Die Südwestdeutsche Philharmonie (SWP) wird das Jahr 2019 voraussichtlich mit einem Minus von rund 127.500 Euro abschließen. „Das stimmt uns nachdenklich, und wir hätten es gerne vermieden. Wichtig ist aber, dass sich die unterschiedlichen Gründe dafür erklären lassen“, sagt Intendantin Insa Pijanka gegenüber dem SÜDKURIER.

Insa Pijanka, Intendantin der Südwestdeutschen Philharmonie.
Insa Pijanka, Intendantin der Südwestdeutschen Philharmonie. | Bild: Scherrer, Aurelia

Die endgültigen Zahlen stehen nach Erstellung des Jahresabschlusses durch den Wirtschaftsprüfer und der Freigabe durch das Rechnungsprüfungsamt Ende 2020 fest.

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Wolfgang Müller-Fehrenbach: „Unsere Fraktion ist schockiert.“

Am Donnerstag soll der Orchesterausschuss der Stadt mit der Vorlage des Jahresberichts über das zu erwartende Defizit informiert werden. Doch das reicht manchem Stadtrat nicht aus. „Die Zahlen sind nicht nur bedauerlich, sondern besorgniserregend. Unsere Fraktion ist schockiert“, sagt Wolfgang Müller-Fehrenbach (CDU), „zumal 2019 mit Corona nichts zu tun hatte und auch noch die Summen aus der Exzellenzförderung beinhaltet.“

Wolfgang Müller-Fehrenbach, CDU-Stadtrat und Mitglied im Orchesterausschuss.
Wolfgang Müller-Fehrenbach, CDU-Stadtrat und Mitglied im Orchesterausschuss. | Bild: Buchholz, Michael

Bei der Exzellenzförderung bleibt ein Restrisiko

Von 1,35 Millionen Euro aus dem Bundes-Exzellenz-Programm hat die Philharmonie fast die gesamte Summe genutzt. Bis Ende Juni musste sie den Verwendungsnachweis beim Bund abgeben. Es besteht also ein Restrisiko bei der Freigabe. Insa Pijanka hält ein Veto vom Bund aber für unwahrscheinlich. „Wenn wir unsere Projekte im Vergleich zur Ursprungsplanung verändert haben, dann haben wir das immer mit dem Ministerium abgestimmt.“

Schlechteste Werte bei den Abozahlen seit zehn Jahren

Das größte Bedauern lösten die Abo-Rückgänge aus. Bei den Neukunden (198) wie bei den Kündigungen (343) weist die Spielzeit 2019/20 die schlechtesten Werte seit zehn Jahren aus. „Fast 150 verlorene Abos sind jedenfalls deutlich zu viel“, meint Müller-Fehrenbach, der deshalb eine „tiefgehende Analyse“ durch die Intendantin fordert: „Mir fehlt eine Strategie, die Enttäuschung über fehlende Wiener Klassiker kann ja nur ein Mosaikstein sein“. Und das klingt dann doch nach deutlicher Kritik.

Insa Pijanka: Spielzeit war kein persönliches Wunschprogramm

Laut Insa Pijanka bekommt ihr Haus die Kündigungsgründe nur teilweise zurückgespiegelt. „Sie reichen vom Alter des Abonnenten über einen Fortzug bis zur Programmgestaltung“. Die 46-Jährige wehrt sich dagegen, Hauptverantwortliche der schlechten Zahlen zu sein, auch gegen die wiederkehrende Kritik, ein persönliches Wunschprogramm ins Spielzeit-Heft diktiert zu haben.

„Chefdirigent Ari Rasilainen und ich waren in der Abstimmung überzeugt davon, dass es ein gutes und spannendes Programm ist. Es setzt zwar einen Schwerpunkt in der klassischen Moderne, ist aber nicht dezidiert modern.“

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Sie räumt rückblickend ein, dass „wir vielleicht ein zu forsches Tempo gewählt haben“ und würde daher „einen einfacheren Zugang zu weniger populären Komponisten wählen“. Dass andersherum Philharmonie-Besuchern – wie häufig zu hören – programmatische Zumutungen nicht vermittelbar seien, bezeichnet die Intendantin als arrogante Aussage. „Sie scheren ein sehr differenziertes Publikum über einen Kamm. Außerdem geht es nicht um programmatische Zumutungen, sondern immer um gute Musik.“

Unterstützung von anderen Ausschuss-Mitgliedern

Rückendeckung erhält Pijanka von Stadtrat Matthias Schäfer, der für das Junge Forum im Orchesterausschuss sitzt. „Mit ihrem Vorgänger Beat Fehlmann hatte das Orchester einen überdurchschnittlich guten Intendanten, deshalb ist Insa Pijanka noch lange kein Fehlgriff.“

Matthias Schäfer, Stadtrat Junges Forum Konstanz und Mitglied im Orchesterausschuss.
Matthias Schäfer, Stadtrat Junges Forum Konstanz und Mitglied im Orchesterausschuss. | Bild: SK

Ein Wechsel auf neue Zielgruppen sei irgendwann notwendig, allein schon wegen der Altersstruktur des Philharmonie-Publikums, meint Schäfer, der dennoch nicht ohne Sorgen auf die jüngsten Zahlen blickt: „Ein Jahr lässt sich auffangen, aber ein Defizit einer großen Einrichtung darf andere kulturelle Bereiche nicht erdrücken.“ Zahide Sarikas (SPD) trifft das Minus „nicht ganz unerwartet, das kommt bei Intendanzwechseln nicht selten vor“, sagt die Stadträtin.

Zahide Sarikas, SPD-Stadträtin und Mitglied im Orchesterausschuss.
Zahide Sarikas, SPD-Stadträtin und Mitglied im Orchesterausschuss. | Bild: Patrick Pfeiffer

Sie will Insa Pijanka Zeit geben, die Verluste wieder hereinzuholen: „Ich hoffe, dass das passiert. Ich erwarte es dann aber auch.“

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Die Intendantin selbst erklärt: „Ich würde mir Vorwürfe wegen des Defizits machen, wenn es auf planerische Fehler zurückzuführen wäre. Zum Beispiel wenn die Kosten für Gastmusiker, Dirigenten oder externe Solisten ausufern. Dies war aber nicht der Fall.“ In diesen Bereichen liegt die SWP ungefähr bei den für 2019 vorab geplanten Summen.

Wie konnte es überhaupt zum Defizit kommen?

Es sind andere Gründe, die – unabhängig von der rückläufigen Abo-Zahlen – zum Verlust führten. So müssen 2019 für Überstunden, die sich im Vergleich zu 2018 noch einmal deutlich erhöhten, sowie für Resturlaub rund 46.000 Euro zurückgestellt werden. Die vielen Überstunden sind für Pijanka „ein Indiz einer strukturellen Unterbesetzung der Philharmonie„.

Ausgerechnet durch Corona: Hoffnung auf Auflösung der Rückstellungen

Auch noch laufende Rechtsstreitigkeiten (15.300 Euro) und das vom Gemeinderat beschlossene Coaching des Teams und der Intendantin selbst (insgesamt rund 20.000 Euro) wirken sich negativ auf die Bilanz aus. Pijanka ist zuversichtlich, dass diese Rücklagen aufgelöst werden können.

Und dabei könnte – so zynisch es klingt – Corona helfen: Die auch in der Philharmonie eingeführte Kurzarbeit hat zur Bedingung, dass Resturlaube und Überstunden abgebaut werden müssen.