Rheinfelden Zweieinhalb Stunden hofft und bangt das Publikum mit dem jugendlichen Titelhelden in dem Musical „Oliver“, bis dieser sein Glück und familiäre Geborgenheit findet. Aufwendig und ambitioniert brachte die Musical AG des Georg-Büchner-Gymnasiums dieses Musiktheater von Lionel Bart am Freitag bei der Premiere im vollbesetzten Lichthof auf die Bühne.
Die Vorlage liefert der Literaturklassiker „Oliver Twist“ von Charles Dickens, der sozialkritisch die Missstände und das harte Leben in den Armenvierteln Londons Mitte des 19. Jahrhunderts schildert. In der Musicalversion aus den 1960er-Jahren wird das Schicksal des Waisenjungen Oliver mit schwungvollen und gefühlvollen Songs dargestellt. 40 Kinder und Jugendliche von der fünften bis zur zwölften Klasse wirken unter musikalischer Leitung von Wolfgang Haller und Regie von Almuth Fieback und Jan Eberspach in dieser spannend und einfallsreich aufgezogenen Musicalproduktion mit.
Das erste Bild führt in das Waisenhaus, wo die Kinder auf harten Bänken sitzen und auf ihr karges Essen warten. In ihrem Auftrittslied träumen sie von „Brot, herrlichem Brot“. Oliver (Annalena Nötzel) bittet für die anderen um mehr Grütze, doch die strenge, unnachgiebige Aufseherin Mrs. Corney (Leonie Peukert) und der hartherzige Heimleiter Mr. Bumble (Aliena Traub) bestrafen ihn für seinen Vorstoß. Wehmütig und traurig klingt Olivers Lied, in dem er an seine Mutter denkt, die nach seiner Geburt verstorben ist – ein inniger Moment in der Inszenierung.
In der nächsten Szene läuft Oliver davon und trifft in London auf den von Lia Lambla forsch, gewitzt und geradehaus gespielten Straßenjungen Dodger. Dodger bringt den Ausreißer zu einem ehrenwerten Gentleman – Fagin, der Herr der Diebe. Erst noch schüchtern und ängstlich taucht Oliver in die Welt der jugendlichen Taschendiebe ein, die von Fagin zum Stehlen geschickt werden und dafür bei ihm Unterschlupf finden. Mit kraftvoller Bühnenpräsenz und markanter Stimme gibt Dominik Haller, letztjähriger Abiturient, den gerissenen Hehler. Rhythmisch schmissig klingt der Song „Mach die krummen Finger schön lang“, in dem er den „begabten Burschen“ in den Kreis der Diebe aufnimmt und ihm das Klauen beibringt. Der Schülerchor agiert stimmlich und darstellerisch stark als Fagins Bande, die ihrem Meister die Beute aushändigt und Taschentücher zum Trocknen aufhängt.
Immer wieder haben die Kulissenschieber einiges zu tun beim Bühnenumbau und Wechsel der Kulissenbilder. Eine Szene spielt im Wirtshaus, wo Sophie Maier als reizende Sängerin Nancy im langen roten Kleid mit Netzhandschuhen und Schleife im Haar auftritt. Zu ihrem Lied „Um-Pa-Pa“ wird ausgelassen geschunkelt. Die Stimmung ändert sich, als der finstere Unterwelt-Boss Bill Sikes (Viktoria Ogorodnik) unheilvoll im langen schwarzen Mantel auftaucht. Derweil wurde Oliver auf Diebestour erwischt, doch weil er nichts gestohlen hat, nimmt ihn der wohlmeinende vermögende Mr. Brownlow (Jelena Micic) mit nach Hause. Wirkungsvoll inszeniert umsorgt die Haushälterin Oliver sanft, später beobachtet dieser von oben das Treiben auf den Straßen, wo die mittellosen Kinder versuchen, ein paar Pennys zu verdienen.
Da Fagin und Sikes befürchten, Oliver könnte ihre kriminellen Geschäfte aufdecken, wird der Junge entführt. Nancy, die sich als Mädchen mit Mut und gutem Herzen entpuppt, setzt sich für Oliver ein und nimmt ihn in Schutz. Am Schluss geht es turbulent zu bei der Verfolgungsjagd auf der London Bridge, wofür das Treppenhaus herhalten muss. Es fällt ein Schuss, doch für Oliver enden die Abenteuer versöhnlich, denn Mr. Brownslow erweist sich als sein Verwandter, der ihn in seinem Haus aufnimmt.
Die jungen Darsteller in den teils doppelt besetzten Rollen spielen und singen mit Verve und Freude und lassen die Geschichte hautnah spürbar werden. Allen voran Annalena Nötzel in der Titelrolle, die den schweren Weg des Waisenjungen nachvollziehbar macht. Eindruck machen die dynamisch choreografierten Szenen, in denen der Chor mal als Kinder im Waisenhaus, mal als Fagins Bande viel gesangliches Talent beweist.
Eine fünfköpfige Band aus Lehrkräften, mit Kathrin Haller an der Violine, Ursula Oberle an der Blockflöte, David Glenn an der Klarinette und Frank Kassubek und Wolfgang Haller an Keyboards begleitet die Lieder inspiriert und animiert mit dem typischen Broadway-Sound der 1960er-Jahre. Ganze Arbeit hat die Bühnenbild-AG um Kunstlehrer Heiko Reznicek mit den malerischen Kulissen geleistet. Mit den fantasievollen Kostümen (Almuth Fieback) wird geschickt eine Brücke von damals in die heutige Zeit geschlagen.