Die Verbindung mit Blois, der Königsstadt an der Loire, zählt nicht nur zu den ältesten, sondern auch zu den aktivsten Städtepartnerschaften Waldshut-Tiengens. Im Juni 1963 unterzeichneten die damaligen Bürgermeister Friedrich Wilhelm Utsch aus Waldshut und der vom Krieg schwer gezeichnete Marcel Buhler im Schloss von Blois die Partnerschaftsurkunden, nachdem schon Jahre zuvor private und von Vereinen Kontakte zu der Stadt an der Loire bestanden haben.

Säule und Fundament der Städtepartnerschaft ist der Schüleraustausch zwischen Blois und Waldshut-Tiengen, der im Mai in einem Festakt in Waldshut–Tiengen 60-jähriges Bestehen feierte.

Am 8. Dezember 1974 schließlich besiegelte die Unterzeichnung einer Urkunde durch Friedrich Wilhelm Utsch und Mayor William Fuller die offizielle Städtepartnerschaft zwischen Waldshut und Lewes. Damit erfüllte sich der Lebenstraum von Manfred Kirchgässner aus Waldshut, dem Vater der Städtepartnerschaft. Er setzte alles daran, Feindschaften, Vorbehalte und Ressentiments abzubauen und Freundschaften zu schließen.
Waren es in den Anfangsjahren rund 30-jährliche Begegnungen, so gehören jetzt immer noch fünf bis zehn Treffen von Vereinen diesseits und jenseits von Rhein und Ärmelkanal zum Jahresablauf. In den ersten Jahren setzte Manfred Kirchgässner alle Kräfte in Bewegung, um möglichst viele Verbindungen vor allem unter den Jugendlichen herbeizuführen. Ein Anlass jagte den anderen. Kaum ein Berufszweig, ein Verein, eine Sportgruppe, die nicht einen Partnerverein hatte. Auch der Gemeinderat mit den Oberbürgermeistern kam bis zum heutigen Tag sowohl in Blois als auch in Lewes mit den französischen und englischen Gremien zusammen.

Legendär sind auch die Hochzeiten, die in erster Linie durch den Schüleraustausch zwischen jungen Blesois und Waldshut-Tiengenern geschlossen wurden. Nicht nur mit Privatwagen und Bussen besuchte man die Freunde in der Partnerstadt. Auch mit dem Fahrrad oder gar zu Fuß wurde die rund 700 Kilometer lange Strecke überwunden. Noch gut in Erinnerung ist der Marsch von Alain Gaulthier, der seine in Tiengen verheiratete Tochter mit Schwiegersohn und den zwei Enkeln besuchte. Für die 699 Kilometer lange Strecke wanderte der Frührentner mutterseelenallein 24 Tage.
John Eckes, ein Zeitungsjournalist aus Lewes, startete ebenfalls in Blois zu einer fünfwöchigen Wanderung an den Hochrhein. Er sammelte dabei unterwegs Spenden zur Finanzierung eines medizinischen Geräts für das Krankenhaus in Lewes sammelte dabei unterwegs Spenden zur Finanzierung eines medizinischen Geräts für das Krankenhaus in. Oberbürgermeister Franz-Joseph Dresen überreichte ihm einen Scheck über 837 Deutsche Mark, exakt eine Mark pro Kilometer.
Dass die Partnerschaft in den Herzen der Bevölkerung fest verankert ist, bewies die große Solidarität der Kreisbewohner bei der Flutkatastrophe vor 18 Jahren in Lewes. Stadt und Bevölkerung spendeten spontan 26 000 Mark für die Opfer, die zum Teil Hab und Gut verloren hatten.
Sind die regelmäßigen Begegnungen in den drei Ländern auch weniger geworden oder haben sich auf private Treffen reduziert, so sind es doch noch einige Vereine, wie der Tennisclub, der sich dieses Jahr mit den Spielern aus Blois und Lewes in Waldshut traf, der Wassersportverein, der Schwarzwaldverein, Alt Waldshut, die Klettgauer Heimattracht oder die Jugendmusikschule, die die Partnerschaft aufrecht erhalten. Fest im Jahresablauf verankert sind die partnerschaftlichen Besuche bei den Heimatfesten von Schwyzertag und Chilbi.
Waren es viele Jahrzehnte das Stadtfest „Hallo Nachbar“ oder das Erntefest in Tiengen, so ist es jetzt immer noch der Stand am Französischen Markt, bei dem Spezialitäten aus der Region Blois angeboten werden. Im Gegenzug ist der Freundeskreis jährlich beim Nikolausmarkt in Blois mit selbst gebackenen Weihnachtsplätzchen vertreten. Fest im Jahresprogramm sind auch die Touristenreisen von und nach Blois und auch bald wieder, wie geplant, nach Lewes.
Zigtausende von Bewohnern des Landkreises haben in den vergangenen Jahrzehnten Blois oder Lewes besucht und damit die Bemühungen eines gemeinsamen Europas untermauert. Zugleich aber haben sie das Versprechen der drei Gründerväter Manfred Kirchgässner, Jean Lécaux und Jack Greenaway erfüllt, dass Menschen aus drei Nationen, die sich in zwei Weltkriegen blutig bekämpft haben, einander näher kamen und freundschaftlich verbunden sind.
Blois statt Paris
Ohne Manfred Kirchgässner, der im Januar 1993 einem Krebsleiden erlag, gäbe es keine Partnerschaft. Die Liebe zu Blois und die daraus resultierende enge Verbindung unter den Menschen entsprang einem Zufall. Als Studienreferendar in Freiburg bewarb er sich 1952 um eine Assistentenstelle in Frankreich. Statt dem ersehnten Paris schickte man ihn nach Blois. Wenige Jahre nach Kriegsende begegnete man dem „Boche“ im ehemaligen Feindesland noch skeptisch. Während der Kontakt unter den Lehrern – Jean Lécaux war damals Schulleiter – von Anfang an sehr herzlich war, dauerte es fast ein Dreivierteljahr, bis Kirchgässner in eine französische Familie eingeladen wurde. In Waldshut war Manfred Kirchgässner bis zu seiner Pensionierung Leiter des Hochrhein-Gymnasiums.
"Besonders die Jugend ist offener geworden"
Irene Dold ist eines der dienstältesten Vorstandsmitglieder des Partnerschaftskomitees. Sie war schon als Teilnehmerin des Schüleraustauschs in Blois.
Frau Dold, was ist Ihre Aufgabe im Partnerschaftskomitee ?
Eigentlich bin ich Kassiererin, doch mit unserem Vorsitzenden Markus Schmitt Ansprechpartnerin für alle Belange der französischen Partnerstadt.
Wann kamen Sie zum ersten Mal nach Blois ?
1964 als Teilnehmerin des Schüleraustausches und dann 1991 mit dem damaligen Vorsitzenden und Vater der Städtepartnerschaft, Manfred Kirchgässner.
Wie oft kommen Sie jetzt noch in die französische Partnerstadt?
Vier bis fünfmal im Jahr, vor allem als Begleiterin von Vereinen und Reisen.
Seit wann organisieren Sie Reisen in die Partnerstadt ?
Als Manfred Kirchgässner 1993 starb, habe ich nahtlos die Fahrten als Reiseleiter übernommen. Das sind inzwischen 25 Reisen mit durchschnittlich 20 bis 30 Teilnehmern.
Ihre sonstigen Aktivitäten?
Organisation unseres Standes am Französischen Marktes in Waldshut-Tiengen, Weihnachtsmarkt in Blois, Veranstaltungen mit planen, Unterkunft für Besucher suchen, Gäste bewirten und natürlich als Kassierin für die Finanzen des Vereins zuständig sein.
1964 waren Sie zum ersten Mal in Blois auf dem Schüleraustausch, heute begleiten Sie selbst Reisen in die Partnerstadt – was hat sich in all der Zeit in Blois verändert?
Die Stadt hat sich natürlich verändert, sie ist moderner geworden. Das Schloss steht noch, aber Straßen, Gärten… Es hat sich alles zum Positiven gewendet. Auch die Menschen haben sich verändert. Besonders die Jugend ist offener geworden, kommt auf einen zu und spricht mit einem, das war früher nicht der Fall.
Was war für Sie in all den Jahren das schönste Ereignis?
Ich habe viele kleine schöne Ereignisse. Alle zehn Jahre die schönen Feste in Blois und immer wieder auch die Besuche in den Weinkellern. Die Herzlichkeit in den Familien ist jedes Jahr gleich, das kann ich nicht besonders hervortun. Ich sage immer: Keller und Türen stehen offen.
Warum ist die Städtepartnerschaft Ihrer Meinung nach auch heute noch wichtig?
Für junge Leute ist die Städtepartnerschaft nicht mehr so attraktiv. Das sieht man schon beim Schüleraustausch, wo die Zahlen leider zurückgehen, wobei auf deutscher Seite immer noch ein konstantes Interesse besteht. Aber für meine Reisen Jugendliche zu aktivieren, geht fast nicht. Es sei denn an Karneval, wenn die Jugendlichen mit ihren Vereinen mitfahren. Für die ältere Generation ist die Verbindung jedoch immer noch da.
Ein besonderer Tipp für Blois-Besucher?
Auf jeden Fall das Schloss. Aber auch die Maison de la Magie, also das Zauberhaus und der Garten des Bischofs, mit dem Blick über Blois, den man einfach genießen kann.
Fragen: Doris Flohr und Ann-Kathrin Bielang