Ein gutes Jahrzehnt hatten die Wehrer Gemeinderäte geplant, Ende 80er Jahre begann die Umsetzung der Wehrer Innenstadtsanierung, die das Erscheinungsbild der Stadt bis heute prägt. „Es gab einen Investitionsstau in der Stadt“, erinnert sich Klaus Denzinger, der 1986 zum Wehrer Bürgermeister gewählt wurde. Fast monatlich konnte der junge Bürgermeister zu „ersten Spatenstichen“ einladen, das Sanierungsgebiet erstreckte sich vom Bahnhofplatz bis zur Schopfheimer Straße und bestand aus dutzenden Teilprojekten. Fördermittel in Höhe von über 10 Millionen D-Mark machten es möglich.

1988: Mehrere Gebäude am Rand des Talschulplatzes mussten abgebrochen werden.
1988: Mehrere Gebäude am Rand des Talschulplatzes mussten abgebrochen werden. | Bild: SK-Archiv

„Es waren eine Menge Pläne in der Schublade, die wir damals aufgegriffen haben“, so Denzinger. In vielen Details habe man aber noch um die konkrete Umsetzung gerungen. Zum Beispiel beim Talschulplatz, der von Architekt Hans-Rudolf Kirchner bis 1990 ein völlig neues Erscheinungsbild bekam, das auch Bund Deutscher Architekten mit dem Hugo-Häring-Preis ausgezeichnet wurde. Der Platz, der eine Tiefgarage bekam, war das Herzstück der neuen Stadtplanung, auch wenn viele Wehrer wegen der fehlenden heimeligen Atmosphäre mit ihm fremdelten.

1988: Wo heute ein griechisches Restaurant und eine Eisdiele Gäste bewirten, parkten in früheren Jahren Autos.
1988: Wo heute ein griechisches Restaurant und eine Eisdiele Gäste bewirten, parkten in früheren Jahren Autos. | Bild: SK-Archiv

Die Architektur des Talschulplatzes gab die Linie für die Stadt vor: Wehr sollte ein modernes Stadtbild bekommen, dabei aber das Erhaltenswertes integrieren und die Wurzeln nicht verleugnen.

1987: Auch dieses Geschäftshaus am Taschulplatz musste der Neugestaltung weichen. An dieser Stelle ist heute die Einfahrt zur Tiefgarage.
1987: Auch dieses Geschäftshaus am Taschulplatz musste der Neugestaltung weichen. An dieser Stelle ist heute die Einfahrt zur Tiefgarage. | Bild: SK-Archiv

Die historische Bausubstanz blieb beispielsweise bei der von Architekt Hermfried Richter durchgeführten Sanierung des Storchehus‘ enthalten, der Platz im Umfeld aber völlig neu gestaltet. Neubauten entstanden am Georg-Kerner Park, wo unter anderem die alten Park-Lichtspiele weichen mussten oder zwischen Tal- und Hauptstraße, wo unter privater Bauherrschaft gleich reihenweise neue Geschäftshäuser entstanden. Ergänzt wurden sie durch das neue Parkdeck in der Talstraße, das die Stadt gemeinsam mit Martin Brugger errichtete.

Die Serie und Ihre Teilnahme

Prunkstück der Innenstadt wurde zweifellos die Stadthalle, die 1990 eingeweiht wurde und der Stadt einen breiteren Kulturbetrieb ermöglichte. Mit dem Abriss des maroden Wehrahofsaals wurde Platz geschaffen für einen Supermarkt. Damit sollte die Kaufkraft in der Stadt gehalten werden. Denn viele Wehrer gingen mittlerweile lieber in die Nachbarstädte zum Einkaufen.

„In Wehr herrschte damals eine Aufbruchstimmung“, erinnert sich Denzinger an die ersten Monate seiner Amtszeit. Auch wenn viele Projekte schon vor seinem Amtsantritt aufgegleist waren, gab es im Gemeinderat noch viel zu tun. „Der Gemeinderat war geprägt von parteipolitischen Auseinandersetzungen“, erinnert sich Denzinger an die Grundstimmung in der Kommunalpolitik. „In den Fraktionen gab es starke Persönlichkeiten mit einem gewaltigen Rückhalt.“ Ob Eberhard Leber, Klaus Marksteiner oder Franz-Josef Hinnenberger bei der CDU, Hans Oldenburg und Janos Peter bei der SPD, dazu kamen der nicht minder charismatische Gerhard Zastrow bei den Freien Wählern und Ulrich Knauf von den Grünen – am Ratstisch wurde hart gerungen. Beispielsweise bei der Sanierung des Enkendorfs, bei der sich der CDU-Bürgermeister auch gegen weite Teile der CDU-Fraktion durchsetzte.

Wie Klaus Denzinger Wehrer Bürgermeister wurde

Fast 13 Jahre war Klaus Denzinger CDU-Bürgermeister der 5500-Seelen-Gemeinde Lenzkirch im Hochschwarzwald, als er sich 1985 um den Chefposten im Wehrer Rathaus bewarb. Der 38-Jährige galt als ehrgeizig, Lenzkirch sollte nicht das Ende seiner Karriereplanung sein. Bei einer Besichtigungsfahrt kommunalpolitischer Entscheidungsträger in die Schweiz wurde er vom damaligen Todtmooser Bürgermeister Wolfgang Heuschmid auf die anstehende Bürgermeisterwahl in Wehr aufmerksam gemacht, bei der der Amtsinhaber Otto Wucherer nicht mehr antrat. „Ich kannte Bad Säckingen, von Wehr hatte ich vorher noch nichts gehört“, bekennt Denzinger heute. Bei einem ersten Besuch mit seiner Frau in der Stadt wuchs das Interesse – zumal Wehr als überaus finanzstark galt und sich somit für einen jungen Bürgermeister ein großer Gestaltungsspielraum bot. Die ersten Kontakte mit dem CDU-Stadtverband verliefen vielversprechend. Und auch die Freien Wähler sagten recht schnell ihre Unterstützung zu.

Zur Bürgermeisterwahl am 27. Oktober 1985 schickten SPD und Grüne eigene Kandidaten ins Rennen: Vor allem der Sozialdemokrat Christian Gnädig aus Hannover sollte für Denzinger zu einem starken Konkurrenten werden. Der 38-jährige Jurist hatte zuvor bei der OB-Wahl in Radolfzell mit 45 Prozent einen Achtungserfolg erzielt und kam auch in Wehr gut an. „Es war ein intensiver Wahlkampf mit einem starken Gegner“, blickt Denzinger zurück, der dank der Unterstützung von CDU und Freien Wähler aber klarer Favorit war. Doch es wurde überraschend knapp: Ganze 380 Stimmen Vorsprung hatte Denzinger (2977 Stimmen; 51,5 Prozent) am Ende auf Gnädig (2597 Stimmen; 44,8 Prozent). Der dritte Kandidat, der grüne Heiner Lohmann aus Rheinfelden, hatte in diesem polarisierenden Wahlkampf keine Chance und landete abgeschlagen bei 3,4 Prozent.

2021: Heute blickt Altbürgermeister von seiner Terrasse nicht ohne Stolz auf die Stadt.
2021: Heute blickt Altbürgermeister von seiner Terrasse nicht ohne Stolz auf die Stadt. | Bild: Obermeyer, Justus

Für ein folgenreiche Nachspiel sorgte eine Wahlkampf-Aktion Denzingers und ein Fehler im Wehrer Rathaus: Denzinger wollte per Brief speziell um die Stimmen von Jungwählern und Senioren werben, die CDU hatte deshalb im Rathaus die Adressen dieser beiden Wählergruppen angefragt – und auch erhalten. Was bei Bundestags- und Landtagswahlen üblich war, war bei kommunalen Wahlen aus Datenschutzgründen verboten. Durch den Verwaltungsfehler wurde das Wahlergebnis anfechtbar. Nicht nur im Gemeinderat wurde die „Adressen-Affäre“ hitzig diskutiert und sorgte für tiefe Gräben zwischen den Fraktionen. Aus der Bürgerschaft kamen zwei Einsprüche gegen das Wahlergebnis, weil ein Kandidat vom Rathaus bevorzugt worden sei. Das Landratsamt prüfte und befand: Die Wahl muss wiederholt werden – und zwar mit den selben Kandidaten und den selben Wahlberechtigten. Der zweite Wahltermin Ende März 1986 brachte ein Kuriosum: Denzinger erreichte mit 2977 Stimmen exakt die selbe Stimmenzahl wie bei der ersten Wahl. Er kam auf 56 Prozent und konnte im April sein Amt antreten. Gnädig landete bei 43 Prozent. Die Wahlwiederholung ist übrigens der Grund, warum der Wehrer Bürgermeister seitdem nicht mehr im Herbst, sondern im Winter gewählt wird. Der Wahlkampf findet nun regelmäßig in der Fasnachtszeit statt.

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