Herr Gruner, zunächst herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl zum neuen Oberbürgermeister von Waldshut-Tiengen. Wie sehr hat dieses deutliche Ergebnis Sie überrascht?
Sehr. Ich habe mir zwar gute Chancen ausgerechnet, aber bis zum Ende nicht gewusst, ob es reicht. Ich habe erwartet, dass wir viel enger bei einander liegen würden.
Aber das Problem ist eben, dass man während des Wahlkampfs immer in seiner eigenen Blase lebt. Man bekommt in der Regel nur die Sicht der eigenen Unterstützer und derjenigen zu hören, die einen favorisieren, aber kaum etwas von der Gegenseite. Allerdings freue ich mich sehr. Es ist ein klares Ergebnis und eine gute Basis, auf der ich aufbauen kann.
Was würden Sie als ausschlaggebend für den Erfolg sehen?
Vor allem denke ich, haben die Bürger bei den Podiumsdiskussionen gesehen, dass Dr. Frank und ich zwei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten sind, die sehr unterschiedliche Ansätze haben, mit Projekten und auch Problemen umzugehen. Das ist bei diesen Auftritten sehr deutlich zum Ausdruck gekommen.
Wie haben Sie den Wahlabend denn persönlich erlebt?
Es war ein geradezu surreales Erlebnis. Nahezu ein dreiviertel Jahr haben wir auf ein Ergebnis hingearbeitet, das schlagartig da war. Dazu wurde ich von vielen neuen Eindrücken überwältigt, gleichzeitig kam ich mir wie ein Schwimmer vor, der von der großen Menschenmenge getragen wird, die sich da versammelt hatte. Es ist sehr schwer zu beschreiben.
Macht es den Erfolg noch besonderer, wenn man als Kandidat den Amtsinhaber bezwingt?
Nein, denn meine Bewerbung ging nicht gegen Dr. Frank, auch habe ich mich nie durch unseren Konflikt leiten lassen. Das habe ich auch von Anfang an deutlich gemacht. Ich bin für die Stadt angetreten.
Alles andere als ein Ruhmesblatt war unterdessen die Wahlbeteiligung, die angesichts der Konstellation mit 43 Prozent extrem gering ausgefallen ist. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Leider ist das eine Tendenz, die wir ja überall feststellen. Es herrscht eine große Politikverdrossenheit, auch haben die Bürger teilweise Mühe, Zuständigkeiten zuzuordnen, was zu Frust führt.
All das schlägt sich leider in der Wahlbeteiligung nieder. Ich halte es für wichtig, unser Staatssystem und das Wahlrecht hochzuhalten, denn es gibt genügend Länder, in denen die Bedingungen wesentlich schlechter sind, weil es keine Demokratie gibt.
Es liegen natürlich anstrengende Monate des Wahlkampfes hinter Ihnen. Es ging dabei stellenweise ganz schön zur Sache. Was bleibt Ihnen besonders in Erinnerung?
Für mich war es ja der erste Wahlkampf, den ich bestritten habe, daher war für mich sehr viel neu und ich habe viel dazu gelernt. Zum Beispiel hatte ich eine sehr heterogene Unterstützergruppe, die sehr vielfältigen Input eingebracht hat.
Das hat natürlich auch erfordert, Blickwinkel zu ändern. Ich habe gesehen, dass die Gemeinderatsfraktionen sehr gut harmonieren, wenn sie ein gemeinsames Ziel verfolgen. Ich habe auch gestaunt, wie viele Leute sich spontan eingeklinkt und kreative Lösungen mitgebracht haben. Das hätte ich nicht erwartet.
Unterm Strich habe ich meinen Wahlkampf aber so geführt, wie ich ihn wollte. Mir ging es darum, dass die Leute mich kennenlernen, so wie ich bin. Und ich versuche, das so fortzusetzen.
Nach dem Kraftakt des Wahlkampfs steht der nächste Umbruch für Sie und auch Ihre Familie ins Haus. Wie sehen die nächsten Monate für Sie aus?
Ich weiß inzwischen, dass mein erster Arbeitstag als Oberbürgermeister von Waldshut-Tiengen am 20. Oktober sein wird. Das gibt mir noch eine gewisse Vorlaufzeit.
Zunächst habe ich Weil am Rhein noch einiges zu tun, um einen geordneten Übergang zu gewährleisten. Zum Glück haben meine Ämter die Lage gut im Griff, sodass eine gewisse Konstanz gewährleistet ist.
Meine Familie und ich werden nach der kraftraubenden Zeit erst einmal die Gelegenheit nutzen, etwas Luft zu holen. Danach werde ich auch versuchen, möglichst bald mit den Amtsleitern in der Waldshut-Tiengener Stadtverwaltung in Kontakt zu treten, insbesondere mit der Beigeordneten Petra Dorfmeister. Schließlich geht es allmählich schon wieder in die Haushaltsplanung für das nächste Jahr über. Da kann ich nicht bis Oktober warten, um mir Einblicke zu verschaffen.
Wird es auch einen Austausch mit Philipp Frank geben?
Wir werden sehen, was sich ergibt. Ich gehe davon aus, dass eine ordentliche Übergabe erfolgen wird.
Wie hat denn eigentlich die Stadtverwaltung in Weil am Rhein auf Ihren Wahlerfolg reagiert?
Es waren am Wahlabend sogar Vertreter aus Weil da, auch in Interviews haben sich einige Kollegen zu meinem Weggang geäußert. Das hat mich sehr bewegt, denn es kam viel Wertschätzung zum Ausdruck.

Welche Aufgabe werden Sie als erstes angehen, wenn Sie in Ihrem Amt angekommen sind?
Ich gehe davon aus, dass ein Großteil meiner Arbeit am Anfang zu einem wesentlichen Teil aus Zuhören und kennenlernen bestehen wird. Mir geht es darum, Gräben zuzuschütten, die während des Wahlkampfs entstanden sind.
Ich möchte auch den Gemeinderat wieder stärken, der für eine Stadt eine wichtige Funktion hat und mit der Verwaltung gut und konstruktiv zusammenarbeiten muss. Das Wichtigste sind aus meiner Sicht die Mitarbeiter, denn das ist für eine Verwaltung das höchste Gut. Ich möchte die Leute kennenlernen, die Strukturen und die Veränderungen der vergangenen Jahre.
Dann brauche ich einen generellen Überblick, wo wir stehen und was geplant ist, welche Investitionen geplant sind und wie wir private Investitionsvorhaben zum Laufen bekommen. Auch das Zusammenspiel mit dem Landkreis und den Nachbargemeinden gilt es zu verbessern. Ich habe also einiges vor, und das ist noch längst keine abgeschlossene Liste.