Der Waldshut-Tiengener Stadtteil Gurtweil wirbt unter dem Motto „1150 Jahre Gurtweil (874-2024) – ein Dorf, ein Fest!“ mit Festlogo für seine Jubiläumsfeierlichkeiten am Samstag und Sonntag, 22. und 23. Juni. „Wo die Schlücht ihr enges, felsiges und romantisches Tal verlässt, um sich nach drei Kilometern ihres Laufes, kurz vor der Mündung in den Rhein, mit ihrer größeren Schwester, der Wutach, zu vereinigen, liegt auf einer terrassenförmigen Anhöhe, zum großen Teil westlich des Flusses, das Dorf Gurtweil, eine fast ganz geschlossene Anlage mit dem auffallend hohen und großen Schloss im Süden.“ So beschrieb einst der längst gestorbene Ehrenbürger Dekan Leo Beringer – Pfarrer und Geistlicher Rat – die geografische Lage des Dorfs. Und der einstige Lehrer Karl Ulrich (1928 bis 1949) brachte mit folgender Liedstrophe eine poetische Verehrung der Landschaft zum Ausdruck: „Glänzig vom Wald am Rhy funklet im Sunneschii d‘Schlücht wie Silberstrahl: Gurtwieler Tal!“
Nüchterner betrachtet leidet Gurtweil längst unter seiner einst privilegierten verkehrsgünstigen Lage, denn alle Verkehrsbeziehungen von Ost nach West und Nord nach Süd treffen sich auf der Gemarkung und bringen jährlich zunehmenden Verkehr in den Ort. Und schließlich steht seit Jahrzehnten das Dorf unter Strom, denn viele Hochspannungsleitungen beeinträchtigen den Stadtteil nicht nur optisch.
Ein Blick in die Geschichte
Erstmals wurde Gurtweil 874 in einer Urkunde erwähnt, aber schon zuvor gab es Hinweise auf Spuren der Besiedlung durch Alemannen und Franken sowie die Römer. In einer Schenkungsurkunde aus dem Rheinauer Kartular erscheint der Name „gurtwila“ und ist somit der früheste schriftliche Nachweis. Demnach übergab vor 1150 Jahren der damalige Gaugraf Adelbert dem Kloster Rheinau „alles, was ich im Albgau und in dem Weiler Gurtweil genannt, besitze“. In den folgenden Jahrhunderten gehörte es zu den Klöstern St. Gallen, St. Blasien und wechselnden Adelsgeschlechtern, ehe die Herren von Heidegg von 1532 bis 1646 über vier Generationen hinweg die Herrschaft innehatten. Dabei war von Anfang an das heutige Gurtweiler Schloss (villa gurtwila) der zentrale Ort des Geschehens. Als Probstei diente es dem Kloster St. Blasien bis zum Verkauf 1807.

Von da an war Gurtweil bis zur Säkularisation 1806 unter St. Blasianischer Herrschaft. Gurtweil wurde zu einem bedeutenden Amtsort; die Obervogtei aus Gutenburg, zuständig für Weilheim, Nöggenschwiel und Birkendorf, wurde in das Gurtweiler Pfarrhaus verlegt. Nach dem Wiener Kongress 1814/15 wurden viele der Verwaltungs- und Wirtschaftsstrukturen angepasst. Und nach der gescheiterten Revolution 1848/49 stand das Ringen um Einheit und Frieden im neuen Deutschen Reich im Vordergrund. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war der Großherzog mit seiner Gemahlin Gast in Gurtweil und wurde fürstlich empfangen, wie es in einem Gedicht zum Empfang heißt: „Landesfürst und Landesfürstin zu uns kommen, königliche Hoheiten grüßen wir willkommen! Lebe hoch, du edles Fürstenpaar.“
Dann begann das dramatische 20. Jahrhundert mit den beiden Weltkriegen und den späteren Wirtschaftswunderjahren. Bereits neun Jahre nach der Gründung eines Militärvereins Gurtweil 1905 begann der Erste Weltkrieg, der auch im Dorf zu vielen Notständen, zu Hunger und zur Inflation führte. Aus Gurtweil waren 19 Soldaten im Krieg geblieben. Sie sind auf der „Ehrentafel für die im Weltkrieg
1914-1918 gefallenen und vermissten Helden und Kriegsteilnehmer der Gemeinde Gurtweil“ mit einem Porträt zu finden. Danach war Gurtweil auf dem Weg zur Hitler-Diktatur und in den Zweiten Weltkrieg. 110 „waffenfähige Männer“ wurden in Gurtweil eingezogen und Ende Juni 1945 wusste man in Gurtweil von 17 Gefallenen.

Die politische Entwicklung nach dem Krieg war zunächst durch die französische Besatzungsmacht geprägt. Die zweite Jahrhunderthälfte begann mit dem Wiederaufbau, gefolgt vom sogenannten Wirtschaftswunder und der Festigung des Staatswesens. Aber auch erste Wirtschaftskrisen, Jugendprotest und die Politisierung der Bevölkerung, sowie gesellschaftliche Reformen und schließlich 1990 die Wiedervereinigung Deutschlands kennzeichneten die Entwicklung des zu Ende gehenden 20 Jahrhunderts.
Der dramatische Brand des Gasthauses „Hirschen“ im August 1960 ist noch vielen in Erinnerung und bewirkt eine Zäsur in der jahrhundertelangen gastronomischen Geschichte des Dorfs. Gravierende Änderungen bewirkte die Gemeindegebietsreform von 1974. Sie bewirkte das Ende der Selbstständigkeit für Gurtweil. Gemeinsam mit neun weiteren Orten wurden das Dorf und die beiden Kernstädte Waldshut und Tiengen zur Großen Kreisstadt zusammengefasst.

Weitere Zeitzeugen aus dem 20. Jahrhundert
Bernhard Scheuble prägt die Geschichte des SV Gurtweil entscheidend mit.
In seiner Kindheit hatte Theo Jordan nichts, in den Wirtschaftswunderjahren macht er Karriere.
Mit 96 Jahren hat Elfriede Kaiser viel aus der Geschichte Gurtweils zu erzählen
Landwirt war schon in der Kindheit Traumberuf und Leidenschaft von Werner Jäger (86)
Rosmarie Leisinger (87) berichtet aus den Kindertagen in der Zeit des Weltkriegs
Für eine Limo stellte Erich Straubhaar (95) als Bub die Kegel im Gasthaus „Hirschen“ in Gurtweil auf