„Raucht jetzt noch eine Zigarette und trinkt ein Bier. Danach ist euer Dasein beendet“, sagt Paul T. mit einer Waffe in der Hand. Es ist früher Abend am 13. Dezember 1981. Die Segelyacht Apollonia befindet sich auf dem Atlantischen Ozean, irgendwo vor der Küste von Barbados.
Kurz darauf drückt Paul T. ab, die Kugel trifft einen Passagier am Oberkörper und tritt an der Schulter wieder aus. Dieser Passagier ist Michael Wunsch aus Konstanz. Der damals 25-Jährige ist schwer verletzt – doch er überlebt. Am selben Abend tötet Paul T. den Eigentümer der Yacht „Apollonia“ und dessen Freundin.
„Wir haben um unser Leben gebettelt“, sagt Michael Wunsch 40 Jahre später gegenüber dem SÜDKURIER. „Sowas vergisst man nicht.“ Der Konstanzer, der heute in Allensbach lebt, steht am Ufer des Bodensees und schaut hinaus aufs Wasser.
Grundsätzlich belaste ihn das Erlebte nicht mehr so, wie früher einmal, sagt er. Er hätte gar nicht so lange gebraucht, um den Anschlag auf sein Leben zu verarbeiten. Das mag durchaus erstaunlich klingen, wenn man die Geschichte des Mannes rekapituliert.
Todesfahrt nach Barbados
Wunsch war damals einer von sechs Passagieren der 17,3 Meter langen Apollonia, die sich am 26. November 1981 vom Hafen Pasito Blanco auf Gran Canaria in die Karibik aufmacht. Zuvor war es zwischen dem Eigentümer und seiner ehemaligen Crew zum Zerwürfnis gekommen.
Deshalb heuerte er einen neuen Navigator, den späteren Täter Paul T., an. Mit dabei sind außerdem die beiden Freundinnen der Männer sowie zwei weitere Passagiere – Michael Wunsch und Dieter Giesen aus Konstanz. Auf dem Schiff kommt es während der Überfahrt wohl immer wieder zu Problemen zwischen den Menschen an Bord.
Dann, am Abend des 13. Dezembers, entladen sich die Spannungen. Paul T. bedroht die Passagiere mit einer von ihm an Bord geschmuggelten Waffe. Er möchte das Kommando über das Schiff übernehmen. Als sich die drei übrigen Männer wehren, fallen Schüsse. T. tötet die Frau des Eigentümers, wenig später richtet er die Waffe auf den Besitzer der Yacht. Die Leichen der Getöteten werden in der karibischen See zurückgelassen. Wunsch überlebt, ist aber schwer verletzt.
Einige Tage später läuft das Boot, das unter deutscher Flagge segelt, in den Hafen von Bridgetown auf Barbados ein. Schnell fällt auf: Zwei Passagiere fehlen. Der Täter erfindet eine Geschichte über das Ableben des Besitzerpaares. Wie sich später herausgestellt, setzt er seine Mitreisenden unter Druck, damit sie ebenfalls falsch aussagen. „Er hat gedroht, dass er, wenn wir die Wahrheit sagen, für 100 Mark einen Killer findet, der uns umlegt“, sagt Michael Wunsch.

Das Lügengerüst des Täters fällt dennoch schnell in sich zusammen, 1982 kommt die gesamte Wahrheit vor dem Bremer Landgericht ans Licht. Die wichtigsten Zeugen: Michael Wunsch und Dieter Giesen. Wie Wunsch berichtet, hatten die beiden bei ihrer Ankunft in Bremen immer noch Angst davor, auf dem Bahnsteig von einem Killer getötet zu werden.
Um aus dem Zug zu steigen hätten sie einige Minuten gebraucht. Paul T. wird von dem Gericht zu zweimal lebenslänglich verurteilt und sitzt 17 Jahre in einem Gefängnis in Hamburg. Michael Wunsch will vor einigen Jahren gehört haben, dass er immer noch dort sei. Ob er heute noch lebt ist nicht gesichert, mittlerweile wäre der Verurteilte über 80 Jahre alt.
„Die Narbe bleibt immer“
Michael Wunsch lag damals mehrere Tage auf Barbados im Krankenhaus. Gesundheitliche Probleme habe er durch die Schussverletzung aber keine mehr. „Man sieht aber noch die Narbe an der Brust, wo die Kugel rein ist, und am Schulterblatt, wo sie wieder raus ist“, sagt er. „Die Narbe bleibt immer.“ Ansonsten habe er jedoch keine Nachwirkungen.
Laut Michael Wunsch sei das Geschehene damals der einzige Fall von Meuterei in der deutschen Kriminalgeschichte gewesen und hätte unter anderem dadurch eine gewisse Berühmtheit, vor allem in der Seglerszene, erlangt. Einige Jahre später drehte die ARD einen Fernsehfilm zum Fall der Apollonia, der in der Reihe „Die großen Kriminalfälle“ erschien. Michael Wunsch sei mit seiner Familie zu den Dreharbeiten nach Grenada eingeladen worden.

Das Filmteam habe damals das Schiff wieder ausfindig gemacht, inzwischen habe es einem Amerikaner gehört. „Mir ist es schwer gefallen, da nochmal raufzugehen“, sagt der heute 65-Jährige zu seinem letzten Gang auf das Segelschiff vor einigen Jahren. Seither hat er die Apollonia nie wieder gesehen.
Anmerkung der Redaktion
Dieser Artikel erschien erstmals im Dezember 2021. Wir haben uns entschlossen, ihn in dieser leicht aktualisierten Form im Rahmen unserer True-Crime-Serie erneut zu veröffentlichen.