Sie trafen auf Menschen, die alles verloren haben, auf Zerstörung, auf Leid. In der Anfangsphase direkt nach der Flut konnten die Einsatzkräfte nicht aufhören zu arbeiten, gingen an die Grenzen ihrer Kräfte. Doch wie konnten sie all das Belastende verarbeiten? Für die Helfer des THW ist dafür das Einsatznachsorgeteam vor Ort.
Eigentlich werde das Einsatznachsorgeteam des THW Baden-Württemberg erst alarmiert, wenn die Einsatzkräfte wieder zuhause angekommen sind – doch dieses Mal war alles anders, wie Sascha Travica aus Lauchringen erzählt. Er selbst gehört dem Team an, das die Einsatzkräfte bei der Verarbeitung des Erlebten unterstützt.
Seit 17 Jahren kümmert sich das Team um die THW-Helfer, die belastende Situationen erlebt haben. „Diese sollen nicht als Trauma hängen bleiben, sondern als Erinnerungen abgelegt werden können“, so Travica. Während das Team in der Regel erst alarmiert wird, wenn die Helfer vom Einsatz wieder zurück sind, wurde es dieses Mal direkt zum Ort des Geschehens geschickt. „Wir waren selbst mitten im Chaos“, so Travica. Denn die Hochwasser in diesem Jahr hätten eine Größenordnung angenommen, „die wir so noch nie erlebt haben“.

Sechs Tage lang waren Travica und ein 14-köpfiges Team am Nürburgring im Raum Ahrweiler. Und dabei hatten sie eine immens wichtige Aufgabe: Sie halfen, dass die Einsatzkräfte das Geschehene verarbeiten können, es aussprechen können.
„Allein die Zerstörung und das Leid zu realisieren, das macht was mit einem.“Sascha Travica vom Einsatznachsorge-Team des THW
Manche hätten auch mit dem Tod zu tun gehabt oder mit Vermissten. „Es schwingt mit, dass einem in jedem Moment auch der Tod begegnen kann“, so Travica über die Belastungen der Einsatzkräfte. Dieser Aspekt sei gerade bei den Helfergruppen, die direkt nach der Flut im Einsatz gewesen seien, besonders präsent gewesen. In das Einsatznachsorge-Team sei bereits sehr früh alarmiert worden, eben wegen dieser besonders gravierenden Lage. „Und es war gut, dass wir da waren.“ Normalerweise seien sie die „Neutralen von außen“, dieses mal seien sie selbst mittendrin gewesen. Vom Nürburgring aus sei das Team zu den Einsatzkräften gefahren, dorthin, wo es gebraucht wurde.
Direkt nach der Flut in der sogenannten Chaosphase hätten die Einsatzkräfte noch mit Tunnelblick Tag und Nacht durchgearbeitet. Erst später wurde dann in Schichten gearbeitet. Und erst dann war auch Zeit dazu, dass Emotionen und Eindrücke hochkamen. „Und dann kommen wir ins Spiel“, so Travica. Wie wichtig die Arbeit des Teams ist, habe man an der Wertschätzung erfahren. „Es war auch einmalig, die Hilfsbereitschaft und Solidarität vor Ort zu spüren“, sagt Sascha Travica, der abseits dieses Ehrenamts als Schulsozialarbeiter an der Werkrealschule Lauchringen arbeitet.
„Wenn man mal drüber reden kann, ist das die beste Therapie.“Sascha Travica aus Lauchringen
Dabei gebe es auch viele Menschen, denen falle das Reden schwer. Doch Travica versuche dann demjenigen Raum zu geben, Vertrauen aufzubauen. „Sie können Ängste äußern und somit neue Kraft schöpfen“. Und diese Kraft brauchen die Ehrenamtlichen, denn nach dem Gespräch, geht es gleich wieder zurück in den Einsatz. Und in gerade in diesem Einsatz hätten die Helfer enorm viel Kraft gebraucht, jeden Tag ihr Bestes gegeben, erzählt der 52-Jährige.
Wer hilft den Helfern?
Die wichtige Arbeit des Teams geht auch lange nach der Flut noch weiter. Am vergangenen Dienstag war Travica für die Einsatznachsorge bei Rückkehrern eines Ortsverbands. Weitere Anfragen folgten. Auch nach dem Einsatz müssen die Helfer noch viel verarbeiten. „Die Seele muss erst einmal ankommen. Zurück aus dem Schreckensgebiet in der Normalität ist, wie wenn man zwischen zwei Welten ist, man muss dann erst einmal begreifen, wo man eigentlich ist.“ Und auch realisiere man dann wieder, wie kostbar das Leben ist.
Am vergangenen Mittwoch ging es für Travica nach Stuttgart, um dort die weiteren Einsätze des Teams in den kommenden Wochen zu koordinieren. Denn auch die Arbeit vor Ort ist noch lange nicht vorbei.