der AKW. Ungeachtet dessen wird diese Thematik auch im Rahmen der Deutsch-Schweizer-Kommission angesprochen und erörtert. Aber natürlich bin ich unabhängig von diesem Urteil weiterhin fest davon überzeugt, dass das älteste Atomkraftwerk der Welt eher heute als morgen stillgelegt werden sollte.“