„Katastrophe“ – so lautet die die Einschätzung von Ognjen Kodžo auf die Frage, ob er vom Streik betroffen ist. Der Serbe ist seit über 24 Stunden unterwegs. Sein Ziel ist Frankfurt am Main. Dort will er seine Freundin besuchen. Aufgrund des Streiks der Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) am Donnerstag ist er nun in Waldshut gestrandet.

Er startete am Mittwoch in Belgrad mit einer Mitfahrgelegenheit nach Zagreb. Von dort mit dem Zug nach Salzburg und von Salzburg nach Zürich. Aufgrund des Streiks in Deutschland fuhren die Züge nach Frankfurt dort nicht. Also hoffte Kodžo auf regionale Lösungen und ist nun in Waldshut gestrandet. „Ich vertraue nun auf die Güte der Menschen, mich mitzunehmen“, sagt er. Vielleicht fahre er auch nach Frankreich, um sich von dort Frankfurt anzunähern.
Wenig Verständnis für den Streik
Weniger dramatisch ist es für Ariana Mae Calalang aus Laufenburg. Üblicherweise fährt sie mit dem Zug von dort nach Tiengen. Wie so viele fährt sie an diesem Donnerstag notgedrungen mit dem Bus. Während sie eine halbe Stunde auf diesen wartet, arbeitet sie an ihren Aufgaben. Verständnis hat sie für den Streik wenig. „It‘s a No“, sagt sie auf Englisch. „Man kommt nirgendwohin und ich habe noch kein Auto.“

Notfahrplan über Streikende hinaus gültig
Die Deutsche Bahn hatte zum Streiktag einen Notfall-Fahrplan eingerichtet. Dieser habe funktioniert, wie ein Sprecher auf Nachfrage erklärte. Es sei aber zu aufwendig gewesen, bundesweit zusätzliche Ersatzbusse zur Verfügung zu stellen. „Der eingerichtete Notfahrplan mit eingeschränktem Zugverkehr ist auch über das voraussichtliche Streikende um 18 Uhr hinaus weiter gültig.“
Erst ab dem Betriebsstart am Freitag rechne das Unternehmen wieder mit regulärem Betrieb. Bis dahin bleibe der eingeschränkte Notfahrplan bestehen. Früher könne man nicht zum Regelverkehr zurückkehren, sagt der Sprecher. „Das ist aufgrund der Zugumläufe nicht möglich“, erklärt er, „damit die Züge dann auch dort bereitstehen, wo sie gebraucht werden“.
Deutliche Verzögerungen am Hochrhein
Aufgrund des Streiks vervierfacht sich derweil Ariana Calalangs Fahrtzeit. Wofür sie sonst 20 Minuten benötigt, ist sie heute 80 Minuten unterwegs.

Die 43 Minuten, die die Fahrt von Singen nach Waldshut üblicherweise dauert, verlängert sich unter Streikbedingungen ebenfalls dramatisch und ist mit Mehraufwand für die Reisenden verbunden. Statt durchfahren zu können, warten mehrere Umstiege. Die Fahrtzeit beträgt 2:20 Stunden.
Edith Boss aus Bern ist indes wenig betroffen vom Streik. Aufgrund der Brückensanierung in Koblenz, fährt sie ohnehin mit dem Bus über die Grenze. Sie spricht von einem Glücksfall, dass Sie am Tag des Streiks ohnehin mit dem Bus unterwegs ist. Mit ihren Einkäufen steigt in den Bus.
„Deutschland hat eine gute Bahn“
Währenddessen sitzt Ognjen Kodžo weiter in Waldshut. Er befragt sein Smartphone, telefoniert, schildert seine Situation. „Deutschland hat eine gute Bahn“, sagt er. Etwas wie heute hat er noch nie erlebt. Dass er ausgerechnet am Streiktag reist, sei unglücklich. Aber es sei für ihn in Ordnung, dass die Lokführer mehr Geld fordern – auch wenn dafür der Bahnverkehr ausbleibt.
Den Humor hat er trotz seiner Lage nicht verloren: „Für mich wäre es schon ein Erfolg, wenn ich Frankfurt heute wenigstens noch auf einem Plakat sehe“, sagt er und grinst.