12.10 Uhr, Marktstätte Konstanz: Leise sind sie nicht mehr und wollen es vorerst auch nicht mehr sein. Den Arbeitnehmern, die sich hier versammelt haben, reicht es. Sie sind etwa 600 Personen aus mehreren Landkreisen und füllen nicht einmal ein Drittel des langgezogenen Platzes. Aber sie sind laut. Trillerpfeifen, Applaus, Verdi-Plakate, die in die Höhe gehalten werden.

Die Streikenden sind nicht zu überhören Video: Wagner, Claudia

Der Stimmung entsprechend legt sich Hauptrednerin Hanna Binder, stellvertretende Landesbezirksleiterin von Verdi Baden-Württemberg, für die hier erschienenen Kollegen ins Zeug. Im Schnelldurchlauf zählt sie auf, was die Streikenden als Ungerechtigkeiten bis Unverschämtheiten empfinden:

  • Dass die Arbeitgeberseite bei den Kliniken Absenkungstarifverträge wieder einführen will.
  • Dass im öffentlichen Dienst etliche gut Ausgebildete arbeiten, die so weit unten in der Entgelttabelle eingruppiert seien, dass sie kaum von ihren Gehältern leben können.
  • Dass die Arbeitgeber die Jahressonderzahlung auf 90 Prozent anheben wollen, was zunächst gut klinge.
Gewerkschafterin Hanna Binder nimmt kein Blatt vor den Mund: „Das Angebot der Arbeitgeber ist respektlos!“
Gewerkschafterin Hanna Binder nimmt kein Blatt vor den Mund: „Das Angebot der Arbeitgeber ist respektlos!“ | Bild: Wagner, Claudia

Tatsache aber sei, dass die Sonderzahlung prozentual berechnet werde, sie liege bei den unteren Gehaltsgruppen bereits bei 85 Prozent. Eine Anhebung auf 90 Prozent bedeute also, dass die ohnehin gut Verdienenden noch deutlich besser gestellt würden. „Das nenne ich krass unsozial!“, ruft Hanna Binder ins Mikrofon.

Und dann ergänzt sie, was sie von den bisherigen Verhandlungsangeboten der Vereinigung kommunaler Arbeitgeber hält: „Warum die Verhandlungen so lange dauern? Weil die Arbeitgeber jede Menge Müll reinkippen statt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren!“

Erzieherinnen, städtische Angestellte und viele andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes legen am 22. März die Arbeit nieder, um ...
Erzieherinnen, städtische Angestellte und viele andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes legen am 22. März die Arbeit nieder, um auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen. | Bild: Wagner, Claudia

Unterhalb des Kaiserbrunnens sind Männer und Frauen anzutreffen, die selbstbewusst und deutlich ihre Forderungen formulieren.

Selina Mitmesser, Kita Rebberg Konstanz: „Ich streike, weil wir als Erzieherinnen zu gering bezahlt werden. Die Eingruppierung müsste bei S9/ S10 liegen. Und wir haben viel zu wenig Personal. Die Erwartungen der Eltern sind hoch, wir wollen auch mehr geben, können es aber nicht, weil es überall an Personal fehlt.“

Alexandra Groß, Kita Rebberg Konstanz: „Wir bekommen zu wenig Unterstützung von der Stadt. Dabei sind wir ständig im Stress. Pädagogische Arbeit ist kaum noch möglich. Mir ist deshalb ein höherer Lohn wichtig als Ausgleich für den Stress.“

Streikende Erzieherinnen der Kita Rebberg: Alexandra Groß, Tenzin Kanghi und Selina Mitmesser (von links).
Streikende Erzieherinnen der Kita Rebberg: Alexandra Groß, Tenzin Kanghi und Selina Mitmesser (von links). | Bild: Wagner, Claudia

Ellen Batikowski. Kinderzeit Radolfzell: „Ich möchte, dass deutlich wird, dass wir es Wert sind. Wir betreuen Kinder im Schulalter sind im sozialen Bereich tätig und das wird nicht anerkannt. Ich kann meinen Alltag mit meinen drei Kindern kaum bezahlen.“

Ellen Batikowski: „Ich streike auch, weil ich mir meinen Alltag nicht leisten kann.“
Ellen Batikowski: „Ich streike auch, weil ich mir meinen Alltag nicht leisten kann.“ | Bild: Wagner, Claudia

Daniel Kostadinoski, IT bei der Stadtverwaltung Konstanz: „Ich streike für mehr Geld. Besonders in der IT werden wir schlecht bezahlt im Vergleich zur freien Wirtschaft. Unsere Arbeit wird nicht wirklich geschätzt. Dabei wird die Zukunft digital laufen. Es kommen immer mehr Aufgaben hinzu, aber es gibt nicht mehr Personal.“

Moritz Müller, Kita Urisberg Konstanz: „Ich streike, weil die Gehaltsverhältnisse verändert werden müssen. Die Inflation schreitet voran. Ich bin neu in der Branche, bekomme aber mit, dass in den meisten Einrichtungen Personalmangel herrscht.“

Daniel Kostadinoski (IT-Angestellter) und Moritz Müller, Erzieher in Ausbildung, fordern mehr Gehalt.
Daniel Kostadinoski (IT-Angestellter) und Moritz Müller, Erzieher in Ausbildung, fordern mehr Gehalt. | Bild: Wagner, Claudia

12.50 Uhr, Markstätte Konstanz: „Heute ist kein Arbeitstag, heute ist....“, skandiert Gewerkschaftssekretärin Gabriele Wülfers, und bekommt die kollektive Antwort: „Streiktag!“. Die Streikenden sind bei der Stange geblieben, eine endlose Reihe langatmiger Reden hat die Gewerkschaft ihren Mitgliedern erspart.

Der Worte wurden genug gewechselt, die Kundgebung ist beendet. Die Arbeitnehmer im Ausstand treten ihre Freizeit an und werden am nächsten Tag wieder zur Arbeit erscheinen. Es ist nicht ihr letztes Wort. Sie haben klar gemacht: Mit ihnen ist zu rechnen in diesem Frühjahr.

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