Alle Angesprochenen müssen eine Weile überlegen, bis ihnen eine entsprechende Situation einfällt und sie betonen, dass sie im Alltag in der Stadt selten Rassismus erleben. Überwiegend fühlen sie sich hier wohl. Zahide Sarikas und Musa Cebe sind deutsche Staatsbürger, Hasna Sharabati ist anerkannte Asylbewerberin, Mohammed Dibbasey hat eine Aufenthaltserlaubnis. Alle haben Freunde, gute Kollegen oder politische Mitstreiter gefunden – äußerst unangenehmes Verhalten von Fremden, das sich auf ihre Herkunft bezieht, kennen aber auch alle.
"Sie sind doch keine Deutsche!"

Zahide Sarikas, Konstanzer Stadträtin (SPD), sagt: "Wenn eine Seniorin mich liebevoll fragt: 'Sie sprechen gut Deutsch. Woher kommen Sie?', dann nehme ich das nicht als Alltagsrassismus wahr; das ist doch Neugierde. Ich sehe nicht einheimisch aus und habe einen anderen Namen, ich stamme aus der Osttürkei und bin deutsche Staatsbürgerin. Diskriminierende Mails, die ich bekomme, beziehen sich eher auf meine politische Tätigkeit. Auf Facebook hat jemand geschrieben: 'Eine Türkin will mich politisch vertreten, die soll doch zurückgehen, es gibt genug Deutsche, die das tun können'."
„Ich gehöre hierher. Ich bin deutsche Staatsbürgerin.“Zahide Sarikas, Konstanzerin
"Im Landtagswahlkampf sagte mir eine ältere Dame: 'Sie sind doch keine Deutsche'. Ich antwortete, dass ich einen deutschen Pass besitze. Sie deutete auf den Friedhof und sagte: 'Da müssen Sie erst mal drei Generationen hinlegen, dann sind Sie Deutsche.' Das hat mir Angst gemacht, weil mir manche Leute die Frage aufzwingen wollen, wo ich hingehöre. Ich gehöre hierher. Ich bin deutsche Staatsbürgerin. Allerdings weiß ich, dass die Mehrheitsgesellschaft nicht so denkt wie die Seniorin."
"Ihr seid Flüchtlinge, ihr solltet nach Hause gehen."

Hasna Sharabati aus Syrien erlebte folgende Situation: "Wir waren im Garten im Zergle, wo wir wohnen, mehrere Frauen saßen dort und haben sich unterhalten. Eine deutsche Frau kam vorbei und sagte: 'Ihr seid so laut, ich werde die Polizei rufen'. Ich habe dann mit ihr geredet und sie darauf hingewiesen, dass in der Nähe jeden Tag Leute laut seien und feierten."
„Mein bester Freund ist Deutscher und mein Held.“Hasna Sharabati, Konstanzerin
"An einem der nächsten Tage waren meine Schwester, 10 Jahre, und ihre Freundinnen draußen und dieselbe Frau kam vorbei. Diesmal sagte sie: 'Ihr seid Flüchtlinge, ihr solltet nach Hause gehen'. Sie hat dabei ein Mädchen am Arm festgehalten. Da bin ich zur Polizei und habe von dem Vorfall erzählt. Ich wollte das dokumentieren, falls so etwas noch einmal passieren sollte und der Streit eskaliert. Sonst erlebe ich aber nicht so viele diskriminierende Situationen. Mein bester Freund ist Deutscher und 'mein Held'. Wenn ich etwa in der Schule einen Konflikt habe, steht er immer hinter mir."
"Afrikaner stinken!"

Mohammed Dibbasey aus Gambia erzählt: "Ich bin auf der Theodor-Heuss-Straße mit dem Fahrrad in Richtung Sternenplatz gefahren, da verlangsamte ein Auto neben mir seine Fahrt. Junge Leute haben aus dem Auto gerufen: 'Afrikaner stinken!'. Ich wollte den jungen Männern hinterher, da haben mich zwei Fußgänger, die die Szene beobachtet hatten, festgehalten und gesagt, dass nicht alle Menschen in Deutschland so sind. Das hat mich dann beruhigt. Am Ende des Tages wusste ich, dass es ein schrecklicher Tag war – es gleichzeitig aber viele gute Menschen gibt."
„Ich wollte mich wehren, aber meine Freunde haben mich davon abgehalten.“Mohammed Dibbasey, Konstanzer
"Etwas Ähnliches habe ich in der Hussenstraße erlebt. Ich war mit zwei Freunden unterwegs und wir haben erzählt und gelacht. Ein Mann kam und schubste mich. 'Was ist los?', fragte ich. Der Mann antwortete: 'Wenn ihr nicht leise seid, werden wir kommen und euch fertig machen. Wir sind mehr als ihr'. Ich war sehr wütend und wollte mich wehren, aber meine beiden Freunde haben mich davon abgehalten."
Seine Ehefrau, Sabine Tezlaff-Dibbasey aus Konstanz, fügt hinzu: "Wir erleben viele feindselige Blicke, wenn wir abends als Paar unterwegs sind. Beispielsweise, dass ein Mann, den wir nicht kennen, Mohammed ansieht, dann mich und den Kopf schüttelt. Im Bekanntenkreis habe ich erlebt, dass jemand fragte, ob ich nicht einen netten weißen Mann hätte nehmen können, ob es wirklich ein junger Afrikaner hätte sein müssen, 'der so schwarz ist wie dieser schwarze Hund'."
"In einem scheiß Kebap-Laden kann es keine Thüringer Bratwurst geben."

Musa Cebe, 60 Jahre, gebürtiger Kurde, erklärt: "Als in in den 1980-er Jahren nach Deutschland kam, haben wir erst in einem Sammellager gewohnt, das war anders als heute, eher wie ein offenes Gefängnis. Jeden Tag gab es Essen aus einer Großküche, das schmeckte nicht besonders, mir war das aber egal. Für mich war das kein Problem, ich war ja in Sicherheit. Nach dreieinhalb Jahren wurde ich als Flüchtling anerkannt. In Konstanz habe ich mich politisch immer engagiert, bei den Grünen, bei der Antifa, später habe ich angefangen, Boules zu spielen mit Franzosen. Abgelehnt gefühlt habe ich mich aber nie in Konstanz."
„Man muss die Menschen nehmen wie sie sind.“Musa Cebe, Konstanzer
"1990 hat es in dem Haus, in dem ich wohnte, beziehungsweise in dessen Keller gebrannt. Am nächsten Tag hat man entdeckt, dass jemand 'Musa Cebe' an die Hauswand geschrieben hatte. Angst hat mir das aber nicht gemacht, die Polizei hat ermittelt, hat aber nie herausgefunden, was den Brand verursacht hatte. Kürzlich kam jemand aus Ostdeutschland an meinen Laden, bezog sich auf das Angebot und sagte: 'In einem scheiß türkischen Kebap-Laden kann es keine Thüringer Bratwurst geben.' Da habe ich ihm erst einmal erklärt, dass ich Thüringer Bratwurst schon länger kenne als er. Er war zwar nicht freundlich, aber weiter gestritten hat er auch nicht. Man muss die Menschen nehmen wie sie sind."