Samstagnacht, 11. März 2017, Konstanz, Industriegebiet: Polizeibeamte und Rettungskräfte eilen mit mehreren Einsatzfahrzeugen in die Fritz-Arnold-Straße. Dort wird in den frühen Morgenstunden ein damals 19-jähriger Schweizer aus dem Kanton Schaffhausen vor einer dortigen Shisha-Bar niedergestochen. Wenige Stunden später verstirbt er in einem Krankenhaus. Die Ärzte können ihn nicht mehr retten.

Vor der tödlichen Bluttat kommt es laut damaligen Polizeiangaben im Inneren der Bar zu einem heftigen Streit zwischen zwei Personengruppen. Das bestätigen nach der Tat auch Augenzeugen, mit denen der SÜDKURIER spricht. Demnach wird die Auseinandersetzung handfest und auf der Straße vor der Gastronomie geht der Konflikt weiter. In der Folge wird der 19-Jährige Opfer einer Messerattacke. Er blutet stark, kann sich noch in die Bar zurück retten, wird wiederbelebt, stirbt aber wenig später an den Folgen seiner Verletzungen.

Zu Beginn ist die Situation noch unübersichtlich und es ist nicht klar, wer für die Tat verantwortlich ist und wie genau sie sich zugetragen hat. Die Kriminalpolizeidirektion Friedrichshafen richtet daraufhin eine 50-köpfige Sonderkommission ein und startet umfassende Ermittlungsarbeiten. Offiziell wird der Vorfall schnell als Tötungsdelikt eingestuft.

Hier ereignet sich die Bluttat: die Fritz-Arnold-Straße in Richtung B33/Riedstraße.
Hier ereignet sich die Bluttat: die Fritz-Arnold-Straße in Richtung B33/Riedstraße. | Bild: Timm Lechler

Mehrere Festnahmen im Landkreis Konstanz

Am Folgetag, Sonntag, 12. März 2017, geben das Polizeipräsidium Konstanz und die Staatsanwaltschaft Konstanz dann neue Informationen preis: Mehrere Tatverdächtige können von den Beamten ermittelt und vorläufig festgenommen werden. Doch weiterhin bleiben viele Fragen und Details offen, beispielsweise zur Herkunft der festgenommenen Personen, dem jeweiligen Anteil an der Tat und ob sich auch ein möglicher Haupttäter unten ihnen befindet. Ein damaliger Polizeisprecher verweist auf Nachfrage auf laufende Ermittlungen.

Sicher ist aber: Die Festnahmen erfolgen im Landkreis Konstanz, teilweise sind Spezialkräfte der Polizei darin involviert. Und klar ist auch: Die Öffentlichkeit muss sich wohl keine Sorgen mehr machen, dass im Raum Konstanz ein Messerstecher herumläuft. Im Gegenteil, so hat wohl nie eine größere Gefahr für die Allgemeinheit bestanden.

Das könnte Sie auch interessieren

Die Ermittler arbeiten derweil fieberhaft weiter: Kriminaltechniker suchen am Tatort nach weiteren Hinweisen, darüber hinaus wird mit der Polizei und der Staatsanwaltschaft in der Schweiz zusammengearbeitet und ein Gerichtsmediziner obduziert den Leichnam des 19-Jährigen.

Einen Tag später kommen dann weitere Details ans Licht: Ein 17-jähriger, deutscher Tatverdächtiger, den die Polizei für den Haupttäter der tödlichen Messerattacke hält, wurde zuvor in einer Konstanzer Wohnung festgenommen. Er gehört dem Vernehmen nach zu einer Bande krimineller Jugendlicher. In Konstanz ist sie seinerzeit, nachdem sie auch von der Polizei so bezeichnet worden war, als Berchen-Bande berühmt und berüchtigt. Die etwa zehnköpfige Gruppe von Jugendlichen steht nun erneut im Fokus der Ermittler.

Das könnte Sie auch interessieren

Der 17-Jährige ist demnach für die Polizei kein Unbekannter und vorbestraft, war er doch im Juli 2016 vom Amtsgericht Konstanz der gefährlichen Körperverletzung für schuldig befunden und verurteilt worden. Die Freiheitsstrafe war zur Bewährung ausgesetzt worden. Zu den festgenommenen Personen gehört auch ein 21-jähriger syrischer Staatsangehöriger, der als Mittäter gehandelt wird. Die übrigen drei Verdächtigen lässt die Polizei im späteren Verlauf wieder gehen.

Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Es vergehen viele Monate, die der damals dringend tatverdächtige 17-Jährige in Untersuchungshaft verbringt, während der zweite Beteiligte wiederum auf freien Fuß gesetzt wird. Doch auch nach einem halben Jahr umfassender Ermittlungsarbeiten hat die Staatsanwaltschaft noch immer keine Anklage erhoben, weshalb es zur Haftprüfung, über welche das Oberlandesgericht in Karlsruhe entscheidet, kommt.

Wenige Zeit später steht dann aber fest: Es kommt zur Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft, das Landgericht terminiert die Eröffnung der Hauptverhandlung gegen den 17-jährigen Angeklagten auf Dienstag, 23. Januar, vor der zweiten Strafkammer. Zunächst wird die Dauer auf sieben Verhandlungstage bestimmt, das Verfahren soll bis Ende Februar andauern. Die Anklage lautet dabei auf Mord – außerdem stehen weitere, unabhängig von der Bluttat begangene Straftaten im Raum. Mitangeklagt ist der damals 21-jährige Syrer, dem die Staatsanwaltschaft gefährliche Körperverletzung und Nötigung vorwirft.

Das könnte Sie auch interessieren

Die Verhandlung wird Anfang 2018 unter Ausschluss der Öffentlichkeit – und somit auch der Presse – geführt. Das beantragt der Verteidiger des zum Tatzeitpunkt minderjährigen, inzwischen aber volljährig gewordenen, Angeklagten erfolgreich. Denn trotz des großen Interesses und dem grundsätzlichen Gebot der Öffentlichkeit vor Gericht gibt der Vorsitzende Richter Joachim Dospil dem Antrag des Verteidigers statt.

Von einem entsprechenden Urteil bleibt der Angeklagte indes allerdings nicht verschont. So erachtet das Gericht am Ende des Hauptverfahrens laut Prozessbeiwohnenden den Angeklagten für schuldig, den 19-jährigen Schweizer mit einem Messer tödlich verletzt zu haben. Allerdings sieht man keine niederen Beweggründe gegeben, die eine Verurteilung wegen Mordes nach sich zögen. Der 18-jährige Hauptangeklagte wird deshalb wegen Totschlags zu einer Haftstrafe von siebeneinhalb Jahren verurteilt. Sein 21 Jahre alter Mittäter muss wegen gefährlicher Körperverletzung 21 Monate ins Gefängnis.

Das könnte Sie auch interessieren

Das Landgericht gibt zunächst selbst keine offizielle Stellungnahme ab, allerdings bestätigen mehrere Prozessbeteiligte dem SÜDKURIER das verhängte Strafmaß – darunter auch der als TV-Schauspieler bekannt gewordene Rechtsanwalt Ingo Lenßen, der die Opferseite im Rahmen der Nebenklage vertritt.

„Ich habe mein Herz mit meinem Jungen begraben“

Er hatte zuvor bereits die Entscheidung des Gerichts kritisiert, den Prozess hinter verschlossenen Türen zu führen. „Dieses Verfahren hätte öffentlich geführt werden müssen“, sagt er damals nach der Urteilsverkündung dem SÜDKURIER und begründet: „Das hätte zum besseren Verständnis der Allgemeinheit für das Zustandekommen der Entscheidung des Gerichts geführt.“ Er selbst hatte zuvor die Höchststrafe für Mord und Totschlag bei jugendlichen Straftätern – zehn Jahre hinter Gittern – gefordert.

Das könnte Sie auch interessieren

Nach damaligen Informationen des SÜDKURIER beantragt die Staatsanwaltschaft zuvor eine Gefängnisstrafe von acht Jahren. Die Verteidigung, die sich nicht öffentlich äußert, plädiert demnach auf schwere Körperverletzung mit Todesfolge und sieht eine Strafe von unter acht Jahren als angemessen an.

Die Opferfamilie zeigt sich indes enttäuscht von dem Urteil. „Nur die Höchststrafe für den Hauptangeklagten wäre für uns vertretbar gewesen, als Zeichen und zum Schutz für andere“, sagt der Vater des Opfers. „Ich habe mein Herz mit meinem Jungen begraben.“