In den Ferien wird gerne gelesen. Doch das gilt nicht für alle, denn immer mehr Schüler haben Probleme beim Lesen. Daher wurde Ende Januar 2025 gesetzlich festgelegt, dass in der 5. Klasse eine zusätzliche Lektion Deutsch unterrichtet werden soll.

Die Gemeinschaftsschule Rheintal hat sich laut eigenen Angaben bereits vor der Gesetzesänderung intensiv für die Leseförderung eingesetzt und seitdem ihre Maßnahmen noch weiter erhöht. Es gibt verschiedene Projekte, die den Kindern helfen sollen, ihre Lesekompetenz zu verbessern.

Mehrere Projekte werden verfolgt

Val Kobler und Christine Freyburger koordinieren die Leseförderung der GMS Rheintal am Standort Rheinheim. Sie unterrichten die fünften und sechsten Klassen, die von der angesprochenen Gesetzesänderung konkret betroffen sind. Val Kobler betont, dass die GMS Rheintal grundlegend nicht grundverschiedene Projekte anwende als andere Schulen, jedoch sei es an der GMS ein Gesamtkonzept der einzelnen Bausteine.

Christine Freyburger (links) und Val Kobler (rechts) setzen sich für die Leseförderung von Kindern an der GMS Rheintal ein.
Christine Freyburger (links) und Val Kobler (rechts) setzen sich für die Leseförderung von Kindern an der GMS Rheintal ein. | Bild: Christian Wiesenberg

Das Leseförderprogramm „Textprofis“ bietet den Schülern ein strukturiertes Lesetraining in Einzel- oder Gruppenarbeit. Mit Übungen, wie eine Minute lang lesen und anschließend die geschafften Wörter zählen, sollen die Kinder ein erhöhtes Lesetempo erlangen. „Nur wer schnell genug liest, kann sich auch den Inhalt merken“, ist sich Christine Freyburger sicher. Zusammen mit Val Kobler wendet sie dieses wissenschaftlich fundierte Projekt im Unterricht an.

Um den Lernverlauf der Schüler nachzuvollziehen, wird die Diagnostik-Methode „Quop“ angewendet. Mit einem Online-Test werden Leseverständnis und -genauigkeit geprüft. Die Lehrer können anhand dieser Diagnose jedem Schulkind die Förderung geben, die es benötigt. Beide Deutschlehrerinnen merken deutlich an: „Es unterstützt uns Lehrer.“

Warum das Ganze?

Das Lesen ist Dreh- und Angelpunkt unserer Gesellschaft, vor allem auch essenziell in der Schule. Val Kobler unterstreicht: „Ein Kind, das nicht lesen kann, wird in Mathe keine Textaufgaben lösen können.“ Die Ergebnisse bei „Lernstand 5“, ein Einstufungstest für die fünften Klassen, seien deshalb ernüchternd.

Als Ursachen dafür sehen die beiden Lehrerinnen unter anderem die Corona-Pandemie. In ihrer Grundschulzeit konnten die Kinder nicht ausreichend das Lesen trainieren, und dieses Defizit ist heute noch erkennbar. Auch soziale Medien nennt Val Kobler als möglichen Grund und die fehlende Tageszeitung auf dem Frühstückstisch. Kinder wollen Dinge, die sie sehen, immer sofort kennenlernen. Christine Freyburger erklärt: „Viele wissen überhaupt nicht, dass man Sprache verschriftlichen und dann wieder lesen kann.“

Schüler der GMS Rheintal profitieren stark vom Projekt „Zeitschriften in die Schulen“
Schüler der GMS Rheintal profitieren stark vom Projekt „Zeitschriften in die Schulen“ | Bild: Christian Wiesenberg

Die GMS Rheintal will dem nun entgegenwirken, indem sie das Lesen noch mehr automatisieren will. Wörter sollten mit einem Blick erkannt werden können, die Schüler würden aktuell noch zu viel Konzentration und Hirnleistung aufbringen müssen. Deutschlehrerin Freyburger merkt dem an: „Das Lesetempo muss gut sein, damit ich noch weiß, was in dem Satz stand.“

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Extrastunde soll helfen

Durch die gesetzlich vorgeschriebene Zusatzstunde im Fach Deutsch ab Sommer 2025 könne der Fokus noch mehr auf die Leseförderung gelegt werden. Offen ist noch, wie genau die neue Lektion genutzt wird, die Planung der Fachschaft wird bald beginnen. Die Lehrerinnen freuen sich auf die neue Stunde, da man nicht mehr alles versuchen müsse, irgendwie hineinzuquetschen.

Die Reaktionen der Schüler auf die Projekte fallen mehrheitlich positiv aus. Sie freuen sich jedes Mal, wenn es Zeit zum Lesen gibt. Sogar Kinder, die normalerweise nicht gerne lesen, fragen ihre Lehrer immer öfter, ob sie sich nicht doch hinsetzen können und ein bisschen lesen dürfen.

Die neue Leseecke wurde gemütlich eingerichtet und wird von den Kindern gerne genutzt.
Die neue Leseecke wurde gemütlich eingerichtet und wird von den Kindern gerne genutzt. | Bild: Christian Wiesenberg

Ein prädestinierter Ort dafür ist die neue Leseecke. Val Kobler hat die Sofas der Leseecke zufällig und gratis auf eBay-Kleinanzeigen ergattern können. Die Idee für einen solchen Ort hat die engagierte Lehrkraft bei ihrer Recherche entdeckt. Viele weitere Projekte hat sie im Internet oder in den Nachrichten aufgeschnappt, so auch den Vorlesehund.

Ein Hund zum Vorlesen?

Val Kobler bringt ab und an ihren eigenen Hund Villy mit in die Schule. Kinder, die Schwierigkeiten beim Vorlesen haben, schickt sie dann zusammen mit Villy in einen Nebenraum zum Üben. Man könnte meinen, die Schüler würden die unbeaufsichtigte Zeit für Blödsinn nutzen, sagt Val Kobler. Aber: Wenn sie kurz vorbeischaue, kriege Villy fleißig vorgelesen.

Vorlesehund Villy kriegt von den Schülern der GMS Rheintal etwas vorgelesen.
Vorlesehund Villy kriegt von den Schülern der GMS Rheintal etwas vorgelesen. | Bild: Val Kobler

„Die Kinder sind beim Vorlesen vor dem Hund ruhiger und entspannter“, erklärt die Lehrerin dieses Phänomen. Es helfe den Schülern, ohne den Druck vor der ganzen Klasse, jemandem etwas vorzulesen, der keine Kommentare machen könne. Dieses Projekt beweist, dass sich die Schulen in Deutschland gegenseitig inspirieren können.

SOL fördert die selbstständige Koordination

Die GMS Rheintal wendet noch weitere Lernstrukturen an, die den Schülern helfen sollen, selbstständiger zu werden. „Selbstorganisiertes Lernen“ (SOL) ist eine Unterrichtsform, in der Kinder nach einem individuellen Lernplan arbeiten können. Die Schüler werden von Lehrern beaufsichtigt und unterstützt. „Inputs zum Stoff gibt es im normalen Unterricht, Übungen werden in SOL gelöst“, fasst Christine Freyburger zusammen.

In diesen Unterrichtsstunden zeigen sich die Lerntypen der Kinder: „Einige mögen es, da kein straffes System vorhanden ist, andere muss man oft in die Hand nehmen“, erzählen die Lehrerinnen im Gespräch. In diesem Alter wird von den Kindern aber auch nicht verlangt, dass sie sich schon komplett selbstständig organisieren können.

Die 6. Klassen haben aktuell nur drei Stunden Deutschunterricht, zusätzlich wird eine SOL-Lektion für Deutsch verwendet.
Die 6. Klassen haben aktuell nur drei Stunden Deutschunterricht, zusätzlich wird eine SOL-Lektion für Deutsch verwendet. | Bild: Christian Wiesenberg

Dennoch ist die Nachfrage der Kinder groß, während dieser Lektionen zu lesen. „Lesen ist eine Kernkompetenz und der Schlüssel zu schulischem Erfolg“, betont Christine Freyburger. Nur durch aktives Verstehen der gelesenen Wörter kann sich Wissen angeeignet werden. Die Schüler sollen trotzdem erkennen, dass es noch etwas Angenehmeres am Lesen gibt als nur den schulischen Zwang.

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Daran wird die Schule in Zukunft weiter arbeiten, auch mithilfe der Uni Münster, von der die GMS Rheintal Lernmaterialien bezieht. Die Schule gibt interessierten Eltern gerne auf Nachfrage weitere Auskunft.