Man hat ihn in eine Linie mit Roland Freisler, dem fanatischen Nazi-Richter am sogenannten Volksgerichtshof, gestellt. Er galt als Blutrichter, gefährlicher Denunziant und übelste Erscheinung in der badischen Justiz. Die Rede ist von Oskar Schmoll, der von Juni 1942 bis April 1945 Präsident des Landgerichts Waldshut und Mitglied eines Sondergerichts in Freiburg war.
An mindestens vier Todesurteilen beteiligt
Auch am Hochrhein zog dieser in jenen drei dunklen Jahren eine blutige Spur hinter sich her. In Waldshut war Schmoll an der Verhängung von mindestens vier Todesurteilen führend beteiligt. Das Verfahren gegen den am 25. Juli 1944 hingerichteten Waldshuter Metzgermeister Eugen Mülhaupt bildete seinen wohl spektakulärsten Fall. Mülhaupt und drei andere waren wegen „Verbrechen gegen die Kriegswirtschaftsverordnung“ angeklagt, weil sie 35 Tonnen Fleisch entzogen haben sollen. Aber nur Mülhaupt wurde am 28. April 1944 zum Tode verurteilt und am 25. Juli 1944 in Bruchsal hingerichtet.
Die badische Justiz von 1933 bis 1945
Mülhaupts Schicksal wird im Mittelpunkt des Vortrags von Johannes Daun stehen, Vizepräsident des Landgerichts Waldshut-Tiengen. Das Thema ist die badische Justiz in der Zeit von 1933 bis 1945, mit dem besonderen Fokus auf die Region Hochrhein. Als Daun 1995 als junger Jurist ans Waldshuter Landgericht kam, hatte dieses seine jüngere Vergangenheit noch kaum aufgearbeitet. In der „Ahnengalerie“ war das Porträt Schmolls zwar entfernt. Dafür hing das Konterfei von Ernst Pfeifer aber noch immer dort. Pfeifer, seit 1937 Mitglied der Nazi-Partei, war von 1940 bis 1942 Landgerichtspräsident in Waldshut und damit Schmolls Vorgänger.

Er hat sich hier als Blutrichter zwar keinen Namen gemacht. Das war aber auch nur Zufall. Denn Daun hat für seine Vortragsrecherchen herausgefunden, dass Pfeifer, schon 1939 als Soldat an der Front im Einsatz, trotz seines Amtes wohl nie in Waldshut gewesen ist. Daun hat entsetzt, dass auch Pfeifer in der NS-Zeit als mustergültig galt. „Die Nazis hielten so viel von dem, dass sie sich ihn auch für höhergestellte Tätigkeiten im Reich vorstellen konnten“, sagt er.
Amtsgerichtsrat Ehret trat den Nazis entgegen
„Von 300 im Jahr 1933 in Baden tätigen Richtern waren nur etwa zehn Mitglieder der NSDAP“, weiß Daun. Der große Rest war unpolitisch oder politisch dem katholischen Zentrum oder anderen Rechtsparteien verbunden. Doch auch von ihnen sei gegen die Entfernung und Verfolgung jüdischer Juristen in Baden, mit die ersten NS-Opfer in Deutschland, kein Widerspruch ergangen. So spricht Daun auch von einem „Versagen“ seiner Standeskollegen für die Zeit von 1933 bis 1945. Als einer der wenigen Gegenbeispiele nennt er den St. Blasier Amtsgerichtsrat Wilhelm Ehret, der den Nazis im Kurort mutig entgegentrat und dafür berufliche Nachteile, Anfeindungen und Diffamierungen auf sich nahm.
„Schutzhaft“ auch nach Verbüßung einer Strafe
Daun wird in seinem Vortrag erzählen, wie die vor 1933 unabhängige Justiz zum Bestandteil des NS-Unrechtssystems wurde. Wie elementare Bestandteile eines fairen Verfahrens nicht länger galten. Wie Menschen auch noch nach einem Freispruch – so selten das auch passiert sein mochte – oder nach Verbüßung einer Haftstrafe, noch willkürlich weiter in sogenannter „Schutzhaft“ verblieben, ins KZ gekommen sind oder gar heimtückisch ermordet wurden.
Daun wird im Vortrag auch die Zeit nach 1945 streifen. Wie die während der Diktatur tätigen Richter auf die NS-Zeit zurückblickten und ihr eigenes Tun darin verarbeiteten und rechtfertigten. Wie Unrechtsbewusstsein und Selbstkritik weitgehend unterblieben. Wie selbst einer wie Schmoll sich als unschuldig reinzuwaschen versuchte. Dieser ist dann zwar sämtlicher Pensionsansprüche verlustig gegangen. Was aber nach 1945 wohl eher die Ausnahme gebildet haben dürfte.