In die Hebelschule in Gottmadingen ist wieder Leben eingekehrt. Seit Montag befindet sich die Grundschule wieder im Präsenzunterricht. Sehr zur Freude der Drittklässler von Lehrerin Meike Halama. Für die Grundschüler beginnt der erste Schultag des Jahres 2021 vor Ort wieder mit Mathematik und Alicia, Ben und Sara sind gleich mit Feuereifer dabei. Endlich wieder gemeinsam mit ihren Freunden und Lehrern lernen und lachen. „Ich freue mich, meine Freunde wiederzusehen und gemeinsam zu üben. Bei Frau Halama bekomme ich die Aufgaben einfach viel besser erklärt“, sagt etwa Sara. Ihr Klassenkamerad Ben ergänzt: „Es war viel schwerer, von zuhause zu lernen.“

In der Hebelschule sind in einer Woche immer zwei Klassenstufen im Wechselunterricht. „Allerdings nicht in voller Klassenstärke“, sagt Anja Abert. Die Hälfte der Schüler werden in der Schule unterrichtet, die andere erhält Aufgaben für Zuhause. Hinzu kommen die Schüler, die die Notbetreuung besuchen.
Was für die Schüler ohne größere Schwierigkeiten vonstatten ging, glich für die Schulleiterin Anja Abert und ihr Kollegium einem echten Kraftakt. Quasi über Nacht habe das Kultusministerium sie und ihre Stellvertreterin Anja Jedelhauser mit dem Beginn der Fastnachtsferien darüber in Kenntnis gesetzt, dass man von der Notbetreuung wieder zurück zum Präsenzunterricht kehre. Viel Vorbereitungszeit sei nicht gewesen. „Wir haben in diesem kurzen Schuljahr schon 68 verschiedene Stundepläne schreiben müssen“, sagt Abert.

Für die Lehrkräfte bedeute dies eine deutliche Mehrbelastung. „Sie müssen doppelt und dreifach planen und vorbereiten“, betont die Gottmadinger Schulleiterin. Betreut werden die Schüler im Präsenzunterricht von der zweiten bis zur sechsten Stunde von Montag bis Donnerstag. Zehn Stunden pro Woche. „Allerdings wird nur Mathematik, Deutsch und Sachkunde unterrichtet“, so Abert weiter. Am Freitag findet bis auf die Notbetreuung in der Grundschule kein Unterricht statt. Die Betreuung der ersten Stunde ab 7.15 Uhr wird durch die Schülerbetreuung Spielraum GmbH abgedeckt. Entgegen anderen Schulen müsse die Notbetreuung in Gottmadingen komplett von den Lehrkräften getragen werden. „Wir sind mittlerweile weit über dem Zumut- und Leistbarem angekommen“, macht Abert deutlich.

Für Anja Abert und Anja Jedelhauser ist die Rückkehr zum Präsenzunterricht ein nötiger Schritt, auch um Eltern zu entlasten. Aber ein Umstand treibt ihnen die Sorgenfalten auf die Stirn: Nach wie vor erfahren Lehrer und Pädagogen zu wenig Schutz vor dem Corona-Virus. „Der Wechselunterricht hätte viel früher eingeführt werden müssen. Kinder brauchen Strukturen, Regelmäßigkeiten und ihre Lehrer als Bezugspersonen außerhalb der eigenen Familie“, sagt Anja Jedelhauser.

Aber sie betont auch, dass die Öffnung der Schulen befremdlich sei. Zum einen da die Corona-Zahlen aktuell wieder ansteigen und zum anderen auch mit Blick auf die weiterhin geschlossenen Geschäfte. „Natürlich ist auch die Angst bei uns im Kollegium vorhanden. Egal wie diszipliniert wir sind, wir wissen nicht, mit wem die Kinder Kontakt hatten“, so Jedelhauser.

Ein weiterer Kritikpunkt: die Teststrategie für Lehrer. Zweimal pro Woche können diese sich seit Kurzem testen lassen – eine erhebliche Verbesserung zur bisherigen Strategie. Doch Anja Abert tritt auf die Euphorie-Bremse: „Die Testung ist viel zu kompliziert.“ Zwar könne jede Lehrkraft selbst entscheiden, wann sie sich testen lassen möchte, doch in Gottmadingen müsse man dafür noch immer zum Hausarzt oder einer Apotheke. Abert fehle eine gebündelte Anlaufstelle, an die sich Lehrer aber auch Erzieher wenden können. „Unsere Pädagogen sind aktuell die Menschen, die den Laden mit am Laufen halten“, betont sie.
Die Schüler Alicia, Ben und Sara bekommen von den Sorgen ihrer Lehrerinnen nichts mit. Sie sind froh wieder zurück in der Schule zu sein. „Es ist einfach toll, alle wiederzusehen“, sagt Alicia. Dann stecken sie die Köpfe in ihre Hefte, das Umrechnen von Zentimeter in Dezimeter steht auf dem Stundenplan – allen Corona-Mutationen und Pandemie-Szenarien zum Trotz.
Ein Kraftakt für Lehrer und Verwaltung
Die Bürgermeisterin: „Es ist insgesamt sehr gut angelaufen“, sagt Singens Bürgermeisterin Ute Seifried zum Start von Kitas und Grundschulen. Rund 1750 Grundschüler gilt es seit Montag, auch wieder in Präsenz zu betreuen. „Die Kinder haben sich wahnsinnig gefreut, das sagen mir alle Lehrer gleichermaßen.“ Am ersten Tag hätte es teils noch viele Fragen gegeben: Wo muss man hin, wie funktioniert das mit dem Wechselunterricht? „Es ist noch eine Herausforderung“, sagt Ute Seifried, „und die Lehrer haben keine Pause zum Durchatmen.“ Denn es muss nicht nur die eine Gruppe vor Ort unterrichtet, sondern auch die andere zuhause begleitet werden. Außerdem gebe es immer noch Schüler in der Notbetreuung – doch da müsse man in Zukunft vielleicht wieder genauer hinsehen. „In manchen Schulen waren zuletzt 70 bis 75 Prozent der Schüler in der Notbetreuung.“ Gedacht sei das Angebot nur, wenn Familien es wirklich brauchen. Denn es gelte weiter, Kontakte zu minimieren. Anders ist es in den Kindertageseinrichtungen, wo weitgehend Normalbetrieb herrscht. Die meisten Eltern brachten ihre Kinder schon am ersten Tag wieder in die Kita. Nur zehn bis 15 Prozent nutzen das Angebot der Stadt, noch eine Woche zu warten und damit Gebühren zu sparen. Einigen Kindern sei die Trennung von ihren Eltern nicht so leicht gefallen, sagt Seifried, da brauche es nochmal eine Eingewöhnung in die neue alte Kita. Am heutigen Dienstag soll mit den Schnelltests von Pädagogen begonnen werden.
Die Elternsprecherin Kita: „Das ist das, was wir uns schon seit Monaten an präventiven Maßnahmen wünschen“, sagt Annika Klotz als Sprecherin des Gesamtelternbeirats Kita in Singen. Mit kleineren Gruppen, regelmäßigen Tests und der Aussicht auf ein Impfangebot auch für Erzieher sei der Kitabetrieb gut gewappnet für den Neustart. Anders als in den Schulen findet die Betreuung in den Kitas wieder vollumfänglich statt. „Was ich von den Eltern am meisten höre, ist Erleichterung, dass es weiter geht.“ Die vergangenen Wochen hätten aber auch gezeigt, wo es hakt: Es gebe zu wenig Personal und Kitas würden zu wenig als Bildungseinrichtung wahrgenommen.
Der Elternsprecher Schule: „Von normalem Unterricht ist man meilenweit entfernt“, sagt Marc Neininger als Vorsitzender des Gesamtelternbeirats Singener Schulen. Mit dem Wechselmodell, bei dem Kinder etwa zehn Stunden pro Woche vor Ort unterrichtet werden, könne man nur einen Bruchteil des normalen Programms lernen: Die Erst- und Drittklässler sind diese Woche zum Beispiel für zwei Tage in der Beethovenschule. Die eine Hälfte der Klasse am Montag und Dienstag, die andere am Mittwoch und Donnerstag. „Aber Schule ist nicht nur Mathe und Deutsch. Es geht auch darum zu sehen, wie es einem Kind geht.“ Auch Integration sei ein wichtiges Thema. „Ich bin froh über jeden Unterricht, der stattfinden kann. Und ich bin dankbar, dass wir es so versuchen.“ Damit das gelingt, hätten viele Lehrer ihre Ferien geopfert. (isa)