Frau Padova, als Leiterin des Kinder- und Jugendreferates haben Sie und Ihre Kollegen alle Hände voll zu tun. Wie läuft die Kinder- und Jugendarbeit Ihrer Meinung nach in der Stadt?
Ich finde die soziale Landschaft in Waldshut-Tiengen sehr interessant, denn hier gibt es eine Fülle von Angeboten. Es ist zunächst einmal überhaupt toll, dass es in der Stadt ein Kinder- und Jugendreferat gibt. Das ist nicht selbstverständlich. Es ist toll, dass es vier Stellen in der offenen Jugendarbeit gibt, denn es ist eine Freiwilligkeitsleistung der Stadt. Und damit zeigt die Stadt, wie wichtig Kinder und Jugendliche hier sind. Ein besonders gut angenommenes Angebot, das es drei Mal die Woche gibt, ist der offene Treff im Jugendcafé, der bis in die Abend- und Nachtstunden hinein geht, mit allen Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben.
Welche sind das?
Beispielsweise Lärmbelästigung, durch die Konzerte im Juz, die im Schnitt ein Mal im Monat stattfinden. Das ist übrigens auch ein großer Luxus, ein Projekt, das es schon lange gibt und bei dem sich Jugendliche auch selbst engagieren. Es gibt aber auch manchmal Schwierigkeiten mit Jugendlichen, die zu uns ins Jugendcafé kommen: Da gibt es Konflikte oder auch mal eine Schlägerei. Es kommen auch Jugendliche, die ziemlich berauscht sind. Aber genau das sind die Jugendlichen, für die wir da sein müssen, das ist unsere Klientel. Das ist auch manchmal schwierig, nach außen zu verteidigen. Generell gibt es aber wenige Jugendhäuser, die einen guten Ruf haben.
Woran liegt das?
In den meisten Jugendhäusern treffen sich oftmals die Jugendlichen mit besonderen Lebenslagen: seien es Schulschwierigkeiten, Probleme mit den Eltern, Migrationserfahrungen. Die Jugendhäuser können ein Ankerpunkt sein. Und: Unsere Jugendlichen sind toll. Und manchmal ist es eben auch konfliktbehaftet. Und dahinter stehen wir, auch als Stadt. Und toll ist auch, wie sich unsere Mitarbeiter engagieren und bis Mitternacht beispielsweise hinter der Theke stehen. Aber nicht nur wir, sondern auch die Schulsozialarbeiter und Lehrer sind sehr engagiert, wenn Jugendliche Probleme haben. Sie bekommen genau mit, was mit den Jugendlichen los ist und welche Probleme sie haben. Und die sind manchmal enorm, zum Beispiel, wenn es um Suizid oder Missbrauch geht. Hier vernetzen wir uns alle aber sehr gut, versuchen mit Gesprächen zu helfen und vermitteln auch Hilfsangebote.
Was wünschen sich Jugendliche in der Stadt?
Eine große Herausforderung ist die Mobilität. Wie komme ich von A nach B. Ansonsten ist die Jugend hier unglaublich engagiert, wie man ja auch beispielsweise bei Fridays for Future sieht. Ein konkreter Wunsch der Jugend ist eine Trampolinhalle. Weil wir die hier nicht haben, organisieren wir regelmäßig einen Ausflug zu der Trampolinhalle am Feldberg. Und da ist der Bus auch immer schnell voll.
Auf welche Projekte sind Sie als Leiterin des Kinder- und Jugendreferates besonders stolz?
Wir vom Kinder-und Jugendreferat freuen uns besonders über den Ausbau der Ganztagesbetreuungs-Angebote in den Ferien. Das gab es so vorher noch nicht mit Ausnahme von Fez – Ferien zu Hause, der städtischen Kinderferienzeit in den Sommerferien. 2020 haben wir nun zum ersten Mal in den Oster-, Pfingst- und Sommerferien-Ganztagesangebote, die immer die Hälfte der Ferienzeit abdecken. 2019 gab es bereits einen ersten Probelauf, der sehr gut funktionierte und angenommen wurde.
Ist die Ferienbetreuung bezahlbar?
Die Kosten liegen für eine Woche bei unter 100 Euro. Im Vorfeld hatten wir Eltern dazu befragt und bekamen als Resonanz, dass das Angebot und die Leistung sich entsprechen. Wer finanzielle Engpässe hat, der kann Reduzierungen über das Bildungs- und Teilhabepaket über den Landkreis bekommen, auch über die WT-Card und wenn gar nichts geht, werden wir auch Einzellösungen finden. Es soll nicht am Geld scheitern – das ist unser oberster Anspruch.
2019 gab es zum ersten Mal das Festival der Vielfalt in Tiengen. Wie war die Resonanz?
Die war wirklich gut, und es hat sich Einiges danach entwickelt. Ich weiß nicht, ob es an dem Festival lag, aber danach kamen immer mehr Jugendliche und haben nach Hilfe bei einem Coming Out gefragt. Um die zu gewährleisten, bekommen beispielsweise die Jugend- und Schulsozialarbeiter der Stadt jetzt eine spezielle Schulung in der Begleitung von Coming Outs. Es hat sich auch eine Gender-Gruppe gebildet, die regelmäßig Treffen plant.
Welche großen Projekte stehen für dieses Jahr noch an?
Der Schwerpunkt liegt in diesem Jahr bei internen Fortbildungen zum Beispiel im Bereich Resilienz, also der psychische Widerstandsfähigkeit. Wir wollen und müssen aber auch die WT-Card, mit der es Vergünstigungen in der Stadt gibt, neu überdenken, weil manche Bedarfe anders sind als gedacht. Wir wollen auch wieder an den Frauenaktions-Wochen teilnehmen. Es tun sich immer neue Bereiche auf, an die wir anknüpfen müssen, nicht nur in der Kinder- und Jugendarbeit. Ich denke da zum Beispiel auch an die Senioren oder auch an Menschen mit Behinderungen. Aber das muss und darf sich erst entwickeln.
Haben Sie einen Wunsch für die Zukunft?
Ein Schwerpunkt ist die Beteiligung von Kindern- und Jugendlichen, was wir zum Teil durch den Achterrat haben. Da entstehen immer viele tolle Ideen. Deshalb wünsche ich mir, dass wir noch andere Methoden finden, Kinder- und Jugendliche zu integrieren, nicht nur in den achten Klassen. Dafür brauchen wir gute Paten, denn die Lehrer haben auch nur begrenzten Raum für solche Angebote, und auch wir von der Stadt schaffen das nicht allein.