Seit die Bagger auf dem Brennet-Areal zügig den Abbruch erledigen, sieht man am kleinen Parkplatz neben dem 2007 von Stephan Denk im alten Stil neuerbauten „Angestelltenhaus“ viele Zaungäste. Unter ihnen auch ehemalige MBBler. Sie tauschen Erinnerungen aus und schauen traurig zu, wie ihre „Betriebsheimat“, so nannte man das einst, Stein für Stein abgetragen wird.

Da ist auch Günter Kramer, früher stellvertretender Leiter des Kulturamts. Fast täglich fotografiert er den Abbruch. Sein Vater war Werkselektriker und die Vorfahren seiner Mutter, die Feulners, kamen um 1890 mit anderen Oberfranken ins Wehratal. „Sie fanden in der MBB Arbeit und wurden fälschlicherweise als Bayern bezeichnet“, sagt Günter Kramer und fotografiert weiter, damit ihm kein Bild entgeht.

Mit den „Bayern“ kennt sich Bruno Müller, in Wehr als Original bekannt, bestens aus. Er wuchs mit ihren Kindern im MBB-Haus Breitmattstraße 70-74 auf. Bereits mit sieben schlüpfte er jeden Freitag um 17 Uhr heimlich durch ein Loch im Zaun, um seiner Mutter beim Putzen der Webstühle zu helfen. Sie hatte kaputte Beine und konnte sich kaum bücken.
Bruno war so flink, dass ihn der Portier Fricker nie erwischte. Mit 14 wurde Müller von seiner Tante auf einem Rüti-Webstuhl angelernt. „Mir brauchte keiner zu sagen, wie der Weberknoten geht“. Mit nunmehr 80 blickt er auf die Trümmer: „Wenn meine Vorfahren das sehen würden, würden sie sich im Grab herumdrehen“.

Müller stammt aus einer MBB-Familie. Schon 1877 hatte sein Opa Eduard mit 12 bei Baumgartner&Cie. angefangen und wurde 1888 von der MBB übernommen. „Alle Müllers waren in der Fabrik, auch die anderen Vorfahren, die Fallers und Diewalds. Die hätten nicht im Traum daran gedacht, dass die MBB einmal abgerissen wird. Altes geht, Neues entsteht“. Trotz dieser Wahrheit zerreißt es den alten Brennetern beim Anblick der Bagger schier die Herzen.

„Mir trieb es Tränen in die Augen, als ich die Reste der Färberei sah“, gesteht der ehemalige Färbereichef Wolfgang Class. 1966 war er als junger Textilingenieur nach Wehr gezogen, weil hier eine der ersten automatischen Färbereien entstand. „Damals kamen scharenweise Textiler aus dem In- und Ausland zur Besichtigung“.

Später hat Class hier mit den Spezialisten des Forschungsverbundes Triatex innovative Färbe-Verfahren entwickelt. „Mir tut es weh, wenn ich die Bagger wie mit Saurierschnäbeln die Treppen zur Färberei wegbeißen sehe. Diese Treppen bin ich über 30 Jahre lang gegangen. Weil es bei uns keine Textilindustrie mehr geben kann, muss das Gelände umgenutzt werden. Das sagt mir die Vernunft, aber trotzdem schmerzt es im Herzen“.