„Kleine Beträge nehme ich auch und große erst recht“ – nach diesem Wahlspruch war am Samstag mehr als eine Stunde lang ein prominenter „Bettler“ in Tiengens Fußgängerzone unterwegs. Kein Geringerer als Oberbürgermeister Philipp Frank bat so um Spenden zur Aufbesserung der städtischen Finanzen.

In einem notdürftig auf menschliche Maße zugeschnittenen Kartoffelsack – das Werk seiner Frau – schüttelte er eine große Sammelbüchse. Er zeigte dabei keine Zurückhaltung. Nicht nur Menschen auf der Straße haute der OB für städtische Großprojekte wie Schwimmbäder und Klettgau-Carree an, auch in den Geschäften und Cafés war niemand vor ihm sicher.
Das Spektakel war ein närrischer Nachklang des Narrengerichts der Bürger- und Narrenzunft Tiengen. Es hatte an der vergangenen Fasnacht Oberbürgermeister Frank wegen unzählbarer Missetaten verurteilt.

Den ersten Teil der Strafe, das Füllen der Mägen von Henkern und Narrengericht, hat der Oberbürgermeister schon vor einiger Zeit erfüllt. Mit dem Bettelgang durch Tiengen hat er jetzt den zweiten Teil der Strafe auf sich genommen. Wie Narrenrichter Klaus-Dieter Ritz erinnerte, büßte er für „die Verschwendung öffentlicher Mittel versus privater Lebensführung nach dem Motto ‚Wasser predigen und Glühwein trinken’“. Eine größere Gruppe, vor allem Mitglieder der Zunft und seine Familie, begleiteten den „Bettler“ Philipp Frank auf seiner Tour.


Der Bettelgang machte allen Beteiligten sichtlich Spaß, er begann mit Glühwein und endete mit Glühwein. Dazwischen füllte sich die Sammelbüchse des Oberbürgermeisters, bis sie schließlich mehr als ein Kilogramm wog. Mit Kraft und geeigneten Werkzeugen wurde sie beim Wagner aufgebrochen und die Summe von rund 200 Euro gezählt. Die Volksbank verdoppelte die Summe, sodass der Stadtsäckel jetzt um 400 Euro voller ist. Das Geld wird von der Stadt ganz regulär als Spende verbucht und kommt, auf Vorschlag von Oberbürgermeister Frank, der Jugend-arbeit in Waldshut-Tiengen zugute. Es wird nicht, wie auch vorgeschlagen wurde, für einen Quadratzentimeter „Edelstahlschwimmbecken“ verwendet.

Frank bekam viel Lob für seine kurzzeitige Betteltätigkeit. „Gut siehst du aus“, sagte ein Geschäftsmann, bevor er einen Schein in die Sammelbüchse steckte. Und da er seine Strafe so willig, engagiert und finanziell so erfolgreich auf sich genommen hatte, blieb auch der Wunsch nach Wiederholungen nicht aus. Jeden Samstag, hieß es, sollte der Oberbürgermeister zukünftig für die städtische Kasse betteln gehen und das nächste Mal in Waldshut.

Das Narrengericht
Das Narrengericht zu Tiengen geht auf ein historisch verbürgtes Ereignis zurück: Im Jahr 1503 erlaubte es Kaiser Maximilian I den Narren, während der Fasnacht straffrei über die Obrigkeit „herzuziehen“. Das aus dem Jahr 1715 stammende Narrenbrett der Bürger- und Narrenzunft 1503 Tiengen verweist auf dieses Ereignis.
Die Angeklagten
- Nikola Kögel (Buchhändlerin und Mitglied der Aktionsgemeinschaft Tiengen, 2017)
- Martin Gruner (ehemaliger Bürgermeister, 2016). Felix Schreiner (CDU-Politiker, 2015)
- Christa Bader (Aktionsgemeinschaft Tiengen, 2014)
- Bobby Wagner (Getränkehändler und Surianer, 2013)
- Joachim Mei (Volksbank-Chef, 2012)
- Rainer Stockburger (ehemaliger evangelischer Pfarrer, 2011)
- Thomas Schäuble (ehemaliger Rothaus-Geschäftsführer, 2010)
- Klaus Danner (ehemaliger Chef der Waldshut-Tiengener Polizei, 2009)
- Hartmut Schölch (ehemaliger Leiter des städ-tischen Kulturamtes, 2008)