So manche Wahlparty am Sonntagabend, 23. Februar, wurde eher zur Trauerfeier. Der SÜDKURIER war dabei:

CDU-Anhänger hatten auf über 30 Prozent gehofft

Als Punkt 18 Uhr die erste Prognose der ARD über den Bildschirm flimmert, ist es bei der CDU erst einmal: still. Kein Jubel über die gut 29 Prozent, die der Union bei der Bundestagswahl zunächst zugetraut werden, keine Schadenfreude über den Absturz der Ampel-Parteien und allenfalls stille Bestürzung über das starke Ergebnis der AfD. Im Restaurant „Lima“ direkt am Konstanzer Seerhein muss die Nachricht verdaut werden.

Bei der Wahlparty der CDU zur Bundestagswahl 2025 im Restaurant Lima in Konstanz: Mitglieder und Freunde der Partei verfolgen gespannt ...
Bei der Wahlparty der CDU zur Bundestagswahl 2025 im Restaurant Lima in Konstanz: Mitglieder und Freunde der Partei verfolgen gespannt die ersten Hochrechnungen. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Nicht mit dabei ist der Mann, der für viele hier im Raum die Partei vor Ort verkörpert. Andreas Jung ist nach der Stimmabgabe auf der Reichenau nach Berlin gereist, er wird als stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU im Parteipräsidium gebraucht. Auch Journalisten warten dort schon auf ihn. Als er kurz neben Spitzenkandidat Friedrich Merz und Generalsekretär Carsten Linnemann im Fernsehen zu sehen ist, geht ein leises Raunen durch den Saal.

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So richtig zum Feiern ist hier niemand zumute. Auch nicht, als Merz in der ARD spricht und erklärt, an diesem Abend werde man noch „Rambozambo“ machen. Als der mutmaßliche künftige Bundeskanzler geendet hat, gibt es höflichen Applaus. Man hatte auf ein anderes Ergebnis gehofft. Auf eine Drei vor dem Wert der Union, auf weniger AfD. Als die ersten Zahlen zur Wählerwanderung eingeblendet werden, merken viele der Gäste auf, denn sie sehen, dass die Union rund 1,3 Millionen Wähler an die AfD verloren hat.

Freude kommt lediglich auf, als Jung nochmals eingeblendet wird. Er dankt für einen engagierten Wahlkampf und die Unterstützung. In der ersten Reihe machen Kreisvorsitzender Levin Eisenmann und Mitglieder der Jungen Union ein bisschen Stimmung. Dass der CDU-Abgeordnete in jeder der 25 Kommunen im Kreis Konstanz die Mehrheit der Erststimmen gewonnen hat, wissen die Gäste zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

SPD-Mitglieder hoffen auf Seitzl-Einzug

Die Kinder lassen sich von den Zahlen auf dem Bildschirm im Old Mary‘s Pub die Laune nicht vermiesen. Sie spielen sich munter die roten SPD-Luftballons zu. Dagegen machen die ersten Hochrechnungen die Erwachsenen merklich nervös. Ortsvorstand Frank Ortolf klammert sich noch an die leicht besseren Auszählungsergebnisse bei der ARD. Besteck klappert auf Pizzatellern, und ob Frust über das Ergebnis oder Erleichterung über das Ende des Wahlkampfs – auch die Getränke munden.

Im Konstanzer Old Mary‘s Pub verfolgt die Kreis-SPD die ersten Hochrechnungen der Bundestagswahl 2025. Kandidatin Lina Seitzl spricht zu ...
Im Konstanzer Old Mary‘s Pub verfolgt die Kreis-SPD die ersten Hochrechnungen der Bundestagswahl 2025. Kandidatin Lina Seitzl spricht zu den Genossen. | Bild: Judith Schuck

Kreisvorsitzende Lina Seitzl hatte ihre Genossinnen und Genossen zu Beginn des Abends bereits ermuntert: „Lasst uns den Abend schön miteinander verbringen, unabhängig vom Ergebnis.“ Ein Ballon platzt, laute Bravo-Rufe. Vielleicht tut ein bisschen Luft ablassen jetzt richtig gut. Bei der Rede von Olaf Scholz zum bitteren Wahlergebnis wird es still – und aufmerksam gelauscht. Als die Idee aufkommt, bei der Ansprache von Alice Weidel auf stumm zu schalten, jubeln alle laut.

Der Co-Kreisvorsitzende Uwe Herwig richtet später seinen Dank an die Anwesenden: „Wir haben im Kreis- und Ortsverein einen außerordentlich engagierten Wahlkampf geschafft.“ Die Hochrechnungen für Baden-Württemberg machen Uwe Herwig optimistisch, dass Seitzl im Bundestag bleiben kann.

Die Liberalen müssen bangen

Zaghafter Optimismus kurz vor 18 Uhr in den Bürgerstuben. Hier treffen sich Parteimitglieder und Freunde der FDP, um gemeinsam mit der Bundestagsabgeordneten Ann-Veruschka Jurisch die erste Prognose und dann weitere Hochrechnungen abzuwarten. Es zeichnete sich ein doppeltes Zittern ab: Zunächst geht es darum, ob es die Liberalen überhaupt über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen, und danach natürlich auch darum, ob der Platz 8 auf der Landesliste für Jurisch zum Erhalt ihres Bundestagsmandat ausreicht.

Die Hoffnung von Ann-Veruschka Jurisch ist vergebens.
Die Hoffnung von Ann-Veruschka Jurisch ist vergebens. | Bild: Jürgen Rössler

18 Uhr: Zeit für die erste Hochrechnung. Für die FDP werden bei der ARD 4,9 Prozent eingeblendet. „Das ist nur eine Prognose!“, hofft Jurisch. Fast zeitgleich hört man aus dem Hintergrund: „Beim ZDF sind es 5,1 Prozent!“ Das lässt wieder liberale Hoffnung zu. Zaghafter Applaus, als um 18.22 Uhr auch bei der ARD die Zahl 5,0 für die FDP eingeblendet wird. Für die Liberalen hieße das, dass sie mit 33 Abgeordneten in den neuen Bundestag einziehen würden.

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Jurisch hofft nun wieder für ihre Partei, für ihren Platz in Berlin sieht es hingegen eher schlecht aus. „Ich wäre schon enttäuscht, denn ich mache das gerne!“, so die promovierte Juristin. Doch dazu bräuchte es noch einen großen Schritt. Allerdings geht es für Jurischs Partei danach in die andere Richtung, in den fastnachtlich geschmückten Räumen der Bürgerstube ist die Stimmung weit entfernt von närrischer Fröhlichkeit.

Linke dürfen jubeln

Jubel, Konfetti und Sekt im Schürmann-Horster-Weg bei den Linken: Die Erleichterung ist groß, als die ersten Hochrechnungen auf dem Bildschirm erscheinen. Mit über acht Prozent der Stimmen erzielt die Partei ein deutlich besseres Ergebnis als erwartet. Lars Hofmann, Bundestagskandidat der Linken für Konstanz, zeigt sich überwältigt: „Ich bin sprachlos. Das ist ein Wahnsinns-Ergebnis“. Der 35-Jährige richtet sich an die 50 feiernden Anhänger der Partei in der „Neuen Arbeit“: „Wir sind die wahre Alternative zu einer Politik, die Menschen in Not abschiebt und den Rechtsruck mitträgt“.

Zufriedene Gesichter gibt es bei der Wahlparty der Linken in Konstanz.
Zufriedene Gesichter gibt es bei der Wahlparty der Linken in Konstanz. | Bild: Carolin König

Das gute Abschneiden seiner Partei erklärt er sich zum einen damit, dass sich die Linke „als einzige Partei in Migrationsfragen klar positioniert hat“. Zum anderen lobt er die unermüdliche Arbeit jedes einzelnen Mitglieds, das Flyer in Briefkästen geworfen und sich für die Partei eingesetzt hat. „Wir sind jetzt in der Opposition stark aufgestellt und werden aus dieser Position auch mal den Finger in die Wunde legen“, sagt er. Mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg im nächsten Jahr mahnt Hofmann: „Die harte Arbeit hat sich gelohnt, aber wir dürfen jetzt nicht nachlassen.“

Grünen applaudieren Rosa Buss

Applaus für Rosa Buss. Das Ergebnis bei der Bundestagswahl für die Stadt Konstanz elektrisiert die Grünen bei der Wahlparty im Neuwerk. Bei den Erststimmen liegt sie mit 25,3 Prozent relativ knapp hinter CDU-Bewerber Andreas Jung (29,8 Prozent). Bei den Zweistimmen aber haben die Grünen die Nase vorn: 26,4 Prozent. Die CDU kommt auf 23,8 Prozent. Im Bund sieht es dagegen trübe aus. Die Grünen haben zwar von den drei Ampelparteien am wenigsten verloren, doch für eine schwarz-grüne Koalition reicht es nicht. Und so feiern die Grünen in Konstanz vor allem ihre Kandidatin.

In der Stadt Konstanz hat die Kandidatin der Grünen, Rosa Buss (Mitte), prima abgeschnitten.
In der Stadt Konstanz hat die Kandidatin der Grünen, Rosa Buss (Mitte), prima abgeschnitten. | Bild: Rindt Claudia
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„Wir sind total zufrieden“, sagt Domenica Fluri vom Vorstand der Grünen Jugend. Sie hätten das Ergebnis vor Ort positiv beeinflussen können, und das sei gelungen. Kollegin Jennifer Dieth stimmt zu. Beide berichten, das Interesse an der Politik sei gewachsen. Kandidatin Rosa Buss im dunkelgrünen Kleid stellt fest: „Dieser Wahlkampf war ganz anders.“ Er habe in Windeseile geplant werden müssen. 54 Wahlkampfstände und 2200 Haustürbesuche sind die starke Bilanz.