Hat er den Unfallort verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen? Der Angeklagte sah das nicht so, nahm in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht St. Blasien aber seinen Einspruch gegen den Strafbefehl, durch den er wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 40Euro verurteilt worden war, zurück. Seine Erfolgsaussichten hatten sich als gering herausgestellt.
An einem Vormittag im Oktober des vergangenen Jahres war der Angeklagte mit einer Sattelzugmaschine unterwegs. Ihm kam ein Wohnmobil entgegen, dennoch soll der Angeklagte trotz der Enge der Straße mit unverminderter Geschwindigkeit weitergefahren sein, obwohl er hätte erkennen können, dass ein problemloses Passieren nicht möglich ist, heißt es in dem Strafbefehl.
Die Fahrzeuge streiften sich. Nach kurzem Anhalten und auf den Schaden aufmerksam gemacht, soll der Angeklagte den Unfallort verlassen haben, ohne die erforderlichen Feststellungen zu seiner Person, seinem Fahrzeug und der Art seiner Beteiligung ermöglicht zu haben.
Ein Vorfall, zwei Meinungen
Der Angeklagte sah das ganz anders: „Ich habe keinen Unfall verursacht, also kann ich keine Unfallflucht begangen haben.“ Er sei, so schilderte er den Vorfall, angesichts der Enge der Straße sehr vorsichtig gefahren. Als er beim Herannahen des Wohnmobils erkannt habe, dass es eng werde, habe er angehalten, sei ausgestiegen und habe den Wohnmobilfahrer gebeten, zurückzusetzen. Der aber habe sich an seinem Lastwagen vorbei gezwängt und diesen gestreift. „Wenn er sein Fahrzeug nicht einschätzen kann, kann ich nichts dafür“, zeigte er sich überzeugt.
Nachdem der Wohnmobilfahrer an seinem Sattelzug vorbei gewesen sei, habe dieser angehalten und ihm vorgeworfen, er habe den Spiegel des Wohnmobils beschädigt. Der Mann sei sehr cholerisch gewesen und habe nur herumgebrüllt, auch Schimpfwörter seien gefallen. Er sei dann wieder in seinen Lastzug eingestiegen, denn, so die Begründung, er habe vor dem cholerischen Wohnmobilfahrer panische Angst gehabt. Der sei dann weitergefahren, auch er habe daraufhin seine Fahrt fortgesetzt, so der Angeklagte.
„Der Lkw-Fahrer ist immer schuld, mir wird etwas unterstellt“, beklagte er. Seinen Chef hatte er von dem Vorfall nicht in Kenntnis gesetzt, denn der Wohnmobilfahrer habe lediglich den geladenen Container gestreift und der sei ohnehin schon zerkratzt gewesen, so seine Begründung. Und wenn er Angst vor dem Wohnmobilfahrer hatte, warum hatte er nicht die Polizei gerufen oder sich Hilfe suchend an die Fahrer der Fahrzeuge gewandt, die an der Unfallstelle angehalten hatten, da sie diese nicht passieren konnten? Auf diese Frage von Richterin Lämmlin-Daun hatte der Angeklagte keine Antwort.
Alle Unfallbeteiligten müssen Personalien angeben
Amtsanwältin Schmid wies den Angeklagten darauf hin, dass Unfallbeteiligte ihre Personalien angeben müssen, unabhängig davon, ob sie den Unfall verursacht haben. Er wisse nicht mehr, ob der Fahrer des Wohnmobils nach den Personalien gefragt habe, er habe nur herumgebrüllt, erklärte der Angeklagte daraufhin. Aber er habe ja das Kennzeichen des Lasters fotografiert.
Die Richterin ließ durchblicken, dass die Aussage des Wohnmobilfahrers bei der Polizei ein etwas anderes Licht auf den Vorfall wirft. Und: „Ob Sie schuld an dem Unfall sind, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass Sie Ihre Personalien nicht angegeben haben. Nach vorläufiger Einschätzung kommen Sie aus der Nummer nicht raus“, machte sie deutlich.
Vor dem Eintritt in die Beweisaufnahme – der Wohnmobilfahrer war als Zeuge geladen – gab Richterin Lämmlin-Daun dem Angeklagten Gelegenheit, die Sache zu überdenken. Zudem machte sie ihm klar: An das Strafmaß des Strafbefehls sei sie nicht gebunden, angesichts seines Einkommens sei von einem höheren Tagessatz und damit einer höheren Strafe auszugehen. Der Angeklagte nahm seinen Einspruch gegen den Strafbefehl zurück.