Wer weiß eigentlich, dass eine Firma aus Waldshut-Tiengen ehemals Hauptsponsor eines Formel-1-Rennwagenteams war? Diese Episode zählt zu den Besonderheiten in der Firmengeschichte der Zigarrenfabrik Villiger. Aktuell kommt noch eine Auffälligkeit hinzu: Im Monat April sind es genau 111 Jahre her, dass mit dem Bau der Niederlassung in der Klettgaustadt begonnen wurde.

Entlang der Schwarzenbergstraße, gegenüber der evangelischen Christuskirche, steht in Tiengen der Gebäudekomplex der ...
Entlang der Schwarzenbergstraße, gegenüber der evangelischen Christuskirche, steht in Tiengen der Gebäudekomplex der Villiger-Zigarrenfabrik. | Bild: Villiger Söhne Gmbh

Im Jahr 1888, so steht es in der Firmenchronik, hatte Jean Villiger im schweizerischen Pfeffikon in seinem Wohnhaus eine Zigarrenmanufaktur eingerichtet. Noch heute ist das rund 725 Einwohner zählende Dorf bei Luzern offizieller Sitz des Unternehmens. Die Geschäfte des Konzerns werden jedoch durch den Verwaltungsrats-Vorsitzenden und Alleininhaber Heinrich Villiger, Enkel des Firmengründers, von Tiengen aus geführt. Der „Zigarrenpatron“ (Schweizerische Handelszeitung) hat seinen Wohnsitz in der schweizerischen Nachbarschaft von Waldshut-Tiengen und ist auch im hohen Alter von 90 Jahren noch im operativen Geschäft tätig.

Heinrich Villiger ist Verwaltungsrats-Vorsitzender und Alleininhaber des Tabakunternehmens Villiger.
Heinrich Villiger ist Verwaltungsrats-Vorsitzender und Alleininhaber des Tabakunternehmens Villiger. | Bild: Fifth Avenue Products
Gründerin des Zigarrenwerks in Tiengen war im Jahr 1910 Louise Villiger, Witwe des schweizerischen Tabakfabrikanten Jean Villiger.
Gründerin des Zigarrenwerks in Tiengen war im Jahr 1910 Louise Villiger, Witwe des schweizerischen Tabakfabrikanten Jean Villiger. | Bild: Villiger Söhne Gmbh

Nach dem frühen Tod des Firmengründers Jean Villiger im Jahr 1902 führte dessen Ehefrau Louise Villiger die Zigarrenmanufaktur weiter. Auch grenzüberschreitend florierte der Vertrieb der populären Stumpen. Als das Geschäft jedoch wegen Zollgebühren auf badischer Seite unrentabel zu werden drohte, reagierte die Unternehmerin nach dem gleichen Muster, wie heute internationale Konzerne Abgaben reduzieren oder vermeiden: Im Jahr 1910 gründete sie im Ausfuhrgebiet eine Niederlassung. Als Standort wurde Tiengen ausgewählt.

Vor 111 Jahren wurde an der Schwarzenbergstraße in Tiengen das erste Villiger-Gebäude errichtet. Diese Aufnahme entstand um das Jahr 1915.
Vor 111 Jahren wurde an der Schwarzenbergstraße in Tiengen das erste Villiger-Gebäude errichtet. Diese Aufnahme entstand um das Jahr 1915. | Bild: Villiger Söhne Gmbh

Villiger-Pressesprecher Michael Blumendeller berichtet: „Laut unseren Unterlagen ist Frau Louise Villiger Anfang 1910 von Pfeffikon nach Tiengen gereist, um dann über den damaligen Bürgermeister ein passendes Grundstück zu erwerben. Das hat wohl auch kurzfristig funktioniert, und im April 1910 begannen dann wohl die Bauarbeiten.“ Im Oktober darauf sollen dann in Tiengen die ersten Villiger-Zigarren gerollt worden sein, damals noch in reiner Handarbeit.

Von Hand gefertigt wurden einst die Zigarren in der Tiengener Villiger-Fabrik, hier ein Foto aus den 1920er Jahren. Heute sieht man ...
Von Hand gefertigt wurden einst die Zigarren in der Tiengener Villiger-Fabrik, hier ein Foto aus den 1920er Jahren. Heute sieht man solche Manufaktur-Säle nur noch in Ländern wie Kuba, wo handgerollte Habanos als Premium-Produkte entstehen. | Bild: Villiger Söhne Gmbh
Maschinell produziert, kommen die Zigarren heute fertig verpackt aus den Spezialmaschinen im Villiger-Werk an der Schwarzenbergstraße in ...
Maschinell produziert, kommen die Zigarren heute fertig verpackt aus den Spezialmaschinen im Villiger-Werk an der Schwarzenbergstraße in Tiengen. | Bild: Villiger Söhne Gmbh

Zu den Besonderheiten in der Firmengeschichte zählt das Engagement in der Formel 1. Villiger war nach Unternehmensangaben als einziger Zigarrenhersteller weltweit ab 1976 Hauptsponsor in der Oberliga der Rennwagen, die bis zu dem später durchgesetzten Tabakwerbeverbot sonst häufig mit Zigarettenreklame auf die Strecke gingen. Aufschriften wie „Tabatip“ und „Villiger-Kiel“ waren für mehrere Jahre auf den Boliden des Shadow-Teams zu lesen, die von Fahrerlegenden wie Clay Regazzoni, Tom Pryce, Hans-Joachim Stuck und dem späteren Weltmeister Alan Jones gesteuert wurden. Der Australier saß 1977 am Steuer, als mit dem Sieg beim Großen Preis von Österreich nicht nur der größte Erfolg des Villiger-Rennsportkapitels, sondern auch des Shadow-Teams gefeiert werden konnte.

Wie schnell sind wir? Ab 1976 war die Zigarrenfabrik Villiger mehrere Jahre in der Formel 1 Hauptsponsor des Shadow-Rennwagenteams. ...
Wie schnell sind wir? Ab 1976 war die Zigarrenfabrik Villiger mehrere Jahre in der Formel 1 Hauptsponsor des Shadow-Rennwagenteams. Diese Aufnahme zeigt Firmenchef Heinrich Villiger (rechts) mit Shadow-Teamchef und Ex-Rennfahrer Jackie Oliver bei der Zeitnahme. Bild: Villiger Söhne GmbH | Bild: Villiger Söhne Gmbh

Mit reiner Muskelkraft betrieben wurden wiederum andere Vehikel, die in der Unternehmenschronik ebenfalls eine Rolle spielten: Zeitweise wurden unter dem Markennamen Villiger nicht nur Zigarren und Zigarillos, sondern auch Sportfahrräder hergestellt.

Heute beschränkt sich das Portfolio wieder auf Tabakprodukte. Während in dem Fabrikgebäude in Tiengen und in den anderen europäischen Werken maschinelle Erzeugnisse entstehen, lässt das Unternehmen seine handgerollten Premium-Zigarren in Übersee-Manufakturen herstellen. Eine spezielle Rolle spielen dabei die Habanos. Zum exklusiven Import der Zigarren von der Karibik-Insel hat Heinrich Villiger im Jahr 1989 das deutsch-kubanische Gemeinschaftsunternehmen Fifth Avenue Products gegründet, das ebenfalls seinen Sitz an der Schwarzenbergstraße in Tiengen hat.

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Die Corona-Pandemie hat dem Villiger-Konzern bislang nicht geschadet, laut aktuellen Geschäftsberichten kann sogar ein Zuwachs bei Umsätzen und Absätzen verzeichnet werden. Die Fifth Avenue Products erklärt ihr Plus auch damit, dass Tabakfreunde dank Arbeit im Homeoffice mehr Zigarren rauchen können.