Die vor 4000 Jahren entstandene Badekultur der Ägypter, Griechen und Römer sowie die Blütezeit der europäischen Badehäuser des 13. Jahrhunderts waren längt Geschichte, als bei uns im Jahr 1900 die ersten Badezimmer mit Wanne und Waschtisch eingerichtet wurden. Leisten konnten sich das nur die Reichen. Auf die übrige Bevölkerung wartete am Samstag der Zuber in der Küche, gefüllt mit dem auf dem Herd im Suppentopf erhitzten Wasser. Eine Füllung musste für die ganze Familie reichen. Volkstauglich wurden Badezimmer in Deutschland erst ab den 1950er Jahren. Bis es zur eigenen Badewanne reichte, ging Familie Mustermann auch in Waldshut mit Seife und Handtuch ins „Städtische Wannen- und Brausebad“, auch „Volksbad“ genannt.

So sah es in den Nasszellen der 1950er Jahre aus. Der Wasserboiler stand auf einer mit Holz oder Kohle betriebenen Feuerstelle, die ...
So sah es in den Nasszellen der 1950er Jahre aus. Der Wasserboiler stand auf einer mit Holz oder Kohle betriebenen Feuerstelle, die Wanne daneben. | Bild: stock.adobe.com

Im 19. Jahrhundert setzte in Europa ein Umdenken in Sachen Hygiene ein, die vorher weitgehend vernachlässigt worden war. Da der Großteil der Bevölkerung jedoch keinen Zugang zu fließendem Wasser hatte, von Badeeinrichtungen ganz zu schweigen, setzten sich Mediziner dafür ein, öffentliche Badeanstalten einzurichten. 1842 wurde in Liverpool die erste öffentliche Wasch- und Badeanstalt für Arbeiter eingerichtet, weitere Städte in England folgten. Das erste deutsche Volksbad entstand 1855 in Hamburg. Den öffentlichen Durchbruch, was die Akzeptanz solcher Einrichtungen angeht, schaffte ein Berliner Dermatologe, der 1874 den Berliner Verein für Volksbäder unter dem Motto gründete: „Jedem Deutschen wöchentlich ein Bad.“

Einladend sieht dieses Badezimmer von heute aus.
Einladend sieht dieses Badezimmer von heute aus. | Bild: Wilm Ihlenfeld

Dieser Ruf wurde schließlich auch in Waldshut gehört. In der 1908 eingeweihten Volksschule auf dem Johannisplatz wurde im Erdgeschoss auf der Ostseite des Gebäudes im Jahr 1927 das Städtische Volksbad eingerichtet, sieben Kabinen mit Badewannnen sowie mehrere Duschen (damals Brausen genannt). Die Badezeit für ein Wannenbad betrug 30 Minuten, für die Dusche 15 Minuten. Ein Wannenbad kostete 60 Pfennig, ein Brausebad 40 Pfennig. Öffnungszeiten waren für Männer Donnerstag und Samstag 9 bis 12 und 13 bis 20 Uhr, für Frauen Mittwoch und Freitag 9 bis 12 und 13 bis 20 Uhr.

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Es gab auch „Schülerbrausen“, deren Bedienung dem jeweiligen Klassenlehrer oblag. „Anstoß erregende Personen sind von der Benützung der Badeanlage ausgeschlossen“, hieß es unter anderem in der Badeordnung. „Nach einer umfangreichen Reparatur konnte das städtische Volksbad im Erdgeschoss der Volksschule auf dem Johannisplatz wieder genutzt werden“, informierte der Alb-Bote am 5. Februar 1951. Es wurde ein dritter Wasserboiler mit einem Fassungsvermögen von 2000 Liter eingebaut, wie auch einer der Kohleöfen durch einen neuen ersetzt wurde. „Damit ist gewährleistet“, so der Alb-Bote, „dass nunmehr genügend erwärmtes Wasser auch bei Hochbetrieb zur Verfügung steht.“

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In den 1950er Jahren wurde das Volksbad von jährlich 24.000 Personen besucht, von denen die meisten ein Bad in der Wanne nahmen. In den Stoßzeiten des Badebetriebs kam es immer wieder zu Wartezeiten, die die Badbesucher in einem „unansehnlichen Warteraum“, wie der Alb-Bote kritisierte, verbringen mussten. Die Badezeiten wurden im Lauf der Jahre immer weiter verkürzt. 1960 erfolgte zum Beispiel eine solche Kürzung; es gab ohnehin nur noch drei Öffnungstage, nun hatten die Frauen am Freitag eine Stunde weniger Zeit (8 bis 19 statt 20 Uhr), die Männer am Samstag gar zwei (8 bis 18 statt 20 Uhr). Donnerstag war „allgemein“ geöffnet (10 bis 12 und 13.30 bis 17 Uhr), der Rest der Woche war geschlossen.

Wöchentlich 180 Badegäste

„Das städtische Volksbad zählt zur Zeit wöchentlich etwa 180 Badegäste, in der Mehrzahl Männer“, berichtete der Alb-Bote am 12. Januar 1962. „Beinahe 40 Besucher kommen auch mehrmals in der Woche zum Duschen. Angesichts dieser Zahlen war es nur zu notwendig, die Räume des Bades zu modernisieren und freundlicher zu gestalten. Der langjährige Bademeister Karl Küpfer äußerte damals den Wunsch, „dass auch der lange, dunkle Flur vor den Baderäumen ein wenig freundlicher wird“.

Energiekrise verkürzt Badezeiten

Wegen der Energiekrise hatte das Bad im Dezember 1973 nur noch am Samstag auf (Männer 8 bis 12.30 Uhr, Frauen 12.30 bis 17 Uhr). Kurzzeitig wurde wieder der Freitag für Frauen freigegeben (Samstag dafür für Männer), aber ab 1975 war endgültig nur noch der Samstag Badetag. Das letzte Betriebsjahr des Volksbads begann 1980 mit Samstag-Badezeiten 9 bis 12 für Frauen und 12 bis 15.30 Uhr für Männer. Das Bad in der Wanne kostete zuletzt eine Mark, die Dusche 50 Pfennig. Die durchschnittlich 35 Benutzer jeden Samstag waren zu einem Drittel Gastarbeiter, der Rest meist Seniorinnen und Senioren, die auf ihre alten Tage sich kein eigenes Bad mehr anschaffen wollten.

Das Aus für die in Sachen Volkshygiene nicht mehr so wichtige Einrichtung wie einst kam im Jahr 1981. Die Hansjakob-Schule, damals noch Grund- und Hauptschule, benötigte für die Hauptschüler neue Werkräume. Dazu eigneten sich die Räume des Volksbads. Dessen Einrichtungen wurden entfernt, die Werkräume bis 1982 eingerichtet, das Volksbad war Geschichte.

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Nicht nur in der Kreisstadt Waldshut existierte ein öffentliches Volksbad, sondern auch in der einen und anderen Kreisgemeinde. So etwa in Unterlauchringen, dessen Wannenbad im Schulhaus eingerichtet war und das damals durchschnittlich von etwa 140 Personen monatlich besucht wurde.

Im Mai 1951 wurde es, wie der Alb-Bote mitteilte, wegen Kohlenmangel vorübergehend geschlossen. Der geschrumpfte Kohlenvorrat reichte gerade aus, die Schulräume zu heizen. „Beim Eintreffen neuer Kohlen wird der Badebetrieb wieder aufgenommen“, hieß es.