Wehr „Was stellen Sie sich unter einem Urwald vor?“ Das hat Wehrs Stadtförsterin Swantje Schaubhut am Wanderparkplatz Waldberg zwischen Wehr und Bergalingen rund 40 Personen gefragt, die sich bei einer Wanderung über die nachhaltige Waldnutzung informierten. Das waren deutlich mehr Teilnehmer, als sie und Dieter Walz, der Vorsitzende des Förderkreises des Stadtmuseums Wehr, erwartet hatten. Schaubhut gab auf der rund fünf Kilometer langen Runde immer wieder Einblicke in die Pflege und wirtschaftliche Nutzung des Walds.
Scheinbar unaufgeräumt präsentierte sich der Wald beim ersten Halt. Swantje Schaubhut deutete auf eine wenig einladende Fläche talwärts. Hier oben hatten die Laubbäume noch nicht ausgetrieben. Zahlreiche vertrocknete Buchen habe man absägen müssen. „Hier entsteht der Dünger für den Wald“, sagte sie und deutete auf den Haufen Äste, der liegengelassen wurde. Darunter würde es nicht so heiß, dafür aber feuchter bleiben – ein Aspekt, der in dieser Südwest-Hanglage noch mehrmals Thema war.
Die Baumstämme am Wegesrand werden nicht, wie ein Großteil des geschlagenen Holzes, in der Region, sondern in einem Sägewerk in Mitteldeutschland verarbeitet. „Aus den Bäumen, die wir im März oberhalb der L155 aus Sicherheitsgründen gefällt haben, werden Strommasten in Irland“, erklärte die Försterin. Einzelne Buchen und Eschen aus dem Wehrer Wald würden bis nach China exportiert.
Einige Minuten später der nächste Halt: Eine Wildkirsche blühte zwischen jungen Buchen, Douglasien und Esskastanien. Letztere seien an diesem Hang, der in den nächsten Jahren noch einen fantastischen Ausblick bis zu den Alpen bietet, ein Experiment auf dem Weg zum klimaresistenten Wald, so Schaubhut. Buchen, so schilderte sie, seien im Wehrer Stadtwald in ihrem „Optimum“, wie es forsttechnisch heißt – im Klartext: Perfekte Lebensbedingungen mit Blick auf Bodenbeschaffenheit, Wasserversorgung, Standort, Licht und – vorerst wohl auch – Temperaturen. Das sei gut für die Natur und für jene, die mit Holz heizen. So zeigte sich dank Schaubhuts Erklärungen, wie im Stadtwald die unterschiedlichen Interessen aus Ökologie, Naherholung und Waldwirtschaft permanent austariert werden.
„Wäre das hier ein Urwald?“, fragte Schaubhut auf dem Pirschweg. Ratlose Blicke wurden in eine Monokultur aus Buchen geworfen, in einen aufgeräumt aussehenden Wald mit einer durchgehenden braunen Laubschicht am Boden und wenig herumliegenden Ästen – also das Gegenteil dessen, was man sich unter einem heimischen Urwald vorstellt. „So könnte ein Buchenurwald aussehen“, erklärte Schaubhut und ging auf die Waldbeschaffenheit, die Dominanz der Buche, die Bedeutung der Laubschicht und den Lichteinfall ein, aus dem die Buchen ganz natürlich zur dominierenden Art auf dieser Hangfläche würden.
Die Trockenheit der vergangenen Wochen machte sich auch in den Fragen bemerkbar – nicht wenige drehen sich um Waldbrände, die Klimaresistenz von Buchen oder Douglasien und die Zukunft der Fichte, als es vorbei am Klingenfelsen zurück zum Ausgangspunkt ging.