Unwetter mit Starkregen häufen sich mehr und mehr. Die Katastrophe im Ahrtal im Juli 2021 ist in bleibender Erinnerung.

Vor 50 Jahren, am 23. Juni 1975, wurde der Klettgau von einem schweren Unwetter, einem Jahrhunderthochwasser (HQ 100), heimgesucht. Zwei an diesem Montag niedergehenden Unwetter ließen den ganzen Klettgau mehr oder weniger – salopp formuliert – „absaufen“.

Was ist am 23. Juni geschehen?

Am Morgen dieses katastrophalen Montags geht von Jestetten bis Grießen ein schweres Gewitter mit sintflutartigen Regenfällen nieder, gegen 9.30 Uhr wird der Katastrophenalarm ausgelöst. Der Krisenstab bezieht in Jestetten sein Quartier, von dort werden die Einsätze von Feuerwehr und THW koordiniert. Grießen ist um die Mittagszeit durch das Übertreten des Schwarzbachs überschwemmt, ebenso Weisweil und Riedern.

Ein Bild der Zerstörung bei der Zufahrt nach Bühl. (Archivbild 1975)
Ein Bild der Zerstörung bei der Zufahrt nach Bühl. (Archivbild 1975) | Bild: Feuerwehr Klettgau

Das Leerpumpen der Keller und Häuser fordert alle Rettungskräfte, man glaubt schließlich das Schlimmste geschafft zu haben. Doch es sollte noch schlimmer kommen.

Ein zweites, weit schwereres Gewitter, entlädt sich am frühen Abend. Sintflutartige Regenfälle lassen kleine Bäche zu breiten Strömen werden, die Bäume wie Streichhölzer umknicken lassen, die Straßen, Brücken, schweres landwirtschaftliches Gerät und Autos mitreißen. Häuser, Stallungen sind in Rekordzeit geflutet. Die Bewohner können nur hilflos zusehen, wie ihr Hab und Gut untergeht.

Die Klosterstraße in Grießen steht beim Jahrhunderthochwasser unter Wasser. (Archivbild 1975)
Die Klosterstraße in Grießen steht beim Jahrhunderthochwasser unter Wasser. (Archivbild 1975) | Bild: Feuerwehr Klettgau

Besonders dramatisch ist die Lage in Weisweil und Dettighofen, da dort noch schwerer Hagelschlag niedergeht, Kleinvieh und Schweine erfrieren in den Hagelmassen oder werden von ihnen erstickt. Die komplette Ernte der Landwirte ist zerstört.

Völlig zerstörte Straße in Weisweil. (Archivbild 1975)
Völlig zerstörte Straße in Weisweil. (Archivbild 1975) | Bild: Feuerwehr Klettgau

Wurden Menschen verletzt und wie wurden die Schäden behoben?

Feuerwehren aus dem ganzen Kreisgebiet mit 300 Mann, das THW, das DRK sowie Soldaten der Bundeswehr sind unermüdlich im Einsatz.

Die Feuerwehr beim Abpumpen des Wassers beim Gasthaus Brauerei in Grießen. (Archivbild 1975)
Die Feuerwehr beim Abpumpen des Wassers beim Gasthaus Brauerei in Grießen. (Archivbild 1975) | Bild: Feuerwehr Klettgau

Zum Glück kam kein Mensch ums Leben. Ein Mann aus Riedern, der sich stundenlang in den Fluten an einen Baum geklammert hat, kann gerade noch von der Feuerwehr gerettet werden. Das Wegräumen der Schlammmassen, die Instandsetzung von Brücken, Straßen und Gebäuden nahm viele Monate in Anspruch.

Wie will sich aktuell die Gemeinde Klettgau zukünftig gegen solche Ereignisse schützen?

Nach diesem Jahrhunderthochwasser wurden Schutzmaßnahmen wie der Bau des Sperrwerkes am Schwarzbach (1999) getroffen, sowie ein großes Rückhaltebecken im Oberlauf und im Bereich des Seegrabens sowie der Bachlauf aufgeweitet.

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Welche Schutzmaßnahmen sieht die Gemeinde nun vor?

Aktuell geht es um den Hochwasserschutz für Erzingen. Der aus der Schweiz kommende Klingengraben überflutet bei starken Regenfällen die Erzinger Gewerbebau- und Wohnflächen beidseits des Bachlaufes.

Die Böschungen am Klingengraben müssen erhöht werden.
Die Böschungen am Klingengraben müssen erhöht werden. | Bild: Eva Baumgartner

Ursache dafür sind die zulaufenden Bäche im schweizerischen Oberlauf des Klingengrabens (dort heißt er Landgraben), die alle in den Klingengraben einmünden. Die über die Landesgrenze strömenden Wassermassen überfluten bei Starkregen die beidseits bebaute Fläche.

Der Klingengraben in Erzingen beim Schwimmbad ist ein vermeintliche harmloser kleiner Bach, schwillt aber nach Regen bedohlich an.
Der Klingengraben in Erzingen beim Schwimmbad ist ein vermeintliche harmloser kleiner Bach, schwillt aber nach Regen bedohlich an. | Bild: Feuerwehr Klettgau

Besonders betroffen war vor Jahren das Unternehmen POHL Con, dessen Lager- und Produktionshallen direkt an der Landesgrenze liegen und die damals unter Wasser standen. Deshalb ist eine Zusammenarbeit mit der Schweiz zwingend, ohne dass dort Schutzmaßnahmen getroffen werden, gibt es keinen ausreichenden Hochwasserschutz für Erzingen. Glücklicherweise hat sich nunmehr eine Zusammenarbeit mit der Schweiz abgezeichnet. Diese signalisierte eine Abstimmung ihrer Planung mit der deutschen Seite.

Wie ist der aktuelle Stand?

Auf Basis der aktuellen Hochwassergefahrenkarte des Regierungspräsidiums Freiburg steht bereits die Planung für den Klingengraben. Im Wesentlichen sollen die Uferböschungen/Schutzdämme erhöht werden, eine Aufweitung des Bachlaufes ist vielerorts durch die dortige Bebauung nicht möglich. Große Schwachpunkte stellen die drei Brücken dar.

Sie müssen einem statistisch einmal in 100 Jahren stattfindenden Hochwasserereignis (HQ 100) standhalten, das heißt, die Wassermassen von 45,3 Kubikmeter Wasser pro Sekunde müssen abfließen können, ohne dass es zu Überflutungen kommt. Der Querschnitt der Brücken muss folglich erhöht, also verbreitert werden, sowie damit die Straßenanschlüsse angepasst werden. Aktuell hat die Gemeinde den Bauantrag für ein Rückhaltebecken in Erzingen im Bereich zwischen dem Schwimmbad und den Bahngleisen gestellt.

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