Rheinfelden Seit September 2024 wird in der Kindertagesstätte Bienenkorb in Karsau das Konzept VÖ+ erprobt. Dabei werden die Kinder vormittags für sechseinhalb Stunden in einer Bildungsphase (VÖ) durch Fachkräfte betreut und der Bildungsplan umgesetzt. In der Betreuungsphase (VÖ+) kümmern sich nachmittags qualifizierte Zusatzkräfte für drei Stunden um die Kinder. In dieser Zeit ist eine Fachkraft als Ansprechpartner vor Ort. Die Stadt hatte das Konzept im Jahr 2022 entwickelt, konnte es zunächst aber wegen fehlender Genehmigungen nicht umsetzen.

„Der Fachkräftemangel ist eine der größten Herausforderungen im Kita-Bereich. Deswegen war es schlichtweg nicht möglich, in der Kita Bienenkorb eine klassische Ganztagsbetreuung anzubieten“, erläutert Katja Teuchert vom Rheinfelder Amt für Familie, Jugend und Senioren den Hintergrund für die Einführung von VÖ+. Für sie ist das Projekt, das über die Grenzen des Landkreises hinweg einzigartig sei, „bereits heute ein voller Erfolg“.

Gruppe bis 2026 ausgebucht

In der Kita Bienenkorb wird derzeit eine VÖ+-Gruppe angeboten, in der 20 Kinder am Nachmittag betreut werden. Laut Teuchert sind die VÖ+-Plätze für die Jahre 2024/2025 und 2025/2026 bereits vollständig belegt. Die große Nachfrage zeige das Interesse der Eltern an einer Nachmittagsbetreuung und ihre Bereitschaft, neue Angebote zu nutzen. Die Personalgewinnung für die Stellen der Zusatzkräfte sei sehr positiv verlaufen. „Wir hatten für den VÖ+-Betrieb drei Mitarbeitende vorgesehen“, so Teuchert. Eine Mitarbeiterin wurde aus der Spielgruppe übernommen, die Eltern vor der Einführung des Konzepts organisiert hatten. Zudem wurden die Stellenanteile einer städtischen Mitarbeiterin erhöht. Für die verbleibende Stelle gab es mehr als 30 Bewerbungen. „Davon haben uns zwei Bewerberinnen überzeugt, sodass wir sogar eine zusätzliche Person eingestellt haben.“

Auch Kita-Leiter Daniele Cortazzo ist sehr zufrieden mit der Umsetzung des VÖ+-Konzeptes. „Ich war anfangs leicht skeptisch, aber jetzt kann ich nur sagen, dass sich alles toll entwickelt hat.“ Ein wichtiger Baustein seien die 100¦Stunden an Schulungen, die die Zusatzkräfte über den Probezeitraum des Projekts von drei Jahren erhalten. Dabei gebe es Themen, die vorgegeben sind, aber die Mitarbeiterinnen könnten auch selbst Themen nennen, zu denen sie sich weiterbilden wollen. „Sie sollen sich sicher fühlen“, so Cortazzo. Die Mitarbeiterinnen seien sehr engagiert und täten mehr, als einfach mit den Kleinen zu spielen. „Sie gehen auf die Interessen der Kinder ein und machen Projekte“, berichtet Cortazzo. All das geschehe im Rahmen eines engen Austausches mit den Erzieherinnen und Erziehern. Anfangs habe es ein paar sprachliche Barrieren gegeben, da einige der Mitarbeiterinnen keine deutschen Muttersprachlerinnen sind, aber das habe sich gegeben, sagt Daniele Cortazzo.

Neben dem Kita-Leiter hatten auch Eltern und Erzieherinnen anfänglich Bedenken. So hatte im Frühjahr 2024 der Kita-Gesamtelternbeirat (GEB Kita) Rheinfelden Redebedarf angemeldet, und innerhalb des Betreuungspersonals kursierte die Sorge, dass beim Einsatz ungelernter Betreuungskräfte das Thema Bildung zu kurz kommen könnte. „Zu Beginn gab es sowohl von den Eltern als auch von den pädagogischen Fachkräften Bedenken gegenüber dem Pilotprojekt“, bestätigt Katja Teuchert. Dies sei bei einer so großen Neuerung verständlich. „Mit Beginn des Projekts wich die Skepsis aller Beteiligten jedoch sehr schnell einer breiten Zustimmung. Unsere Zusatzkräfte leisten eine tolle Arbeit“, sagt sie.

Eltern inzwischen zufrieden

​Das kann auch Jens Babin, Vorsitzender des Elternbeirats der Kita Bienenkorb und Vorstandsmitglied des GEB Kita, bestätigen. Seiner Meinung nach habe sich die Kritik der Eltern weniger auf den Inhalt des Projektes bezogen, sondern vielmehr auf den Wegfall des Mittagessens für einige Kinder. Eigentlich bekommen in der Kita nur die Kinder in der Ganztagsbetreuung Mittagessen. Nachdem jedoch wegen Personalengpässen die Betreuung Anfang 2022 eingeschränkt worden waren, konnte für einige Zeit keine Ganztagsbetreuung mehr angeboten werden. Als Entgegenkommen erhielten die Kinder mit Ganztagsverträgen weiterhin ein Mittagessen, auch wenn sie faktisch nur mit verlängerten Öffnungszeiten betreut wurden. Diese Regelung fiel mit der Einführung von VÖ+ schnell weg.

Das Projekt bewertet er aber als sehr positiv. „Wir vom GEB Kita waren von Anfang an überzeugt, dass es in Rheinfelden innovative Lösungen braucht, um eine Betreuung am Nachmittag anbieten zu können.“ Nach den Startschwierigkeiten laufe das Projekt nun hervorragend, so Babin. Viele Eltern hätten eher „das Problem“, dass ihre Kinder nachmittags nicht nach Hause wollten, weil es ihnen so gut gefalle.

Das Projekt soll wissenschaftlich beurteilt werden und wird dafür von Günther Rausch, Professor für Sozialarbeitswissenschaft, begleitet.