Jeder kann irren, auch der Turnverein Waldshut: 1982 feierte er groß sein 100-jähriges Bestehen samt Festschrift, nichtsahnend, dass seine Wurzeln viel weiter zurückreichen. „1863 wurde im Stadtarchiv ein Protokoll über eine Hauptversammlung gefunden und 1849 schließlich unsere Gründungsurkunde“, berichtet Daniel Kistner, Vorsitzender des Turnvereins. Beleg für das Gründungsjahr 1849 ist ein Zeitungsinserat im Waldshuter „Intelligenz-Blatt“: 175 Jahre alt ist also der Turnverein Waldshut. Er wird sein Jubiläum mit einem großen Fest am 30. November in der Hochrhein Sporthalle Waldshut feiern.
Lebendiger Verein bis heute
Etliche langjährige Mitglieder haben ihren Anteil daran, dass der Turnverein bis heute ein lebendiger Verein ist. Zu diesen verdienten Turnern gehören Walter Maier (94), der 1940 als Zehnjähriger zum Turnverein Waldshut kam und rund 40 Jahre Schüler-Turnwart war, was heutigen Übungsleitern entspricht. Ebenso zur „alten Garde“ zählen Eugen Stapf (85), der nicht nur langjähriger Turnwart war, sondern auch unzählige Sportabzeichen abgenommen hat und rund 50 Jahre Platzwart in der Schmittenau war, wo der Turnverein sein Vereinsheim hat. Hans Jürgen Bannasch (87), seit 1967 Mitglied, war 22 Jahre Turnwart und Dieter Baum (83) stieß 1984 zum Turnverein und ist jahrzehntelanges Vorstandsmitglied, seit 2002 als Schriftführer.

Wenn sie zurückblicken und erzählen, wird deutlich, dass sich das Vereinsleben in den vergangenen Jahrzehnten gründlich gewandelt hat. „Wir hatten im Vergleich zu heute Unmengen von Gruppen und sie waren viel größer, 40 bis 50 Schüler waren in einer Gruppe“, erinnert sich Hans Jürgen Bannasch. Er ist ein bisschen stolz, dass er es in seiner Übungsleiter-Laufbahn nur mit zwei Verletzungen zu tun hatte: Dem Fußbruch eines Jungen und der Ellbogen-Verletzung eines Mädchens, das mit seinen Worten vom Barren weggeflogen sei. Allgemein wäre es recht diszipliniert zugegangen, sagen die Vier, was angesichts der Gruppengrößen unumgänglich gewesen wäre. Größer als heute sollen in ihrer aktiven Zeit die Leistungsbereitschaft und der Ehrgeiz gewesen sein.
Sportler in ganz Deutschland unterwegs
„Wir nahmen an Turnfesten in ganz Deutschland teil, machten bei Gau-Meisterschaften und vielen anderen Wettkämpfen mit“, erzählt Eugen Stapf. Walter Maier gehörte zu den Leistungsträgern. Er war Mitglied der Markgräfler Gauriege und hat den olympischen Zwölfkampf geturnt. Noch heute bedauert er es, dass oft gute Turner an den VfB „verloren gingen“, mit dem der Turnverein nach dem Zweiten Weltkrieg, als das Turnen verboten war, eine Gruppe gebildet hat. Auch die Sportarten änderten sich: Turnen, Fechten und Badminton sind heute die Kernsportarten. Abgesehen vom Estelberglauf, spielt die Leichtathletik trotz Erfolgen keine Rolle mehr.

Mehrfache Badische Meister im Stabhochsprung und mit Hans Baumgartner ein Silbermedaillengewinner im Weitsprung bei Olympia 1972 gingen aus dem Turnverein hervor. Stärker war laut der alten Garde auch das Miteinander bei geselligen Aktivitäten. Maier, Stapf, Bannasch und Baum sind in ihrer aktiven Zeit mit dem Verein viel gewandert. Es sei viel gesungen worden: alte Volklieder und auch spezielle Turnerlieder. Unvergessen sind ihnen Seifenkistenrennen die Gurtweiler Straße hinunter und unzählige Sommerfeste und Grillabende im Vereinsheim mit Grillmeister Stapf sowie selbst gebackenem Brot und selbst gebackenen Kuchen von Walter Maier.
Die Nachfrage ist groß
Was sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des Turnvereins zieht, ist die Suche nach geeigneten Sportstätten. Der Johannisplatz im Sommer, ein Raum im ehemaligen Hotel „Rebstock“ (heute May), einstige Sporthallen auf dem Kornhausplatz, in der Liedermatte und in Waldshuter Schulen sind nur einige Stationen. Ab 1969 konnte in der Hochrhein-Sporthalle trainiert werden, sie ist bis heute Hauptsportstätte des TV Waldshut, der seine Zukunft fest im Blick hat.

Dabei müssen auch Herausforderungen gemeistert werden. „Eine der größten ist es, genügend Übungsleiter zu finden“, sagt Dieter Baum. Er und seine drei Kameraden sind dennoch überzeugt, dass die Zukunft des Turnvereins gesichert ist. Die Nachfrage ist groß. Es gibt Wartelisten für die einzelnen Gruppen und das, wofür besonders der 94-jährige Walter Maier der beste Beweis ist, gilt damals wie heute: Turnen hält jung und fit.
Eckdaten der Vereinsgeschichte
- 1849: Erstgründung des Turnvereins Waldshut.
- 1883: Beitritt zum Markgräfler Turngau.
- 1905: Bau der städtischen Turnhalle beim Kornhaus, der Turnverein hat damit lange ein festes Domizil.
- 1923: Erstes Turnfest nach dem Krieg in München, eine Abordnung des Waldshuter Turnvereins ist dabei.
- 1926: Herrichtung eines Grundstücks in der Schmittenau als Turn- und Sportplatz und Bau einer einfachen Turnerhütte mit Umkleide- und Gerätraum, alles größtenteils in Eigenregie.
- 1936: Teilnahme an den Olympischen Spielen in Berlin.
- 1945: Turnsperre durch die französische Besatzungsmacht und Auflösung des Turnvereins.
- 1950: Wiedergründung des Turnvereins im „Wilden Mann“.
- 1954: Möglichkeit zum Erwerb des Sportabzeichens.
- 1960: Eintrag ins Vereinsregister beim Amtsgericht.
- 1963: Bezug eines neuen Turnerheims in der Schmittenau.
- 1970er-Jahre: Mitgliederhöchststand mit deutlich mehr als 1000 Mitgliedern, heute zählt der Turnverein Waldshut rund 600 Mitglieder. Vorsitzender ist Daniel Kistner.
Das Jubiläumsfest
Der Turnverein Waldshut feiert am Samstag, 30. November, in der Hochrhein Sporthalle Waldshut sein 175-jähriges Bestehen. 15 bis 17.30 Uhr: Ausprobieren der Kernsportarten des Turnvereins, Turnen, Fechten und Badminton; 18 bis 20 Uhr: Vorführungen im Gerätturnen und Fechten sowie einer Rhönrad-Gastgruppe; ab 20 Uhr: Barbetrieb mit Musik. Um Anmeldung für die Abendveranstaltung ab 18 Uhr wird gebeten per E-Mail an 175@tv-waldshut.de oder über die Internetseite www.tv-waldshut.de.