Wer weiß eigentlich, dass eine Firma aus Waldshut-Tiengen ehemals Hauptsponsor eines Formel-1-Rennwagenteams war? Diese Episode zählt zu den Besonderheiten in der Firmengeschichte der Zigarrenfabrik Villiger. Aktuell kommt noch eine Auffälligkeit hinzu: Im Monat April sind es genau 111 Jahre her, dass mit dem Bau der Niederlassung in der Klettgaustadt begonnen wurde.

Im Jahr 1888, so steht es in der Firmenchronik, hatte Jean Villiger im schweizerischen Pfeffikon in seinem Wohnhaus eine Zigarrenmanufaktur eingerichtet. Noch heute ist das rund 725 Einwohner zählende Dorf bei Luzern offizieller Sitz des Unternehmens. Die Geschäfte des Konzerns werden jedoch durch den Verwaltungsrats-Vorsitzenden und Alleininhaber Heinrich Villiger, Enkel des Firmengründers, von Tiengen aus geführt. Der „Zigarrenpatron“ (Schweizerische Handelszeitung) hat seinen Wohnsitz in der schweizerischen Nachbarschaft von Waldshut-Tiengen und ist auch im hohen Alter von 90 Jahren noch im operativen Geschäft tätig.


Nach dem frühen Tod des Firmengründers Jean Villiger im Jahr 1902 führte dessen Ehefrau Louise Villiger die Zigarrenmanufaktur weiter. Auch grenzüberschreitend florierte der Vertrieb der populären Stumpen. Als das Geschäft jedoch wegen Zollgebühren auf badischer Seite unrentabel zu werden drohte, reagierte die Unternehmerin nach dem gleichen Muster, wie heute internationale Konzerne Abgaben reduzieren oder vermeiden: Im Jahr 1910 gründete sie im Ausfuhrgebiet eine Niederlassung. Als Standort wurde Tiengen ausgewählt.

Villiger-Pressesprecher Michael Blumendeller berichtet: „Laut unseren Unterlagen ist Frau Louise Villiger Anfang 1910 von Pfeffikon nach Tiengen gereist, um dann über den damaligen Bürgermeister ein passendes Grundstück zu erwerben. Das hat wohl auch kurzfristig funktioniert, und im April 1910 begannen dann wohl die Bauarbeiten.“ Im Oktober darauf sollen dann in Tiengen die ersten Villiger-Zigarren gerollt worden sein, damals noch in reiner Handarbeit.


Zu den Besonderheiten in der Firmengeschichte zählt das Engagement in der Formel 1. Villiger war nach Unternehmensangaben als einziger Zigarrenhersteller weltweit ab 1976 Hauptsponsor in der Oberliga der Rennwagen, die bis zu dem später durchgesetzten Tabakwerbeverbot sonst häufig mit Zigarettenreklame auf die Strecke gingen. Aufschriften wie „Tabatip“ und „Villiger-Kiel“ waren für mehrere Jahre auf den Boliden des Shadow-Teams zu lesen, die von Fahrerlegenden wie Clay Regazzoni, Tom Pryce, Hans-Joachim Stuck und dem späteren Weltmeister Alan Jones gesteuert wurden. Der Australier saß 1977 am Steuer, als mit dem Sieg beim Großen Preis von Österreich nicht nur der größte Erfolg des Villiger-Rennsportkapitels, sondern auch des Shadow-Teams gefeiert werden konnte.

Mit reiner Muskelkraft betrieben wurden wiederum andere Vehikel, die in der Unternehmenschronik ebenfalls eine Rolle spielten: Zeitweise wurden unter dem Markennamen Villiger nicht nur Zigarren und Zigarillos, sondern auch Sportfahrräder hergestellt.
Heute beschränkt sich das Portfolio wieder auf Tabakprodukte. Während in dem Fabrikgebäude in Tiengen und in den anderen europäischen Werken maschinelle Erzeugnisse entstehen, lässt das Unternehmen seine handgerollten Premium-Zigarren in Übersee-Manufakturen herstellen. Eine spezielle Rolle spielen dabei die Habanos. Zum exklusiven Import der Zigarren von der Karibik-Insel hat Heinrich Villiger im Jahr 1989 das deutsch-kubanische Gemeinschaftsunternehmen Fifth Avenue Products gegründet, das ebenfalls seinen Sitz an der Schwarzenbergstraße in Tiengen hat.
Die Corona-Pandemie hat dem Villiger-Konzern bislang nicht geschadet, laut aktuellen Geschäftsberichten kann sogar ein Zuwachs bei Umsätzen und Absätzen verzeichnet werden. Die Fifth Avenue Products erklärt ihr Plus auch damit, dass Tabakfreunde dank Arbeit im Homeoffice mehr Zigarren rauchen können.