Warum noch verreisen, wenn das Mittelmeer zu uns an den Hochrhein kommt? Natürlich werden wir auch 2080 weder Strand noch Salzwasser hierzulande haben. Aber zumindest das Klima wäre in 56 Jahren hier so wie in Kroatien und Italien derzeit.
Grundlage ist Klimakarte
Das ergibt sich aus eine von der US-amerikanischen Universität Maryland erarbeiteten interaktiven Klimakarte im Internet namens „Future Urban Climates“. Werte von mehr als 40 000 Städten und Gemeinden sind darin verzeichnet – so auch von einigen Kommunen am Hochrhein. Und wie zu erwarten war, ist der Trend allenthalben: heißere und trockenere Sommer, mildere und nassere Winter.
So wird demnach der 2080er-Sommer in Waldshut-Tiengen gegenüber heute um 6,6 Grad Celsius wärmer und 12,1 Prozent trockener ausfallen. Für den Winter gilt: 4,8 Grad wärmer und 17,2 Prozent nasser. Damit würde es dem heutigen Klima von Benkovac in Kroatien entsprechen, wohin man mit dem Auto von Waldshut-Tiengen 1100 Kilometer fahren muss.
Sommer in Bad Säckingen 22,4 Prozent trockener
Für Bad Säckingen meldet die Karte einen um 6,8 Grad Celsius wärmeren und 22,4 Prozent trockeneren Sommer. Der Winter in der Trompeterstadt wäre 5 Grad Celsius wärmer, aber nur 1,7 Prozent nasser. Dafür wird als Referenz Knin, ebenso in Kroatien gelegen, genannt – ähnlich weit weg wie Benkovac. Murg und Laufenburg hätten übrigens die gleichen Werte.
Nur Rheinfelden sticht heraus: Denn als Referenz für 2080 nennt das Projekt das italienische Serra San Quirico in der Region Marken, nahe der Adriastadt Ancona. Die Werte für die Zukunft: Im Sommer 6,3 Grad Celsius wärmer und 19,2 Prozent trockener, im Winter 4,7 Grad Celsius wärmer und 9,5 Prozent nasser.
Entsprechend dürften auch die genannten Orte in Kroatien und Italien bis 2080 klimatisch nach Süden rücken. Aber leider sind für die für den Hochrhein angegebenem Referenzorte bei „Future Urban Climates“ für die Zukunft keine konkreten Daten verzeichnet.
Mit weniger CO2 würden die Winter weniger mild
Aber man muss einschränken: Die genannten Szenarien gelten für den Fall, dass die CO2-Emissionen unverändert hoch bleiben. Wenn man in der interaktiven Karte das Szenario für reduzierte Emissionen auswählt, würde der 2080er Sommer in Waldshut beispielsweise nur noch 2 Grad wärmer ausfallen als heute und mit 8,7 Prozent sogar nasser werden als 2024.
Auch die Winter wären demnach nicht mehr so viel milder gegenüber dem Szenario mit den unverändert hohen CO2-Emissionen, sondern nur noch zwischen 1,6 und 1,8 Grad Celsius. Bezüglich der Referenzgemeinden würde der Hochrhein dann sogar klimatisch nach Norden rücken – Richtung Offenburg und Karlsruhe in den noch heißeren Oberrheingraben.
Was sagen die regionalen Experten dazu?
Bei den Klimaschutzmanagern, die sich Rheinfelden, Murg und Waldshut-Tiengen leisten, schrillen die Alarmglocken. Frank Philipps, Klimaschutzmanager von Murg, sagt: „Wenn das so käme, könnten wir einpacken. Das würde zum Kollaps unserer Ökosysteme führen. Die sind einfach auf andere Temperaturen eingestellt und das seit Jahrtausenden.“
„Zukünftig kroatische Verhältnisse erwarten zu müssen, verdeutlicht den Handlungsbedarf“, sagt sein Waldshut-Tiengener Kollege Nicolai Müller. „Der Vergleich mit Städten in Südeuropa bringt die sonst sehr abstrakte Klimakrise auf eine Ebene, die wir verstehen und die dann doch erschreckend ist“, meint Louisa Freytag, Klimaschutzmanagerin in Rheinfelden, und ergänzt: „Wenn man sich intensiver mit Thema auseinandersetzt, ist das Ergebnis leider nicht überraschend.“
Klimaschutz habe inzwischen überall einen hohen Stellenwert, auch in Bad Säckingen, wo Alexander Guhl Bürgermeister ist, der den Klimaschutz ist als „eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen für unsere Generation“ bezeichnet. Gemeinde- und Stadtverwaltungen haben durchaus Hebel zur Energiewende in der Hand. Können mit gutem Beispiel vorangehen und die eigenen Liegenschaften energetisch sanieren, emissionsfrei beheizen und kühlen, in Fernwärme investieren oder den Fuhrpark auf Elektromobilität umstellen. Rheinfelden und Waldshut-Tiengen wollen bis 2035 klimaneutral werden. Und auch Vorbild für private Hausbesitzer und Unternehmen sein, wie Philipps betont.
In der Hauptstraße in Tiengen sollen neue Bäume kommen
Sonst dürfte der Schwerpunkt auf der Klimaanpassung liegen. „Den Bürgerinnen und Bürgern möglichst viele Möglichkeiten zu geben, sich bei Bedarf aus der direkten Sonnenbestrahlung zurückziehen zu können“, wie es Müller formuliert. Er sagt: „Waldshut-Tiengen hat hierfür diverse Brunnen, die kleinen Bäche entlang der Fußgängerzonen, die schattenspendenden, aufgehängten Tücher. Bäume wird es zukünftig zum Beispiel im Zuge des Bauprojektes in der Hauptstraße in Tiengen unterhalb der Fußgängerzone vermehrt geben.“
Denn Bäume und Grünpflanzen haben auch für Freytag „tendenziell den größten kühlenden Effekt“ und brächten zeitgleich viele weitere Vorteile mit. Windströme nicht zu verbauen, Flächen zu entsiegeln, auf denen das Wasser bei Starkregen versickern kann, Begrünung von Dächern und Fassaden sowie deren finanzielle Förderung sind weitere Themen. Freytag nennt die „Stadtoase“, den entsiegelten und via Schatten, Grünpflanzen und Sprühnebel aufgewerteten und runtergekühlten Friedrichplatz in Rheinfelden.
Müller tröstet sich ein Stück weit damit, dass das krasse 2080er-Szenario noch abgewendet werden kann. „Die Studie geht für dieses Ergebnis nämlich von unverändert hohen Emissionen aus. Wenn man in der interaktiven Karte das Szenario für reduzierte Emissionen auswählt, sprechen wir im Sommer 2080 von nur noch 2°C mehr anstatt den 6,6°C für Waldshut-Tiengen.“ Doch auch das wäre für ihn kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken und nichts zu tun.