Schwörstadt Die Geschichte von Klaus Renkawitz als Leseopa beginnt mit seinen eigenen Enkeln. Heute sind die beiden erwachsene Männer. Aber als sie noch klein waren, seien die Eltern jedes Mal „abgeschrieben“ gewesen, wenn Renkawitz und seine Frau Ellen zu Besuch kamen. Der heute 80-Jährige wohnt seit 1952 in Schwörstadt, seine Enkel lebten damals im Raum Gießen. Wenn der Opa da war, liebten es die beiden Jungs besonders, wenn er ihnen ihre Gute-Nacht-Geschichte vorlas.

2007 habe er in einem Bericht in der Zeitung gelesen, dass die Kindergärten in der Umgebung Vorleseopas und -omas suchen, erzählt der ehemalige Mechanikermeister. „Da das bei meinen Enkeln so gut funktioniert hat, bin ich einfach mal zum Kindergarten St. Elisabeth um die Ecke spaziert und habe mich vorgestellt.“ Und schon war er engagiert. Einmal in der Woche ging Klaus Renkawitz von da an in den Kindergarten. Die Kinder, die Lust hatten, durften ihm zuhören. Und schon bald war der Leseopa, oder „der Klaus“, wie ihn die Kleinen nannten, nicht mehr aus dem Kitaalltag wegzudenken.

Klaus Renkawitz selbst benutzt lieber den Begriff Erzähl-Opa. Genau genommen habe er nämlich gar nicht vorgelesen, sondern sich die Kinderbücher zu Hause mehrmals durchgelesen, um sie dann auswendig zu erzählen. „Ich wollte den Kindern in die Augen schauen können “, erklärt er. Und er wollte auch auf Augenhöhe mit ihnen sein. „Wenn sie auf dem Boden saßen, saß ich auch auf dem Boden.“

Den Stoff für seine Geschichten kaufte er meist auf Flohmärkten, selten besorgte er auch Mal ein neues Buch. Außerdem konnte er auf die Kindergarten-Bücherei zurückgreifen. „Man braucht den Kindern nicht zweimal mit demselben Buch zu kommen“, erzählt Klaus Renkawitz. Darum griff er immer erst nach etwa drei Jahren wieder auf bekannte Bücher zurück. Zwei Geschichten waren bei den Kindern besonders beliebt: Wie Jim Knopf nach Lummerland kam und Moglis Abenteuer im Dschungel. Und auch sonst ging das Engagement des 80-Jährigen bald über das Geschichtenerzählen hinaus.

Da der Kindergarten nicht weit vom Wohnhaus der Renkawitz‘ entfernt ist, spazierten die Erzieherinnen im Sommer manchmal mit den Kindern dort vorbei. „Dann gab es beim Klaus frische Erdbeeren und Himbeeren aus dem Garten“, erinnert sich der 80-Jährige und resümiert: „Die Zeit als Leseopa hat mir unheimlich viel Spaß gemacht und auch selbst gutgetan.“

Doch nach 17 Jahren habe er gemerkt, dass es genug war. „Es wurde auch immer schwieriger für mich, neue Geschichten auswendig zu lernen.“ So fand Anfang Januar eine Abschiedsfeier für Klaus Renkawitz statt. Extra für die Kinder studierte er eine kleine Zaubershow ein.

Zum Schluss gab er ihnen noch eine Bitte mit auf den Weg: „Liebe Kinder aus Schwörstadt, sagt euren Omas und Opas, dass jetzt ein neuer Leseopa oder eine Leseoma gesucht wird.“