Heute ist Eigeltingen eine der größten Flächengemeinden des Landkreises Konstanz und setzt sich aus sechs Ortsteilen zusammen. Das war aber nicht immer so. Bis vor 50 Jahren waren die einzelnen Ortsteile noch eigenständig und in einigen Fällen war der Zusammenschluss eher eine Zwangshochzeit als eine Liebesheirat. Dennoch kann in diesem Jahr frohen Mutes die goldene Hochzeit gefeiert werden. Ein Blick in die Ortschronik verrät die spannende Geschichte, wie es zur Entstehung der heutigen Gemeinde kam. Denn einige Ortsteile wollten eher zu den Nachbargemeinden gehören – oder sogar zum Kreis Tuttlingen stoßen.
Wer etwas weiter als 50 Jahre zurückblättert, stößt auf eine sehr lange Geschichte: 2014 feierte Eigeltingen als Ort das 1250-jährige Jubiläum. Die älteste schriftliche Erwähnung des Ortes kommt aus einer Schenkungsurkunde des Klosters St. Gallen, welche man noch im dortigen Archiv besichtigen kann. Schon bei diesem Jubiläum feierten die anderen fünf Ortsteile mit. Doch so friedlich und harmonisch, wie es im Jubiläumsjahr zuging, war die Eingemeindung nicht. Und es dauerte lange, bis die Ortsteile zusammengewachsen sind.
Reute machte den ersten Schritt
Die baden-württembergische Gebietsreform in den 1970er-Jahren brachte nicht alle sechs Gemeinden gleichzeitig unter einen Hut. Diese gehörten zuvor dem Landkreis Stockach an, so fährt heute mancher Eigeltinger wieder mit dem Kennzeichen STO. Als erste Gemeinde wurde Reute im Hegau am 1. Januar 1973 eingemeindet. Es folgten am 1. Juli 1974 Honstetten, am 1. Januar 1975 Münchhöf sowie Heudorf im Hegau und am 1. Januar 1977 Rorgenwies.

Dadurch wurden die früher selbstständigen Gemeinden laut baden-württembergischen Gemeindeordnung zu Ortschaften. Das heißt, jede außer Eigeltingen selbst hat einen eigenen Ortschaftsrat und Ortsvorsteher. Die Ortschaften sind die Wohnbezirke, die für die unechte Teilortswahl des gemeinsamen Gemeinderats und dessen Sitzverteilung wichtig sind.
Auch mit Aach und Orsingen wurden Gespräche geführt
Johann Wissler, Eigeltingens damaliger Bürgermeister, arbeitete 1972 mit dem Gemeinderat ein Positionspapier aus. Darin stand, dass Eigeltingen die Voraussetzungen als Kleinzentrum erfülle und in der Zielplanung des Landes sei Eigeltingen bereits als Verwaltungssitz für Münchhöf, Honstetten und Reute vorgesehen. Mit Reute und Münchhöf wurde bereits erfolgreich verhandelt und mit Aach, Orsingen und Honstetten sollten Gespräche geführt werden. Auch wurde in dem Positionspapier bereits erwähnt, dass eine Zuordnung von Heudorf im Hegau und Rorgenwies sich für den Verflechtungsraum anbieten würde.
Nur der Anfang der Eingemeindungen war leicht
Doch es gab auch Widerstand. Reute war der erste Ortsteil und zu klein, um eigenständig zu bleiben. Dort stimmte man 66 zu 20 für die Eingemeindung. Für die anderen war die Auswahl an Nachbargemeinden groß.
Im Osten grenzt die Gemeinde Eigeltingen an Mühlingen und die Stadt Stockach. Dies betrifft vor allem die Höfe und den Ortsteil Homberg-Münchhöf. In Münchhöf gibt es noch bis heute einen gemeinsamen Musikverein mit Raithaslach und einige weitere Verknüpfungen. Auch mit dem im Süden angrenzenden Orsingen-Nenzingen gab und gibt es bis heute Verbindungen, vor allem zwischen Orsingen und Homberg.
Orsingen war gegen eine Eingemeindung. Trotzdem stimmten in einer Wahl 90 Stimmberechtigte für eine Eingemeindung mit Eigeltingen und 72 dagegen bei 14 Enthaltungen. Es kam noch zu einer weiteren Wahl, da Münchhöf laut Empfehlung des Landes zu Stockach gehen sollte. Doch die Münchhöfer entschieden sich hier eindeutig für Eigeltingen.
Honstetter und Eckartsbrunner wollten Engener werden
Im Westen grenzt Eigeltingen an die Stadt Engen. Dorthin hat es die Honstetter und Eckartsbrunner gezogen: Sie stimmten 1973 noch für ein Zusammengehen mit Engen, da es bereits historische Verbindungen und Verflechtungen gebe. Doch die Zielplanung des Landes sah Eigeltingen vor. 1974 stimmte man dem nach heftigen Diskussionen mit 54 zu 31 Stimmen zu, doch die Mehrheit der damals 315 Wahlberechtigten nutzten ihr Wahlrecht erst gar nicht.

Die Stadt Aach und Eigeltingen haben auch aktuell noch einen gemeinsamen Fußballverein und ganz neu arbeitet man in der Nachbarschaftshilfe zusammen. Doch sah das Land hier keine Verbindung vor.
Nördliche Ortsteile wollten sogar den Landkreis wechseln
Auch die nördlichen Ortsteile hätten sich eine andere Zugehörigkeit vorstellen können. Die Bürger von Rorgenwies und Heudorf sprachen sich eindeutig für einen Zusammenschluss mit Liptingen aus und wollten somit zum Landkreis Tuttlingen. Denn dorthin gebe es wirtschaftliche, schulische und über Vereine gewachsene Verbindungen. Doch das Land überging den Bürgerwillen, erst sollten die beiden Orte Stockach zugesprochen werden und dann Eigeltingen.
Rorgenwies zeigte sich wankelmütig und stimmte lieber einer Eingemeindung nach Eigeltingen zu als einer nach Stockach. Doch das Herz schlug immer noch für eine Lösung mit Liptingen, wird aus der Ortschronik deutlich. Heudorf wurde in die Gemeinde Eigeltingen gezwungen. Dem schloss sich eine Klage der Gemeinden Heudorf, Liptingen und Rorgenwies an. Doch es wurde festgestellt, dass die Orte entweder freiwillig folgen können oder gezwungen werden.
Bei geringer Wahlbeteiligung in Eigeltingen und nur 42,1 prozentiger Wahlbeteilung in Rorgenwies ergab sich ein freiwilliger Beitritt. In Heudorf wählten 42,4 Prozent der Bürger, sprachen sich aber gegen eine freiwillige Eingliederung aus. Sie wurden dann gezwungen.
Am Ende stand eine Zwangsheirat
Wegen dieses juristischen Streits war der Gemeinderat zwei Jahre ein Provisorium und Amtsverweser Bruno Braun übernahm die Geschäfte des Bürgermeisters. Bis heute zieht es Heudorfer nach Tuttlingen zur Arbeit und auch die Freundschaften nach Liptingen werden weiter gepflegt.