Philipp Zieger und Sandra Pfanner

Dieser eine Satz hat deutlich gemacht, dass es so nicht weitergehen soll: "Die Situation mit dem aktiven Betteln hat bei uns in Konstanz ein Ausmaß angenommen, das wir so nicht hinnehmen können.“

Mit dieser Aussage hat Oberbürgermeister Uli Burchardt Anfang des Jahres ein Konzept angekündigt, das organisierten Bettelbanden das Leben in Konstanz schwer machen soll. Wobei der OB in seiner Aussage klar betonte, dass es nicht um die stillen Bettler, um die wahren Bedürftigen, geht. Sondern: "Wir werden nicht dulden, dass Konstanz sich zu einem Schwerpunkt der organisierten Bettelei entwickelt."

Was ist gemeint mit "organisierter Bettelei"?

Damit meinte Uli Burchardt vor allem osteuropäische Banden, die seit Jahren mit mafiösen Strukturen auch in Deutschland unterwegs sind. Die Maschen sind, so berichteten Medien wie auch der SÜDKURIER bereits, stets die gleichen. Die Bettelnden täuschen Behinderungen, Gebrechen und Armut vor, um an Geld zu kommen, das sie Drahtziehern abliefern müssen.

Wenn sie ihre Arbeit getan haben, beziehen sie ihre Nachtquartiere in Autos unter der Schänzlebrücke Nord, an der Spiegelhalle nahe dem Bahnhof, am Konzil oder im Stadtgarten – von ihren körperlichen Leiden, das ist oft zu beobachten, ist dann nur noch wenig zu sehen.

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Diese Art des Bittens um Almosen, das aktive Zugehen und Bedrängen von Passanten sowie das Betteln mit Kindern, ist in Konstanz verboten. Die Stadtverwaltung will es, ausdrücklich aber die organisierten Banden, nicht mehr haben. Gesetzliche Grundlage für das Verbot ist die Polizeiverordnung der Stadt.

Keine Beweise für mafiöse Strukturen in Konstanz – was aber nicht heißt, dass es sie nicht gibt

Konkrete Anhaltspunkte auf mafiöse Strukturen hinter osteuropäischen Gruppen hat Dirk Hoffmann nicht. Er leitet das Konstanzer Revier der Landespolizei. Wenn die Beamten und Mitarbeiter der Ortspolizei Bettler kontrollierten, spreche der Einzelne natürlich nicht über Organisationsstrukturen. Zu Bürgeramtsleiterin Anja Risse sind allerdings schon Meldungen gedrungen, wonach Bettelnde morgens aus großen Limousinen ausgestiegen seien. Das legt zumindest den Verdacht von organisierter Kriminalität nahe.

Die Landespolizei unterstützt das Bürgeramt in ihrem Bestreben, dem aggressiven Schnorren den Garaus zu machen. Alle bisherigen rechtlichen Möglichkeiten zeigten keine Wirkung, das sagt auch Bürgeramtsleiterin Anja Risse. Wenn die Ordnungshüter von aggressiven Bettlern das eingenommene Geld einziehen, sind die Beträge gering. Vermutlich, weil die Büchsen ständig geleert werden.

Die Einhaltung von Platzverweisen, sofern sie beachtet werden, ist schwer zu überwachen. Und Bußgeldverfahren verlaufen im Sand, weil die Bettelnden ihren Wohnsitz im Ausland haben und die Vollstreckung schier unmöglich ist.

Im vergangenen Jahr hat das Bürgeramt 116 Bußgeldverfahren eingeleitet, bis Mitte Juli dieses Jahres waren es rund 40. Bis zu 500 Euro teuer kann das aggressive Betteln werden, das die Stadt Konstanz als unerlaubte Sondernutzung nach dem Straßengesetz ahndet. Unter dem Strich blieb als Begleichung der Strafe aber meist nur das eingezogene Bettelgeld.

Ordnungsdienst und Polizisten kontrollieren verstärkt

Was also tun? Bürgeramt und Landespolizei wollen in Zukunft die Kontrollen verstärken. Der Kommunale Ordnungsdienst werde mit Kräften des Konstanzer Reviers gemeinsam auf Streife gehen, um Präsenz zu demonstrieren; und um zu zeigen, dass aggressive Bettelbanden in Konstanz nicht erwünscht sind.

Zudem wollen die Ordnungshüter künftig öfter die Lager räumen. Die Räumungen würden zuvor angekündigt, auch über Schreiben in rumänischer Sprache. Was dann noch am Lager liege, werde eingezogen.

Außerdem helfen sollen Flugblätter und Plakate. Sie sollen Touristen und Bürger aufklären, dass das stille Betteln in Konstanz erlaubt ist, aber nicht das aggressive, aufdringliche und körpernahe Ansprechen, das Versperren des Weges oder eine bedrängende Verfolgung. Reagieren Passanten darauf und geben in Zukunft weniger bis kein Geld, dann könnte Konstanz für die Banden unattraktiv werden. Anja Risse wie auch Dirk Hoffmann betonen allerdings, nicht jenen schaden zu wollen, die sich ordentlich verhalten und nicht einer Bande angehörten.

Kritik an der städtischen Plakat-Aktion

Laut städtischem Presseamt seien die Reaktionen der Bürger auf die Info-Kampagne bislang sehr positiv. Es gibt aber auch Kritik: "Lieber Herr Oberbürgermeister Burchardt", heißt es auf dem Blatt Papier, das auf mehrere der städtischen Plakate geklebt wurde:

Bild 1: Infoplakate, Platzverweise, Räumungen: Was Stadt und Polizei gegen aufdringliche Bettler in Konstanz unternehmen
Bild: sap

"Wir, Bürger dieser Stadt, fühlen uns belästigt von Ihrer Schmutzkampagne gegen Menschen in Not." Und weiter: "Leute, die um einen Groschen bitten, stören uns nicht. Uns stört, dass soziale Umstände Menschen zum Betteln zwingen. Und uns stört, dass Sie Armut kriminalisieren. Wir bitten Sie: Machen Sie mit unseren Steuergeldern etwas Gescheites!"

Einzelhandel und Kirche unterstützen das Konzept der Stadt

Der Einzelhandelsverband Treffpunkt dagegen unterstützt die städtische Aktion. Er fordert seit Langem die Umsetzung des angekündigten Konzepts. "Viele Kunden fühlen sich gestört", sagt Vorsitzender Ekkehard Greis.

Und offenbar nicht nur Kunden und Einzelhändler. Bürgeramtsleiterin Anja Risse erhält Rückmeldungen von Gastronomen über Bettler in den Lokalen. Die der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) angeschlossenen Kirchen "unterstützen die Stadt, das Bürgeramt, mit ihrem Konzept vollumfänglich", erklärt Vorsitzender Hermann-Eugen Heckel. Er und Münstermeßmer Manuel Kunemann waren zum Gespräch ins Bürgeramt eingeladen.

Heckel betont, dass Nächstenliebe bei jenen angebracht sei, die, verschuldet oder unverschuldet, alles verloren haben und unter dem Existenzminimum lebten. Bei den organisierten Bettelbanden sei die Nächstenliebe aber falsch platziert.

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Die Bettelnden seien arme Menschen, die ausgebeutet würden, um skrupellosen Menschen im Hintergrund die Taschen zu füllen. "Und dagegen müssen wir mit allen Mitteln und Augenmaß vorgehen", erklärt der ACK-Vorsitzende. An Menschen, die still bettelten, "können wir meist erkennen, dass sie nicht zu einer Bande gehören".