Vier Taten legte die Staatsanwaltschaft einem 52-jährigen Mann zur Last, der ältere Menschen mit anderen Kriminellen um ihr Erspartes gebracht hat. Mitglieder einer Betrügerbande, mutmaßlich aus der Türkei, riefen ältere, meist alleinstehende Personen an, gaukelten ihnen eine Bedrohung vor und behaupteten, sie müssten ihre Wertsachen in Sicherheit bringen.
Teils gaben sie sich als Polizisten aus, teils als Sparkassen-Mitarbeiter. Der 52-Jährige war angeheuert worden, die Wertsachen vor Ort abzuholen, als letztes Glied der Verbrecherbande, das das höchste Risiko trägt.
Die Liste der Opfer
- Am 22. März 2022 fuhr er zu einer 91-jährigen Frau nach Grenzach-Wyhlen, die ihm, nachdem sie zuvor von Mittätern am Telefon bearbeitet worden war, ihre EC-Karte samt Pin übergab. Damit hob der Angeklagte unverzüglich 1000 Euro vom Konto der Frau ab.
- Am 11. April 2022 nahm er von einer 94-jährigen Frau in Weil am Rhein Schmuck im Wert von 3000 Euro sowie ebenfalls die EC-Karte mit Pin entgegen, mit der er zweimal 1000 Euro abhob. Außerdem überwies er 7000 Euro an eine Frau Schindler.
- Am 27. April 2022 übergab ihm eine 81-jährige Bewohnerin eines Seniorenstifts in Schopfheim ihre EC-Karte samt Pin. Damit hob er einmal zehn und einmal 640 Euro ab.
- Einen Tag später erbeutete er die EC-Karte einer 81-jährigen Frau in Rheinfelden-Minseln und hob 1000 Euro ab
Der Angeklagte gesteht die Taten
Der 52-jährige Angeklagte, der in einer Gemeinde im Landkreis Waldshut lebt und als Produktionsmitarbeiter in einer Chemiefirma tätig ist, gab alle Taten zu. Der geschiedene Vater dreier Kinder habe vor zehn Jahren angefangen, zu spielen und durch seine Spielsucht und Konsumausgaben 80.000 Euro Schulden angehäuft.
Im Sommer 2021 habe ihn im Urlaub in der Türkei ein Mann angesprochen, ob er etwas dazuverdienen wolle. Der Angeklagte erklärte sich dazu bereit.
Instruktionen am Telefon – Überweisungen in die Türkei
Im Februar 2022 habe ihn der Mann aus der Türkei angerufen und ihm Instruktionen gegeben. Von dem Geld, das er mit den erbeuteten EC-Karten abgehoben hat, durfte er jeweils die Hälfte behalten, die andere Hälfte überwies er mit Western Union in die Türkei.
Von dem Schmuck, den er für 2000 Euro verkauft hat, und von der Überweisung von 7000 Euro habe er keinen Anteil erhalten. Diese Frau Schindler, an die die Überweisung ging, ist anscheinend in die Türkei verschwunden und seit vielen Jahren zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben, hat die Polizei ermittelt.
Betrügerische Call-Center
Laut Polizei werden in der Türkei ganze Call-Center betrieben, die nur dazu da sind, ältere Menschen in Deutschland zu betrügen und Leute vor Ort zu engagieren, die deren Erspartes abholen.
Der Angeklagte sagte, der Mann, der ihn in der Türkei angesprochen und ihm später die Anweisungen gegeben hat, habe ihm gegenüber einen falschen Namen benutzt. Seine Verwandten in der Türkei hätten inzwischen jedoch den richtigen Namen des Mannes herausgefunden.
Der Betrug fliegt auf
Der Angeklagte war bei Videoaufnahmen beim Geldabheben mit den fremden Karten aufgenommen und erkannt worden. Am 22. Juni 2022 wurde seine Wohnung durchsucht, er wurde vorläufig festgenommen, der Haftbefehl später gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.
Die Auswertung seines Handys zeigte eine Google-Suche nach der Adresse eines Opfers, außerdem befand es sich zu Tatzeiten in den Funkzellen in Tatortnähe. Bei der Polizei hatte der Angeklagte noch versucht, die Taten zu beschönigen und sich herauszureden, doch vor Gericht gab er alles zu und entschuldigte sich.
Einigkeit über das Strafmaß
Die Staatsanwältin sagte, der Angeklagte habe die Täuschung aufrechterhalten und das Tatgeschehen vor Ort kontrolliert. Daher sei er Mittäter in vier Fällen des bandenmäßigen Betrugs. Sie forderte insgesamt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne, da der Angeklagte nicht vorbestraft war.
Auch Verteidiger Urs Gronenberg sagte, der Angeklagte sei nicht nur Helfer, sondern Mittäter gewesen, zumal der Bundesgerichtshof 2022 entschieden hat, dass die Abholer in diesen Fällen immer Mittäter sind. Inzwischen seien tatsächlich auch in der Türkei schon Hintermänner verhaftet und verurteilt worden, sagte Gronenberg. Die Strafforderung der Staatsanwaltschaft hielt er für moderat und angemessen.
Das Urteil
Das Schöffengericht verurteilte den 52-Jährigen dementsprechend zu einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe, die es zur Bewährung aussetzte. Als Bewährungsauflage muss er den Schaden von insgesamt 14.650 Euro zurückzahlen.
Die Vorsitzende des Schöffengerichts, die stellvertretende Amtsgerichtsdirektorin Birgitta Stückrath, sagte: „Das sind Straftaten, die das Sicherheitsbewusstsein in ganz besonderer Weise erschüttern. Da werden die Schwächsten der Gesellschaft, die ihr Leben lang gearbeitet haben, in große Unsicherheit gestürzt, und viele Geschädigte verlieren nachhaltig das Vertrauen in Menschen und in die Gesellschaft.“ Dem Angeklagten hielt sie andererseits zugute, dass die Taten eine böse Episode in einem ansonsten straffreien Leben gewesen seien.
Sowohl der Angeklagte wie auch die Staatsanwaltschaft verzichteten auf Rechtsmittel, wodurch das Urteil sofort rechtskräftig wurde.