Die Stühlinger Altstadt ist ein Beispiel dafür, wie sich ein Gemeinwesen im Laufe der Zeit verändert. Lebte hier früher das Bürgertum mit den alten Geschlechternamen wie Würth, Walz, Mayer, Amann, Deisler, Armbruster, Gantert, Kohler, Feederle, Hierholzer, Hauger, Brogle, Büche, Kienzle, Kaiser, Hug, Schemp oder Schölderle, so siedeln sich dort inzwischen mehr und mehr ausländische Mitbürger an. Steht eines der meist eigenwillig gebauten alten Häuser zum Verkauf, finden sich Käufer, die ihre Wurzeln nicht im Wutachtal haben. Das ist auch gut so, denn es gibt nichts Schlimmeres für ein Haus als Leerstand. So leben in der Stühlinger Altstadt mittlerweile Menschen aus 13 Nationen.

Seit rund 20 ausländische Familien den Bereich „Krone“ bis zur Altstadt bevölkern, wuseln auch wieder Kinder im Städtle herum und planschen im Sommer in den Brunnen. Von der Säule des Städtlebrunnen aus schaut das Stühlinger Männle seit 1986 gelassen den Veränderungen zu.

Vorbei ist die Zeit, als Bernd Bruder, über Jahre hinweg das einzige Kind innerhalb der Altstadt war. Sein Vater, Bäckermeister Arnold Bruder (67), erinnert sich: "Ja, es stimmt! Unser Sohn Bernd – heute 33 Jahre alt – war lange Zeit das einzige Kind der ganzen Stühlinger Altstadt. Sogar die Tageszeitungen Alb-Bote und Südkurier und brachten damals ein Bild vom kleinen Bernd, der ganz alleine am Städtlebrunnen geplätschert hat!"
Früher gab es im Städtle mindestens sechs Gasthäuser, in der jüngeren Vergangenheit außer dem „Rebstock“ noch das Gasthaus „Lang“ und das Café „Bruder“. Es gab zwei Kolonialwarenläden und eine Bäckerei, die es noch bis September 2019 gibt. Noch lange nach dem Zweiten Weltkrieg lebten hier Schreiner, Schuhmacher, Schlosser, Blechner, Maler, Landwirte und Schneider. Also eine bunte Mischung, die friedlich auf engem Raum zusammenwohnte.
Fast jedes Haus hatte am Stadtgraben entlang einen Gemüsegarten und im Haus einen Schweine, Ziegen- und Hühnerstall. Die Orte, wo füher Misthaufen lagen, sind längst zu kostbaren Parkplätzen umgewandelt worden. In manchen alten Häusern liegen die Zimmer auf unterschiedlichen Ebenen. Nicht selten muss man den Kopf einziehen, will man vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer gelangen.
Bis auf eine Ausnahme verschwunden sind mittlerweile auch die Klohäuschen, die wie Schwalbennester an den Rückseiten der Häuser klebten. Nur am Haus Dankers (früher Bernauer) lassen die neuen Besitzer dieses Freilufthäuschen aus nostalgischen Gründen noch weiter an der Hausfassade bestehen. Über der Altstadt throhnt nach wie vor der Burgfried von Schloss Hohenlupfen – und der ist seit einigen Jahren ebenfalls in ausländischer, nämlich Schweizer Hand.
Die Nationalitäten
Heute leben Zuwanderer aus 13 Nationen in in der Altstadt und am Stadtweg. Es sind Türken, Holländer, Russlanddeutsche, Polen, Albaner, Afghanen, Syrer, Schweizer, Italiener, Rumänen und seit Kurzem auch eine afrikanische Familie.