Gerry Mayr ist kein Mensch, der Angst vor ein bisschen Gegenwind hat. Sein Leben spielt sich draußen ab, in der weiten Welt, als Abenteurer, als Sportler. Vom Eingesperrtsein hält Mayr wenig, es passt nicht zu ihm.

Zu Beginn der Krise warnte er alle

Während die Zahl der Corona-Erkrankten täglich stieg, gab es in Deutschland keine allgemeine Ausgangssperre. Auf Freiheiten und die Ausübung mancher Grundrechte mussten aber alle vorübergehend verzichten. Gerry Mayr konnte als Selbstständiger in weiten Teilen seinem Beruf nicht nachgehen. „Dabei gehörte ich zu denjenigen, die zu Beginn der Krise alle im eigenen Umfeld aufgerufen haben, sich an die Regeln zu halten“, sagt Mayr resigniert. Inzwischen gehört er zu jenen, die sich gegen die noch bestehenden Corona-Auflagen wehren, die aus Überzeugung demonstrieren. Und zu jenen, die nicht mit Verschwörungstheoretikern und Rechten verwechselt werden wollen.

Gerry Mayr in Aktion.
Gerry Mayr in Aktion. | Bild: privat

„Plötzlich steht die Welt Kopf“

„Ich kam gerade zurück aus Italien, wo ich im Februar mit dem Luftsportgerät unterwegs war“, erinnert sich Mayr. Über Bergamo sei er zurückgefahren und habe sich gefragt, warum so viel Polizei in Mailand zu sehen war. Erst in Konstanz erfasste er die Dimension der beginnenden Corona-Krise. „Ich komme zurück, und die Welt steht Kopf“, sagt er. Vielleicht war es dieses Hineingeworfen-Werden in den rasch folgenden Lockdown, das ihn skeptisch machte. Gerry Mayr beginnt zu rechnen.

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Ein Blick auf die Statistik

Die Statistik lässt ihn nicht mehr los. Statt sich von den Erkrankten-Zahlen irritieren zu lassen, die das Robert-Koch-Institut täglich veröffentlicht, sieht sich Mayr die Zahl der Sterbefälle an. Er vergleicht die Monate Januar bis März 2019 mit jenen von 2020. „Statistisch ist nicht zu erkennen, dass in diesem Jahr signifikant mehr Menschen gestorben sind als letztes Jahr“, glaubt der Weltenbummler.

Kein Verschwörungstheoretiker

Gerry Mayr leugnet nicht, dass es das Coronavirus gibt. Er grenzt sich auch klar ab von Verschwörungstheoretikern und verbreitet keine Thesen, dass zerstörerische Mächte das Virus erfunden hätten. Er hält die Maßnahmen, die gegen das Virus in Deutschland ergriffen wurden, nur schlicht und einfach für überzogen. „Wenn in den Frühjahrsmonaten 2020 nicht deutlich mehr Menschen in Deutschland gestorben sind als im Vorjahr – dann rechtfertigt das den Begriff Pandemie nicht“, sagt er. Dass die Corona-Maßnahmen möglicherweise dafür sorgten, dass nicht noch mehr Menschen starben, das kann Mayr nicht widerlegen. Er glaubt es nur nicht.

Wirtschaftliche Schäden, beginnende Rezession

Dann richtet Mayr den Blick auf die andere Seite: auf die Schäden, die durch den Lockdown angerichtet wurden. Er spricht von 70.000 Betrieben in den Bereichen Hotellerie und Gastronomie, die bundesweit von der Insolvenz bedroht seien. 2,4 Millionen Menschen seien davon betroffen. Gerade Konstanz sei eine Stadt, die hauptsächlich von den touristischen Branchen lebt.

Der Traum von Freiheit

Wie es ihm selbst geht? Wirtschaftlich werde er die Krise überleben. Der Abenteurer verkauft Motorräder, er lebt vom Traum von Freiheit und Geschwindigkeit, den Biker miteinander teilen. Angst vor einer Virus-Erkrankung? Das kommt in ihrer Welt nicht vor.

Gerry Mayr musste nicht ganz auf seine Stammkunden verzichten in den vergangenen Wochen. Einige kamen, um ihr Motorrad reparieren zu lassen. Jetzt ist auch der Verkauf wieder möglich, aber die Nachfrage hält sich in Grenzen. „Finanziell ist das ein Einbruch. Es geht um den Frühling 2020 – und der fehlt.“ In dem Hostel, das Mayr betreibt, hat er im Moment Personen untergebracht, die sonst von Obdachlosigkeit betroffen wären. Das zumindest brachte ihm feste Einnahmen, die die Stadtverwaltung überweist.

„Die Alten nicht geschützt“

Statistisch habe es nur in der Altersgruppe der 80- bis 85-Jährigen mehr Tote gegeben als im Vorjahr, sagt Mayr. Der Unternehmer betont die Würde und das Lebensrecht der Älteren – nur könne er sich nicht wehren gegen den Eindruck, dass die Maßnahmen die Alten nicht schützen konnten. „Wäre es nicht sinnvoller gewesen, das Gesundheitssystem auszubauen, statt jahrelang im Gesundheitswesen zu sparen?“, fragt er.

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Immunsystem stärken – aber kein Lockdown

Seine Antwort: Aus seiner Sicht wäre es ausreichend gewesen, die Bevölkerung besser aufzuklären, den Menschen zu raten, ihr Immunsystem zu stärken, die Situation zu beobachten, statt die drastische Methode des Lockdowns einzusetzen. Im eigenen Umfeld habe die Pandemie nicht stattgefunden, er kenne niemanden, der erkrankt sei. Ein Virus, das sich selten zeigt, das aber die gesamte Weltwirtschaft lahmlegt?

Intensive Auseinandersetzung mit dem Tod

Bei aller Kritik ist Mayr nicht betriebsblind, wenn es um Krankheit und Tod geht. Erst im vergangenen Jahr verlor der 55-Jährige seine Mutter. Sie starb an einem multi-resistenten Krankenhauskeim. „Am Schluss haben die Ärzte das Antibiotikum, das sie bekam, abgesetzt. Sie konnte in Frieden sterben.“ Für ihn sei das ein einschneidendes Erlebnis gewesen. Mayr vermisst seine Mutter, sie sei Vertraute und Freundin gewesen, habe viele harte Zeiten erlebt. Das deutsche Gesundheitssystem konnte sie nicht retten, im Gegenteil, es brachte sie in Gefahr. Trotzdem sei sie in Würde gestorben.

Angst vor der Spaltung der Gesellschaft

An Würde, vielleicht auch an Selbstachtung fehlt es der Gesellschaft aus Sicht von Gerry Mayr im Moment. Die Corona-Krise habe ein Ungleichgewicht bewirkt, das Schaden anrichtet. „Ich habe Angst, dass diese Krise die Gesellschaft noch weiter spaltet“, sagt er nachdenklich und klingt wie ein Mann, der sich um den Zusammenhalt sorgt.