Vor genau 25 Jahren sorgte Radsport-Star Jan Ullrich für einen Volksauflauf in Wehr: Wenige Wochen zuvor war der damals 22-Jährige Jungprofi sensationell Zweiter bei der Tour de France geworden, am 12. August 1996 trat er mit seinem Team Telekom bei der ersten Etappe der Regio-Tour in Wehr an. Auch in Wehr wurde er Zweiter – übernahm aber die Gesamtwertung der Tour, die er bis zum Schluss nicht mehr abgab.

Es war der Beginn der großen Jahre des deutschen Profi-Rennstalls Team Telekom (später Team T-Mobile), Jan Ullrich sollte ein Jahr später erster und einziger deutscher Tour de France-Sieger werden. Auch wenn aus heutiger Sicht viele Radprofis schon damals mit unlauteren Mitteln an den Start gingen – die Fans glaubten noch an ihre Unschuld ihrer Idole und feierten sie entsprechend. Obwohl die Wehrer Etappe an einem ganz normalen Werktag stattfand, säumten tausende Fans den Start-Ziel-Bereich in der Talstraße.

Zieleinlauf im Wehrer Orstzentrum: Telekom-Profi Jens Heppner gewann die Etappe rund um Wehr vor Jan Ullrich.
Zieleinlauf im Wehrer Orstzentrum: Telekom-Profi Jens Heppner gewann die Etappe rund um Wehr vor Jan Ullrich. | Bild: SK-Archiv

Weil Wehr im Jahr 1996 Start- und Zielort der Etappe war, gab es reichlich Gelegenheit die internationalen Radsport-Stars zu beobachten und vorm Start oder nach dem Zieleinlauf Autogramme oder Fotos zu ergattern. Gleich mehrmals mussten die Radsportler die Stadt durchqueren. Zehn Runden á 19,9 Kilometer führten von Wehr über Schopfheim nach Dossenbach zurück ins Wehratal. Nicht nur in Wehr, sondern auch beim Anstieg in Dossenbach herrschte dichtes Gedränge der Zuschauern, denn hier war in jeder zweiten Runde eine Bergwertung zu absolvieren.

„Es war nicht einfach, die Regio-Tour nach Wehr zu bekommen“, erinnert sich Altbürgermeister Klaus Denzinger. Für Tour-Erfinder und -Organisator Rudi Renz lag Wehr eigentlich zu weit östlich. Im Elsass und der Schweiz sah dieser größeres Potential für sein Rennen. Vor allem für die Tourismuswerbung versprachen sich die Wehrer einen Impuls. Fernsehen und Radiosender berichteten von der Tour, spätestens mit den Erfolgen des Team Telekom reisten Radsport-Fans auch bei der vergleichsweise kleinen Regio-Tour mit. „Ein Glücksfall“ sei der kometenhafte Aufstieg der Telekom-Stars um Jan Ullrich gewesen, sagt Denzinger heute. Auch wenn es finanziell dadurch immer teurer wurde, Etappenort zu werden. Besonders attraktiv war es natürlich, Zielort zu sein, dafür musste die Stadt allerdings einen fünfstelligen Betrag investieren. „Im Gemeinderat gab es immer wieder Diskussionen, ob wir als Stadt tatsächlich den Profi-Sport unterstützen sollen“, erinnert sich Denzinger. „Ohne Martin Brugger als Förderer hätten wir die Tour-Etappe nicht ausrichten können“, nennt Denzinger einen der großen Fürsprecher der Radsportveranstaltung beim Namen. Nicht nur finanziell, auch mit viel persönlichem Engagement sorgte Brugger dafür, dass Wehr sich plötzlich einen Namen als Radport-Stadt machte und der einst so vorsichtige Rudi Renz überschwänglich lobte: „Wehr und die Regio-Tour gehören einfach zusammen.“

Das Starterfeld in Wehr. Am rechten Bildrand Jan Ullrich.
Das Starterfeld in Wehr. Am rechten Bildrand Jan Ullrich. | Bild: SK-Archiv

Es wäre unfair, aus dem damaligen prominenten Starterfeld nur den Namen Jan Ullrich zu nennen. Die Wehrer Etappe gewann damals sein Teamkollege Jens Heppner, mit Udo Bölts und Ralf Aldag waren im Laufe der Jahre auch viele andere Telekom-Stars in Wehr am Start. Gerade für junge Amateure war die Regio-Tour ein gutes Sprungbrett, um sich für Profi-Teams zu bewerben. Denn in der Provinz starteten nicht nur die Profis, sondern auch Nachwuchsfahrer in Nationalmannschaften. Aus regionaler Sicht ist Reto Matt aus Niederhof zu nennen, der sich so in der Heimat zeigen konnte.

1991 war ein gewisser Lance Armstrong als Amateure am Start. Wer ihn damals nach einem Autogramm fragte, hatte einen guten Riecher, denn seinerzeit war er nur Experten bekannt. Er war aber bei weitem nicht der einzige Unbekannte, aus dem später mal ein Radsport-Star werden sollte. Aus heutiger Sicht liest sich das illustre Starttableau der Regio-Tour von damals wie eine Liste überführter Dopingsünder.

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