Die Notaufnahmen an deutschen Kliniken sind in Not: Immer mehr Patienten bei geringer finanzieller Ausstattung. Dennoch sehen sich die Krankenhäuser in der Pflicht, diese so wichtigen Abteilungen zu professionalisieren. Beispiel Konstanz: Seit kurzem hat Ivo Quack seine Arbeit aufgenommen. Er ist Chefarzt der nun eigenständigen Abteilung "Zentrale Notaufnahme und Aufnahmeklinik". Nicht zu verwechseln mit der Notfallpraxis, in der sich niedergelassene Ärzte an Wochenenden und Feiertagen um Patienten mit ambulant zu behandelnden Erkrankungen kümmern. Genau darin liegt ein Problem. Viel Bürger kennen den Unterschied nicht und steuern automatisch die Notaufnahme an. Mit Bezug des Neubaus am Klinikum und mit Chefarzt Ivo Quack sollen sich Abläufe verbessern und Zuständigkeiten schneller klären.
Warum diese Neustrukturierung bei der Notaufnahme? Bis zur Berufung von Ivo Quack zum Chefarzt und der Gründung dieser neuen Abteilung, lag die Leitung der Notaufnahme bei Martin Runkel, zugleich Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Handchirurgie. Noch vor fünf Jahren zählte das Klinikum 18 000 Notfallpatienten. Heute sind es laut Peter Fischer, Geschäftsführer des Gesundheitsverbunds Landkreis Konstanz, etwa 22 000 im Jahr. Allein im vergangenen Jahr habe es eine Steigerung um fünf bis acht Prozent gegeben, ergänzt Ivo Quack. Auch mit diesem Hintergrund "halten wir es für dringend notwendig, die Notaufnahme zu professionalisieren", sagt Peter Fischer.
Was ist neu an der Notaufnahme? Eigentlich alles, da sie im erst eröffneten Neubau am Klinikum untergebracht ist. Sie ist im Erdgeschoss, auf gleichem Weg geht es zur Erwachsenen-Notfallpraxis der niedergelassenen Ärzte. Durch eine gemeinsam genutzte Theke für die Aufnahme sei künftig eine raschere Einschätzung möglich, so Quack, ob ein Patient ein Fall für die Klinik- oder für die niedergelassenen Ärzte ist. Die Notaufnahme des Klinikums hält seit dem Umzug in den Neubau zehn Betten für Patienten Patienten bereit, die auf Untersuchungsergebnisse warten müssen oder der Bezug eines Stationszimmers nicht eilt oder wenn eine gewisse Zeit zur Beobachtung notwendig ist. Ein Vorteil ist, dass die neue Notaufnahme an diagnostische Räume angrenzt und Patienten keine weiten Wege zurücklegen müssen. Im Schockraum für die Behandlung Schwerstverletzter, die etwa mit dem Rettungswagen gebracht werden, steht ein Computertomograph bereit.
Was soll sich im Ablauf für den Patienten ändern? Chefarzt Ivo Quacks Ziel ist, den Informationsfluss zu verbessern: der Patient soll künftig immer über den Stand der Behandlung unterrichtet werden. Er soll den gesamten Aufenthalt im Klinikum über "an die Hand genommen" werden, der Austausch zwischen Notaufnahme und Fachabteilung über einen Patienten soll reibungsloser laufen. Quack hält den Arbeitsfluss im Blick und hinterfragt, ob und wie ein Patient aufgrund seiner durchaus schweren Erkrankung nach Ende des Aufenthalts im Klinikum den Alltag zu Hause bestreiten kann. Ivo Quack denkt zudem an ein elektronisches System, das Notfallpatienten an die anstehende Untersuchung erinnert. Somit könnten sie eine Wartezeit anderweitig nutzen.
Wer kommt in die Notaufnahme des Klinikums und wer arbeitet dort? Am häufigsten kommen Menschen mit Luftnot, Brustschmerzen, Bauchschmerzen, Schwindel, Knochenbrüche sowie Schnitt- und Platzwunden, erklärt Ivo Quack. Für die Behandlung von Notfallpatienten stehen ihm Ärzte der einzelnen Klinikfachabteilung sowie des nahegelegenen Medizinischen Versorgungszentrums zur Seite. Zwischen zwei und vier Pflegekräfte, je nach Tageszeit, kümmern sich um die Patienten.
Was ist der Unterschied zur Notfallpraxis? Die Notaufnahme hat eigentlich die Aufgabe, Patienten aufzunehmen, bei denen eine stationäre Behandlung absehbar ist, etwa nach einem schweren Unfall oder wenn sich der starke Herzschmerz als Infarkt herausstellt. Die in der Notfallpraxis arbeitenden niedergelassenen Ärzte behandeln an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen von 8 bis 22 Uhr Erwachsene mit Erkrankungen, bei denen eine ambulante Behandlung ausreicht, zum Beispiel bei akuten Halsschmerzen oder Grippe. Etwa 10 000 Patienten sind laut Peter Fischer im vergangenen Jahr in die Praxis gekommen, die räumlich schon vor Bezug des Neubaus an das Klinikum angekoppelt war. Finanziert wird sie durch die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg. Die Kindernotfallpraxis ist seit zwei Jahren am Singener Krankenhaus.
Mit welchen Problemen kämpfen Notaufnahmen? Einerseits mit stetig wachsenden Patientenzahlen – auch, weil viele Bürger davon ausgehen, die Notaufnahmen an Kliniken seien so etwas wie eine Einrichtung für die medizinische Alltagsversorgung. Hierfür sind aber die niedergelassenen Ärzte zuständig, oder an Wochenenden und Feiertagen die Notfallpraxen. Andererseits klagen die Krankenhäuser über eine Unterfinanzierung in der Notfallversorgung. Aus einem Positionspapier von Fachverbänden geht hervor, dass die Notaufnahmen an deutschen Krankenhäusern jährlich rund 21 Millionen Menschen versorgen. Rund die Hälfte kann ambulant versorgt werden, obwohl dies laut Bundesmantelvertrag keine Aufgabe von Krankenhäusern, sondern von Vertragsärzten ist. Dies habe eine Unterfinanzierung von 1 Milliarde Euro zur Folge, geht aus einer Studie der Deutschen Krankenhausgesellschaft hervor. Fachverbände fordern, der Notfallmedizin an Kliniken einen höheren Stellenwert einzuräumen. Die Geschäftsführer des Gesundheitsverbunds, Peter Fischer und Rainer Ott, rechnen mit einer künftig besseren finanziellen Ausstattung durch den Gesetzgeber zur Qualitätssteigerung in der Notfallversorgung.
Der Arzt und weitere Hilfe
- Ivo Quack: Er ist seit Februar der erste Chefarzt der Zentralen Notaufnahme und Aufnahmeklinikum am Konstanzer Klinikum. Der 46-jährige Internist war zuvor Leitender Oberarzt der Zentralen Notaufnahme am Universitätsklinikum Düsseldorf. Er ist gebürtig aus Offenburg und hat in Freiburg studiert. Er stellt sich am Mittwoch, 14. März, um 20 Uhr im Konzil öffentlich mit einem Vortrag über "Einblicke in die moderne Notaufnahme" vor. Der Eintritt ist kostenfrei.
- Notrufnummern: Bei schweren Unfällen gilt die Notrufnummer 112. Wer krank ist, etwa mit Grippe, sein Hausarzt keine Sprechstunde hat und er nicht bis zum nächsten Tag warten kann, kann sich unter der kostenfreien Rufnummer 116 117 an den ärztlichen Bereitschaftsdienst wenden. Dieser gibt Auskunft, wo der Erkrankte in seiner Nähe eine Behandlung durch niedergelassene Mediziner erhält – zum Beispiel an Wochenenden in einer Notfallpraxis wie die am Konstanzer Klinikum, die an Wochenenden und Feiertagen von 8 bis 22 Uhr geöffnet ist. Die Nummer hilft auch bei Erkrankungen von Kindern. Die Notfallpraxis für Kinder am Singener Krankenhaus ist an Wochenenden und Feiertagen von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Zudem gibt es den zahnärztlichen Notdienst unter (0180)322255525 und die Gift-Notruf unter (0761)19240.