Der Anlass ist die Wohnungsnot. Leerstand sei keine Lösung, war auf einem der Transparente zu lesen, das an der Fassade an der Markgrafenstraße 10 hängt. Schon seit längerem sind dort die Banner zu sehen, doch erst jetzt schien das leer stehende Reihenhaus wohl auch besetzt zu sein. Auf einer Seite im Internet ist zu lesen, welche Pläne die Besetzer haben: Sie wollen im Erdgeschoss ein Café errichten, die oberen Geschosse für Wohnraum nutzen. Sogar Nachbarn hatten sie zu einem Willkommensfest eingeladen. Das Haus stehe seit vielen Jahren leer.

Eine angekündigte Aktion
Mehrere Personen hätten sich am Samstag widerrechtlich in dem Gebäude befunden, erklärte die Polizei in ihrem ersten Pressebericht. Doch sie hätten sich, erklärte das Präsidium weiter, geweigert, das Gebäude zu verlassen. Der Eigentümer habe sich deswegen an die Polizei gewandt. Mehrere Polizeistreifen überwachten das Anwesen und die Umgebung. Die Anzahl der Personen, die die Polizei auf 30 bis 40 Personen schätzt, verhielten sich friedlich. Die Polizei hat bislang auf eine Räumung des Gebäudes verzichtet und beobachtet die Lage weiter. Vor dem Haus sind auch Stände aufgebaut. Strafrechtlich gesehen könnte sie der Vorwurf des Hausfriedensbruchs treffen.
Das erklärt eine Besetzerin:
„Insbesondere in einer Stadt, in der kaum günstiger Wohnraum zur Verfügung steht und die mit die höchsten Mietpreise in ganz Deutschland hat, finden wir so etwas nicht akzeptabel. Da die Stadt nicht fähig zu sein scheint etwas gegen den Leerstand, trotz Wohnungsknappheit, zu unternehmen, haben wir beschlossen hier selbst aktiv zu werden.“ So wird eine Besetzerin mit dem Namen Lisa auf der Besetzer-Homepage zitiert.
„Gekommen, um zu bleiben“
Die Aktion scheint langfristig angelegt zu sein: “Wir sind gekommen, um zu bleiben“, wird ein Bewohner der Markgrafenstraße 10, wie sich ein Besetzer namens Markus nennt, zitiert. Die Besetzer wollen das Gebäude instand setzen und Interessierten ein alternatives Leben ermöglichen.

Eine Demonstration zuvor
Rund 100 Personen nahmen am Samstag an einer Demonstration für bezahlbaren Wohnraum teil, zu der unter anderem Solidarity City Konstanz, Jugendkultur Contrast und Horst Klub aufgerufen hatten. Im Rahmen einer Kundgebung auf der Marktstätte, an der auch OB-Kandidat Luigi Pantisano teilnahm, forderten die Demonstrierenden das „Ende des Mietwahnsinns“, einen Mietkündigungsstopp für das gesamte Jahr 2020, zeitnahe Schaffung von sozialem Wohnraum und von Räumen für soziokulturelle Angebote und Projekte sowie die sofortige Sanierung und Nutzung von leerstehendem Wohnraum. Mit Transparenten und lautstarken Rufen – auch Stimmen pro Hausbesetzung wurden laut – zogen die Demonstrierenden durch die Innenstadt, um auf ihre Forderung aufmerksam zu machen.
Linke Liste zeigt sich solidarisch
Zwischenzeitlich solidarisiert sich die Linke Liste Konstanz mit den Hausbesetzern. „Mit ihrer Aktion wehren sie sich gegen eine Wohnungspolitik, die soziale Ungerechtigkeit in der Stadt massiv vertieft. Überraschend an der Hausbesetzung am Samstag ist deshalb allenfalls, dass sie erst jetzt geschehen ist. Denn der zu Beginn des Monats in Kraft getretene neue Mietspiegel dokumentiert es schwarz auf weiß: Die Mieten in Konstanz steigen weiter, in den letzten drei Jahren durchschnittlich um mehr als zehn Prozent“, heißt es in einer Pressenotiz.
Forderung: Keine Spekulanten
Es sei nicht hinzunehmen, dass Eigentümer, nach Ansicht der Linken Liste meist auf mehr Gewinn spekulierend, ihre Immobilien leer stehen ließen, während Mieter vergeblich nach einer bezahlbaren Unterkunft suchten und andere von Zwangsräumung bedroht seien Nicht nur das Beispiel Markgrafenstraße 10 zeige: „Das bestehende Zweckentfremdungsverbot erweise sich in vielen Fällen als zu stumpfes Instrument, um das asoziale Verhalten von Immobilienbesitzern zu unterbinden. Die LLK fordert deshalb, dass es durch härtere Sanktionen deutlich nachgeschärft wird.“
„Eine verfehlte Wohnungspolitik“
Der Leerstand von Wohnungen sei aber nur eines der Symptome für die verfehlte Wohnungspolitik in der Stadt. Stadtverwatlung und Gemeinderat überließen den Wohnungsbau immer noch viel zu oft dem kapitalistischen Markt. Es müsse gegengesteuert werden, so die LLK, es müsse Schluss sein mit dem Verkauf von Grundstücken zu Gunsten gewinnorientierter Unternehmen. Wohnen sei ein Menschenrecht, das nicht für die Bereicherung von Konzernen und Anlegern missbraucht werden dürfe.